Bereit für den großen Zug
Tierwelt Mehr als 100.000 Kraniche sind gerade in Deutschland – und sammeln sich für ihre lange Reise gen Süden. Immer mehr Tiere vebringen jedoch den Winter hierzulande.
Die Temperaturen sinken, und zahlreiche Kraniche ziehen übers Land. Anfang der Woche gab es den ersten großen Weiterzug der großen Vögel in Deutschland, wie ein Sprecher des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) sagte. Mehr als 20.000 Vögel seien Richtung Frankreich geflogen.
Viele Kraniche sammeln sich derzeit an Rastplätzen im ganzen Land. Mehr als 100.000 halten sich derzeit in Deutschland auf. Im Flug bilden die mehr als einen Meter großen Vögel – Fachname Grus grus – eine V-förmige Formation. Kräftige, erfahrene Tiere fliegen an der Spitze.
„Die meisten Zugmeldungen über Deutschland erhalten wir ab Ende Oktober und in den ersten beiden Novemberwochen“, sagt Günter Nowald, Leiter des Nabu-Erlebniszentrums Kranichwelten in Mecklenburg-Vorpommern.
Treffpunkt Champagne
Nach Nabu-Angaben gibt es hierzulande zwei Hauptzugrouten, von denen eine durch Hessen und weiter über Rheinland-Pfalz und das Saarland nach Frankreich führt. Die andere führt von Niedersachsen durch Nordrhein-Westfalen. Insgesamt fliegen schätzungsweise 400.000 Tiere Stück für Stück über mehrere Wochen über ganz Deutschland.
Die meisten Vögel treffen sich dann in der Champagne am Stausee Lac du Der-Chantecoq – laut Nabu ist das der größte Kranichrastplatz Frankreichs. Eine dritte, etwas schwächer beflogene Route führt in Ost-West-Richtung durch Bayern und Baden-Württemberg und endet ebenfalls an dem französischen Stausee. Danach gehe es weiter gen Süden.
„Das Hauptüberwinterungsgebiet ist die Extremadura in Spanien“, sagt Nowald. Wann die Tiere sich auf den Weg Richtung Süden machen, hängt unter anderem vom Wetter ab. An einer der vier großen Rastregionen, der Vorpommerschen Küste, wurden an einem Wochenende rund 23.000 Kraniche gezählt. Vor zwei Jahren seien es zur gleichen Zeit 60.000 gewesen, sagt Nowald. „Das lag und liegt vermutlich daran, dass wir sehr, sehr viele und starke Stürme aus südwestlichen Richtungen hatten“, sagt der Vogelexperte.
In solchen Fällen würden die Tiere aus Skandinavien mit dem Flug warten, um die Ostsee sicher überqueren zu können. Nachdem der Wind nachgelassen hatte, seien die Kraniche an die Vorpommersche Küste gekommen. „Als Massenzugtage gibt es die Tage, wenn Rückenwind für die Kraniche vorherrscht, gepaart mit einem Hochdruckgebiet“, erklärt Nowald. Das sei ein Zeichen für die Kraniche, weiterzuziehen. Ein weiterer Faktor sei die Verfügbarkeit von Nahrung in den Rastregionen, die jedes Jahr anders aussehe.
Laut Nabu beginnt die Rückkehr nach Deutschland Mitte Januar/Anfang Februar. Das Zuggeschehen liege unter anderem aufgrund des Klimawandels inzwischen rund zwei Wochen früher als vor 15 Jahren. Allerdings verzichten immer mehr Kraniche auf den kräftezehrenden Weiterzug – und überwintern in Deutschland. Im vergangenen Winter seien es mindestens 10.000 Wintergäste gewesen, die nicht aus Deutschland weitergezogen sind, berichtet der Nabu. „Das ist nur ein Bruchteil des Gesamtbestandes, doch der Anteil wächst.“