Handwerk Viele Betriebe suchen händeringend nach Personal, vor allem für den Verkauf. Wie sich das auswirkt und wo Kunden das zu spüren bekommen.
Vor der Theke stehen in vielen Metzgereien genügend Menschen, die Fleisch oder Wurst kaufen wollen. Nur hinter der Theke stehen zu wenige, die es verkaufen wollen. Fehlende Kundinnen und Kunden sind weniger das Problem, unter dem Metzgereien derzeit leiden, es ist vor allem fehlendes Personal und insbesondere der fehlende Nachwuchs, was ihnen zu schaffen macht.
„Kaum jemand will heute noch hinter die Fleischtheke. Lange Arbeitszeiten, körperliche Belastung und ein angestaubtes Image schrecken junge Menschen ab“, erklärt Tobias Fichtel, Metzgermeister und Betriebswirt, der Unternehmen aus der Fleischer-Branche berät.
Davon sind nicht nur klassische Metzgereien betroffen, sondern auch der Einzelhandel mit seinen Bedientheken. Stöbert man beispielsweise in der Stellenbörse von Edeka, fällt auf, dass an vielen Standorten sowohl Quereinsteiger für die Theken gesucht werden als auch Auszubildende zum Fachverkäufer Fleischerei.
Gab es im Jahr 2005 noch mehr als 10.000 Auszubildende zum Fleischereifachverkäufer, waren es 2024 nur noch 2352. Zum Fleischer oder zur Fleischerin ließen sich 2005 über 7500 junge Menschen ausbilden, 2024 waren es 2434. Das hängt auch mit der sinkenden Zahl an Betrieben zusammen. Laut Deutschen Fleischer-Verband (DFV) gab es 2005 noch 17.600 Betriebe, 2024 rutschte die Zahl unter 10.000: 9872 Metzgereien waren noch übrig.
2024 fingen wieder mehr junge Menschen mit Ausbildungen in der Branche an. Was für Reinhard von Stoutz, Geschäftsleiter des Deutschen Fleischer-Verbands, vor allem mit einer bestimmten Strategie zusammenhängt: „Guten Erfolg hatten etliche Fleischereien durch die Anwerbung von jungen Leuten aus dem außereuropäischen Ausland“, wie er auf Anfrage erklärt. Trotzdem bleiben laut Schätzungen um die 40 Prozent der verfügbaren Ausbildungsplätze unbesetzt.
Deshalb sieht auch von Stoutz den fehlenden Nachwuchs als eines der größten aktuellen Probleme der Betriebe an. „Dies führt zum Beispiel dazu, dass schon Filialen geschlossen werden mussten oder dass von möglichen Filialöffnungen abgesehen wurde.“ Viele Metzgereien setzen inzwischen auf Alternativen – auf Verkaufsformate, die ohne Personal auskommen wie Automaten oder Smart-Stores.
Besonders stark seien die Auswirkungen jedoch bei Betriebsübernahmen oder Neugründungen festzustellen. „Es fehlen ausgebildete und qualifizierte Personen, die zumeist altersbedingt geschlossene Fleischereien übernehmen könnten“, sagt von Stoutz. Das wiederum habe auch Auswirkungen auf die Kunden. Die merkten es dann, wenn in ihrer Region die Zahl der Fleischereien zurückgehe und damit regionale Wertschöpfungsketten zerbrächen, sagt er. „Langfristig ist zu befürchten, das viele regionale Spezialitäten aus Deutschland verschwinden werden. Die Zahl von Wurst- und Schinkenspezialitäten, die aktuell in Deutschland gezählt werden können, ist dann irgendwann Geschichte.“
Zumal die Betriebe außerdem mit hohen Materialkosten beim Fleisch konfrontiert seien. Diese könnten nicht einfach an die Kunden weitergereicht werden, sodass der Ertrag bei vielen Betrieben spürbar zurückgegangen sei. „Zudem leiden unsere Betriebe unter hohen bürokratischen Auflagen, die gerade in Zeiten von Personalknappheit zu sehr großer Belastung bei den Inhaberinnen und Inhabern führt“, so von Stoutz.
Nichtsdestotrotz geht der Verbandsvertreter von einer guten Zukunft für handwerkliche Metzgereien aus. Es werde zwar weniger geben, aber: „Wir haben jedoch viele junge, engagierte Betriebsinhaber, die sich sehr gut am Markt behaupten können und die der in Lage sind, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen“.
Auch Berater Fichtel glaubt an die Zukunft. Er erklärt: „Wer zeigt, was das Handwerk wirklich zu bieten hat, wird auch künftig Menschen finden, die es mit Stolz und Leidenschaft ausüben wollen“. Nötig dafür sei allerdings eine Entwicklung der Branche von innen heraus: „Statt über fehlenden Nachwuchs zu klagen, müssen Metzgereien beginnen, sich selbst zu verändern: bessere Mitarbeiterführung, offenere Kommunikation, sichtbare Außendarstellung und moderne Ausbildungsmethoden“.