Kartografie Grönland ist auf vielen Weltkarten etwa so groß wie Afrika – dabei ist der Kontinent etwa 14mal größer. Wie kann das sein?
Wer manche klassischen Weltkarten betrachtet, dem fällt mitunter die enorme Größe von Grönland auf. In manchen Entwürfen erscheint die Insel etwa so groß wie der gesamte Kontinent Afrika. Betrachtet man hingegen einen Globus, wird deutlich: Afrika ist um ein Vielfaches größer. Und tatsächlich ist laut dem Bundesamt für Kartografie und Geodäsie (BKG) die Fläche des Kontinents fast 14mal so groß wie die von Grönland.
Die bis heute häufig verwendete Weltkarte beruht auf der sogenannten Mercator-Projektion. Diese wurde laut BKG im Jahr 1569 von dem Kartografen Gerardus Mercator für die Seefahrt entwickelt. Damals wusste man, dass sie die Größe der Länder nicht flächentreu darstellt, sondern verzerrt. Dafür war sie winkeltreu und erwies sich für die Schifffahrt von enormem Nutzen.
Denn genau diese winkeltreuen, geraden Linien halfen dabei, „dass man danach recht einfach navigieren, also den Kurs eines Schiffes bestimmen konnte“, erklärt Manfred Weisensee, Präsident der Jade Hochschule und langjähriger (2011-2019) Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kartografie (DGfK). Weisensee zufolge gehört die Mercator-Projektion zu den „Meilensteinen der Wissenschaft“.
Heute wird sie laut BKG vor allem in digitalen Kartendiensten eingesetzt, da sie die Darstellung online vereinfache. In der Seefahrt wird laut Weisensee zwar schon lange auf GPS gesetzt, im Falle einer Störung der Satellitennavigation greife man dort jedoch auch heute noch auf die Mercator-Projektion zurück.
Das Problem dieser Karte ist jedoch laut Weisensee die Flächenverzerrung: Denn Länder werden bei dieser Projektion umso größer, je weiter sie vom Äquator entfernt liegen. Schließlich werde die dreidimensionale Erde, die eigentlich fast kugelförmig ist, auf eine zweidimensionale, rechteckige Fläche projiziert.
Daher wird die Fläche immer größer, je weiter man vom Äquator entfernt ist, äquatornahe Regionen – Afrika, Südamerika und Südasien – werden dagegen viel kleiner dargestellt. Somit wirken dort große Länder wie etwa Indonesien, Brasilien, Kolumbien, die Demokratische Republik Kongo oder Kenia viel kleiner, als sie im Vergleich zum Rest der Welt sind. Polnahe Regionen wie Kanada, Russland, Skandinavien und vor allem Grönland und die Antarktis erscheinen hingegen viel zu groß.
„Natürlich sind es insbesondere die Größenverhältnisse von Flächen, Ländern oder Kontinenten, die großen Einfluss auf unser Weltbild haben“, erklärt Weisensee. „Denn eine Karte, die zwei Länder mit ähnlicher Fläche in extrem unterschiedlicher Größe darstellt, erzeugt ein falsches Bild und verhindert damit eine zutreffende Einschätzung von Sachverhalten.“ Länder würden bei wachsendem Abstand vom Äquator immer mehr in die Breite gezogen. Das erzeuge „eine falsche Vorstellung beispielsweise von Entfernungen“.
Alternativen gibt es
Ein weiteres Beispiel für die Verzerrung durch die Mercator-Projektion ist Weisensee zufolge ein Vergleich zwischen Grönland und der Arabischen Halbinsel. Letztere hat de facto eine deutlich größere Fläche als Grönland – 2,7 Millionen im Vergleich zu 2,2 Millionen Quadratkilometer –, erscheint aber dennoch viel kleiner. Dass die Karte weiterhin verwendet werde, habe wohl auch mit den Gewohnheiten der Menschen zu tun.
Alternative Karten seien beispielsweise flächentreuere Abbildungen wie die von Carl Brandan Mollweide aus dem Jahr 1805, die die Erde als Ellipse darstelle, oder aber die Projektionen von Max Eckert-Greifendorff (1906) und Karlheinz Wagner (1949). „Zur Vermittlung eines realistischen Bildes der Welt sollte immer eine flächentreue Abbildung verwendet werden oder zumindest eine vermittelnde Abbildung, die Flächen nur wenig verzerrt“, betont Weisensee. Dennoch werde die Mercator-Projektion häufig an Schulen und weiteren Orten für Zwecke und Aufgaben verwendet, „für die es keine ungeeignetere Projektion, als sie es ist, gibt“, beklagt der Kartograf.
Zwar gebe es in Schulen auch Atlanten, die flächentreue Abbildungen zeigen; „jedoch ist gerade der Einfluss digitaler Kartendienste für unsere Sicht auf die Welt so groß geworden, dass hier ein dringender Änderungsbedarf besteht“, unterstreicht Weisensee.
„Software-Lösungen, welche die Erde als Globus darstellen – beispielsweise Google Earth im Unterschied zu Google Maps – geben ein realistischeres Bild der Erde wieder.“ Auch wenn nicht die gesamte Erde auf einen Blick dargestellt werden könne, so seien Vergleiche von Flächen und von flächenbezogenen Informationen hier wesentlich besser möglich.