klassisch! Ein Kammerkonzert in außergewöhnlicher Besetzung: Hornist Felix Klieser kommt mit Martina Filjak (Klavier) und Andrej Bielow (Geige) ins Stadthaus.
Streichquartette spielen in der Ulmer Reihe „klassisch!“ die Hauptrolle, das Klavier mischt immer wieder mit, und die menschliche Stimme und ein paar andere Instrumente waren auch gelegentlich im Stadthaussaal zu hören. Aber das ist ein Debüt: das Horn. Zu Gast ist am Mittwoch, 22. Oktober, 20 Uhr, der Hornist Felix Klieser. Und er kommt im Trio mit der kroatischen Pianistin Martina Filjak und dem ukrainischen Geiger Andrej Bielow.
Klieser, 34, macht eine preisgekrönte Klassik-Karriere, aber er hat auch schon zwei autobiografische Bücher veröffentlicht, um über sein Schicksal zu reden und den Menschen Mut zu machen: „Fußnote“ und „Stell Dir vor, es geht nicht, und einer tut es doch“. Denn Klieser wurde ohne Arme geboren. Gegen alle Widerstände hat er das Instrument gelernt: und zwar virtuos. Normalerweise formen die Hornisten den Klang auch mit der rechten Hand im Schalltrichter, er gleicht das Handicap mit seinen Lippen aus. Und wofür er die Zehen des linken Fußes einsetzt: um die drei Ventile am Waldhorn zu bedienen, damit wird die Tonhöhe chromatisch geregelt.
Ein Interview mit Felix Klieser am Telefon, kurz vor seiner Generalprobe mit der Philharmonie des Theaters für Niedersachsen in Hildesheim, er ist dort der Solist in der Uraufführung eines „Scherzo für Horn und Orchester“ von Anna Skryleva. Aber jetzt geht‘s um Kammermusik.
Herr Klieser, Sie spielen in Ulm ein romantisches Programm, Werke von Duvernoy, Koechlin und Schumann – und vor allem das Trio für Klavier, Violine und Horn op. 40 von Johannes Brahms. Warum ist dieses Werk so einmalig?
Felix Klieser: Die „Quatre petites pièces“ von Koechlin sind kleine Perlen, eine tolle Musik. Das Trio von Duvernoy ist ein kleines, freudiges Stück, ein Appetizer. Aber der Brahms ist wirklich das eine herausragende Trio für diese Besetzung. Erstaunlich – als würde es nur ein Streichquartett oder eine Sinfonie auf dieser Welt geben.
Ist dieses wunderbare Brahms-Trio auch eine technische Herausforderung?
Alles, was man gut machen will, ist schwer. Auch wenn man einen einzelnen schönen Ton vor drei Millionen Menschen spielen will, dann ist das schwer. Das ist Definitionssache. Aber bei diesem Trio merkt man, dass Brahms selbst Horn gespielt hat, er kannte sich aus. Dieses Werk ist auch eine Trauerarbeit, Brahms beklagte den Tod seiner Mutter, er erinnerte sich an seine Kindheit, als er das Horn spielte. Auch Klavier und Geige hatte er gelernt, so ist diese Besetzung zustande gekommen.
Wie interpretieren Sie dieses 1865 entstandene romantische Werk?
Es ist zweifellos ein Werk von Brahms, mit allem, was dazugehört. Als Künstler versuche ich das auszudrücken, was ich im Inneren verspüre und empfinde. Ich gehöre nicht zu den intellektuellen Interpreten, es gibt ja Kollegen, die setzen sich hin und feilen um jeden Akzent. Das ist doch anstrengend. Ich habe zu der Musik, die ich spiele, viele Assoziationen und Empfindungen im Kopf. Das sind dann vielleicht auch mal Dinge, die so nicht in den Noten drinstehen. Ich finde das wichtig, was sollte ich als Interpret anderes machen? Wie ein Roboter nur Befehle befolgen? Das wäre doch wie beim Kochen: Das Rezept verlangt Koriander, aber man hasst Koriander. Sollte man dann trotzdem mit Koriander würzen, nur weil‘s auf dem Papier steht?
Wie bereiten Sie sich auf Ihre Auftritte vor?
Ja, der Kalender ist voll, da verliere ich fast selbst den Überblick. Wichtig ist für mich, dass ich mich zu einhundert Prozent darauf konzentriere, was unmittelbar ansteht. Früher schaute ich auf den Terminplan der nächsten Monate, probte verschiedene Werke und Projekte parallel. Man hat alles ein bisschen drauf, aber besser ist es, eins nach dem anderen anzugehen.
Sie müssen als Künstler weite Wege zurücklegen. Ist das nicht beschwerlich?
Das ist mein Alltag. Zu den Konzerten muss ich zunächst mal reisen, in der Regel bin ich alleine unterwegs. Oft viele Stunden lang, im Auto, im Flugzeug, in unterschiedlichen Zeit- und Klimazonen. Das ist nicht immer angenehm. Aber wenn ich auf der Bühne sitze und das Konzert läuft, dann ist das in Anführungszeichen der entspannteste Teil der Unternehmung. Man weiß, dass man sich um nichts mehr kümmern muss, dass man einfach nur noch spielen darf!