Kein grünes Wunder

  • Theodor Westermann FREIGESTELLT Unser Autor, Stuttgart BNN

In Baden-Württemberg reißen die Hiobsbotschaften aus den Unternehmen nicht ab. Die prekäre Wirtschaftslage wird im Wahlkampf ein dominierendes Thema – doch weder Grüne noch CDU haben sich mit Ruhm bekleckert.

Es vergeht kaum ein Tag in Baden-Württemberg ohne schlimme Nachrichten von Firmenschließungen oder angekündigten Massenentlassungen. Das bisher letzte prominente Beispiel ist das Unternehmen Bosch und dessen geplanter Kahlschlag. Speziell betroffen sind oft Firmen, die einst der Stolz des Landes waren, nämlich die Automobilindustrie und ihre Zulieferer, aber nicht nur diese. Der Standort Baden-Württemberg leidet massiv, dies in Zeiten maroder öffentlicher Infrastruktur, klammer Kassen und den Folgen des Ukrainekriegs.

Sind das die disruptiven Prozesse, vor denen einst Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit dem Blick auf die Transformation der Wirtschaft warnte? Ja, sie sind es. Der Abwärtsstrudel, der die Südwestwirtschaft erfasst hat, wird ein dominierendes Thema im Landtagswahlkampf sein. Versprochen war von den Apologeten der Transformation hin zur erwünschten Klimaneutralität ein grünes Wirtschaftswunder. Diese Vision ist gründlich geplatzt.

Und eigentlich kann niemand überrascht sein. Denn hat jemand ernsthaft geglaubt, dass beispielsweise das von der EU verfügte Verbrenner-Aus ab 2035 und der ausschließliche Fokus auf Elektromobilität keine Auswirkungen auf die Basis der baden-württembergischen Industrie hat? Unzweifelhaft gehört dem Elektroantrieb die langfristige Zukunft, aber der ausschließliche Fokus darauf war und ist falsch, genauso die Verbotspolitik. Zudem hat der vorauseilende Gehorsam auch baden-württembergischer Autokonzerne, noch früher als 2035 vom Verbrenner Abschied zu nehmen, diese von den Kundenwünschen und Bedürfnissen abgeschnitten. Denn mit dem Verbrenner wird das Geld verdient, um die teure Transformation zu leisten. Auch nach 2035 werden weite Teile der Welt den ökotechnologisch noch nicht ausgereizten Verbrennermotor brauchen. Wenn der Kurs in Europa aber so weitergeht, wird dieser nicht mehr aus Baden-Württemberg kommen, andere Regionen der Welt werden das Geschäft machen und Arbeitsplätze sichern.

Dringend notwendig und im Sinne der baden-württembergischen Wirtschaft und ihrer Arbeitnehmer wäre mehr Flexibilität, weg von willkürlich gesetzten Terminen und Zielen, weg von einem Klimaschutzregionalismus, der den globalen Klimawandel nicht beeinflusst und der nur zur De-Industrialisierung führt.

Ein Teil der Landespolitik inklusive des Ministerpräsidenten versucht, die politischen Bestrebungen in Berlin gegen das Verbrenner-Aus zu stärken. Ein anderer Teil zieht als Lehre aus der Krise nur, dass das Verbrennerverbot ein bisschen später kommen soll. Eigentlich hätte die CDU hier ein erstklassiges Wahlkampfthema. Aber Bürger wie Wirtschaft haben nicht vergessen, dass es ausgerechnet die Christdemokratin Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin war, die 2019 den „Green Deal“ mit all seinen rigiden Vorgaben aufs Gleis setzte. Und sie scheint kein Problembewusstsein zu haben: bei einer substanziellen Kurskorrektur herrscht bisher Fehlanzeige.

leitartikel@swp.de

Dringend notwendig sind Flexibilität und eine Abkehr von willkürlich gesetzten Terminen und Zielen.

VORHERIGER ARTIKEL NÄCHSTER ARTIKEL