Stopp für Milliardenprojekt aufgehoben

  • Die ICE-Neubaustrecke zwischen Ulm und Augsburg drohte aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Bahn Wie vielen Schienenbau-Vorhaben drohte Ulm-Augsburg wegen fehlender Mittel das Aus. Das ist wohl abgewendet. Doch es wird erneut Kritik laut.

Nachdem Markus Söder vor gut einer Woche nach der Sitzung des Koalitionsausschusses „Ulm-Augsburg“ vor Fernsehkameras erwähnte, diese Bahnlinie mithin als einziges Schienenprojekt explizit nannte, war es für Alexander Engelhard geschafft: Mission erfüllt, die Neubaustrecke kommt! So jedenfalls interpretiert der Neu-Ulmer CSU-Bundestagsabgeordnete die Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten.

Engelhard hatte sich bekanntlich mit anderen zusammen sehr für die heimischen Infrastrukturprojekte starkgemacht, nachdem der Bundesverkehrsminister Mitte September trotz des Infrastruktur-Sondervermögens eine Finanzlücke von 20 Milliarden in seinem Haushalt entdeckte und alle großen Straßen- und Bahn-Vorhaben mit einem Stopp versah. Darunter etwa der A8-Albaufstieg oder die 5,5 Milliarden Euro teure ICE-Linie zwischen Ulm und Augsburg. Engelhard drohte damals öffentlich in der SÜDWEST PRESSE, er werde dem Haushalt 2026 nicht zustimmen, wenn sich daran nichts ändere.

Im Haushalt wird umgeschichtet

Der Druck sollte Wirkung zeigen: Im Koalitionsausschuss einigten sich Union und SPD darauf, alles zu realisieren, wofür Baurecht besteht – womit der Albaufstieg in trockenen Tüchern war. Für die Bahnstrecke indes gibt es noch kein Baurecht, der Bundestag hat noch nicht einmal entschieden, wie die Trasse aussehen soll. Das soll im November passieren. Spätestens seit Söders öffentlichem Beistand – „besser geht es nicht“ – sieht Engelhard die Zusage als gegeben. „Bei Ulm-Augsburg geht es darum, weiterplanen zu können. Wenn mittelfristig kein Geld in Aussicht ist, wenn es keine Perspektive gibt, ist das nicht möglich.“ Das habe sich geändert. „Ich finde es super, dass das jetzt klappt.“

Und wo kommt das Geld plötzlich her? „Es gibt zum einen zusätzliche drei Milliarden Euro für den Verkehrshaushalt. Zudem wird intern umgeschichtet – etwa von Projekten, die später fertig werden. So kann der Verkehrsminister flexibler agieren.“ Wie das passiert, müsse der Ressortleiter und der Mitglieder des Haushaltsausschusses klären. Engelhard sagt, er hoffe, dass die Planung der Neubautrasse bis 2034 oder 2035 fertig ist. In jenem Jahr soll die Generalsanierung der Strecke passieren, und dabei könnte einiges vorbereitet werden, etwa die bestehenden Gleise gleich verschoben werden.

Was Engelhard nicht nachvollziehen kann, ist die soeben geäußerte Frontalkritik der Bürgerinitiative Bischt an der über Monate hinweg mit vielen Beteiligten ausbaldowerte Wunschlösung für den Trassenverlauf. Die Organisation, welcher Jürgen Zimmermann aus Neu-Ulm/Steinheim vorsitzt, verschickte eine Pressemitteilung mit dieser Überschrift: „Milliardenprojekt ohne belastbare Grundlage: Bürgerinitiative warnt vor Fehlplanung bei Bahnstrecke Ulm-Augsburg“. Behauptet wird: Der Bedarf sei nicht nachgewiesen, da mit veralteten Zahlen gearbeitet worden sei; gesetzliche Vorgaben würde nicht erfüllt; die Planung sei überdimensioniert; Alternativen seien nicht ausreichend geprüft worden.

Ihn wundere diese Darstellung, sagt Engelhard: „Bei keiner anderen Bahnstrecke ist dieser Prozess in so einem Konsens gelaufen wie hier.“ Die Bischt sei immer eingebunden gewesen, habe sich sachlich und konstruktiv eingebracht und aus seiner Sicht alles mitgetragen. Auch ein Sprecher der Bahn verweist auf Nachfrage darauf, dass gerade beim Projekt Ulm-Augsburg „stets großen Wert auf einen engen Austausch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern“ gelegt worden sei, dass deren Anregungen immer wieder aufgenommen worden seien, etwa bei der Entwicklung der Vorzugstrasse. „Die von der Bischt jetzt geäußerte Kritik kann aus fachlicher Sicht nicht nachvollzogen werden.“

Nutzen höher als die Kosten

So sei etwa die Behauptung falsch, dass es keinen Kapazitätsnachweis gebe. Als ein zentraler Abschnitt des deutschen Schienennetzes stelle die Bahnstrecke zwischen Ulm und Augsburg heute einen Engpass dar. „Denn während die Strecken nach Stuttgart und München bereits viergleisig ausgebaut sind, fehlt diese Kapazität hier noch. Mit dem geplanten viergleisigen Ausbau ist das Projekt daher genau richtig dimensioniert, um den steigenden Anforderungen des Personen- und Güterverkehrs gerecht zu werden.“

Auch die Behauptung, es läge keine Kosten-Nutzen-Untersuchung vor, sei falsch. Bei Untersuchungen sei ein Wert über 1 herausgekommen. „Das bedeutet, dass der gesellschaftliche Nutzen des Projekts größer ist als die entstehenden Kosten.“ Die zugrundeliegenden Zahlen würden „regelmäßig aktualisiert“, seien mitnichten veraltet. Hier könne ein falscher Eindruck entstehen, wenn isoliert Ulm-Augsburg betrachtet wird. „Vor allem im Fernverkehr sind die Züge auf langen Relationen wie Köln-München unterwegs.“ Die avisierte Fahrzeit von 26 Minuten sei nötig, um den Deutschlandtakt möglich zu machen. Und natürlich seien im Prozess viele Varianten geprüft und verworfen worden – ganz am Anfang auch der Ausbau der bestehenden Strecke.

Engelhard fasst zusammen: „Es macht keinen Sinn, nach so einer langen Planung wieder alles in Frage zu stellen. Sonst kommen wir in Deutschland nie voran.“ Irgendwann müssten in einer Demokratie Entscheidungen einfach mal akzeptiert werden.

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