„Es kann auch zu neuen Gewaltausbrüchen kommen“

  • Sprach schon vom „ewigen Frieden“: US-Präsident Donald Trump. Foto: Yoan Valat/AFP
  • Sieht die USA beim Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern weiter in der Pflicht: Nahost-Expertin Claudia Baumgart-Ochse, Leiterin des Programmbereichs Transnationale Politik am PRIF Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main Foto: Uwe Dettmar

Nahost Mit seinem Friedensplan will US-Präsident Donald Trump in die Geschichtsbücher eingehen. Die Konfliktforscherin Claudia Baumgart-Ochse erklärt, warum sie Rückschläge befürchtet.

Berlin. Die größten Aufgaben für eine Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern stehen noch bevor, sagt Nahost-Expertin Claudia Baumgart-Ochse vom PRIF Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung.

Ist der Weg frei für eine Friedenslösung im Nahen Osten?

Claudia Baumgart-Ochse: Wie definieren Sie Frieden? Die Waffen schweigen jetzt in Gaza, der Krieg zwischen Hamas und Israel ist vorerst beendet. Aber der Konflikt geht ja über den Gazastreifen hinaus, er umfasst auch das Westjordanland und Ostjerusalem. Man muss sich darauf einstellen, dass ein möglicher Friedensprozess sehr lange dauern wird. Deswegen halte ich den „ewigen Frieden“, den US-Präsident Donald Trump ausgerufen hat, für verfrüht.

Wer könnte sich denn darum kümmern, dass weiteren Schritte folgen?

Die einzigen, die das können, sind die Amerikaner, weil nur sie die notwendigen Hebel in der Hand haben. Dazu zählt vor allen Dingen, auf Israel Druck auszuüben. Denn das Land müsste erhebliche Kompromisse eingehen, wenn es eines Tages einen palästinensischen Staat geben soll. Und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat schon mehrfach gesagt, dass er das ablehnt. Infolge des 7. Oktober 2023 sieht das verständlicherweise auch ein großer Teil der israelischen Bevölkerung so. Und die USA müssten weiter daran arbeiten, die arabischen Nachbarstaaten in die Verantwortung zu nehmen, denn es braucht für einen Friedensprozess auf jeden Fall die Unterstützung der regionalen Akteure.

Die Hamas hat bereits erklärt, dass sie gar nicht daran denkt, ihre Waffen abzugeben. Ist Donald Trumps Friedensplan damit schon wieder hinfällig?

Ich sehe jedenfalls keine Verhandlungsmasse, sie dazu zu zwingen. Es wäre letztlich ja auch die Aufgabe einer wie auch immer gearteten Stabilisierungsmission, diese Entwaffnung durchzusetzen. Viel wird davon abhängen, wie die Bevölkerung nach zwei Jahren Krieg im Gazastreifen zur Hamas steht. Darüber wissen im Moment nicht viel. Wir wissen auch nicht, wie stark die Hamas noch ist, wie viele ihrer Mitglieder noch leben, über wie viele Waffen sie verfügt. Ihre einstigen Unterstützer sind jetzt Teil des Friedensabkommens, etwa Katar und die Türkei. Und der Iran ist massiv geschwächt. Vielleicht hatte die Hamas auch keine andere Wahl, als dem Plan Trumps zuzustimmen.

Gerade hat die Hamas Mitglieder einer rivalisierenden Gruppe hingerichtet.

Wir sind in einer sehr prekären Übergangsphase von Krieg zum Nicht-Krieg. Ich sage bewusst nicht „Frieden“. In solch einer Phase des Waffenstillstands kann es unheimlich schnell Rückschläge geben und die Gewalt noch mal aufflammen. Es kann auch zu neuen Gewaltausbrüchen durch andere Akteure kommen, etwa Splittergruppen, die im Abkommen gar nicht erwähnt sind.

VORHERIGER ARTIKEL NÄCHSTER ARTIKEL