Neue Taktik gegen Gangs

Sicherheit Das LKA setzt gegen Gruppen in der Region rund um Stuttgart auf ein anderes Vorgehen. Minister Strobl sieht Erfolge und will den Druck beibehalten.

Schüsse auf offener Straße, auch auf unbeteiligte Menschen, der Handgranatenwurf von Altbach, Drohungen, Schlägereien, Mord und Totschlag: Der Gewaltausbruch von Banden ab 2022 in der Region rund um Stuttgart machte die Polizei zuerst ratlos und beunruhigte die Öffentlichkeit massiv. Die Täter waren in der Regel zwischen 16 und 30 Jahre alt, aus zwei multiethnischen Gruppen, die miteinander verfeindet sind.

Politik, Landespolizei und Justiz reagierten aber schnell – mit einer Mischung aus Repression und Prävention. Auch um den Gangs den Nachwuchs wegzunehmen und die Gewalt nicht ins ganze Land ausbreiten zu lassen. Inzwischen geht Innenminister Thomas Strobl davon aus, dass all diese Maßnahmen der Szene „weitgehend die Luft abgedreht haben“. Die Lage habe sich beruhigt, man bleibe aber wachsam, so der CDU-Politiker.

Bereits von Anfang an machten Strobl und der Präsident des Landeskriminalamts (LKA), Andreas Stenger, klar, worum es bei dieser neuen Erscheinungsform der Gewalt ging und geht: Um „Gewalt als Lifestyle“, so Strobl, angeheizt durch einen „toxischen Ehrbegriff“. Stenger sprach von einer „Gangster-Rapper-Attitüde“. Neu war, dass eine verbindende ethnische Klammer fehlte. Die jungen Täter rund um Stuttgart hatten höchst unterschiedliche Migrationshintergründe, die Führungsfiguren hatten aber im Wesentlichen einen türkisch-kurdischen Hintergrund. Jetzt haben Landespolizei und LKA die Strukturen im Kampf gegen die Jugendbanden umgestellt, so Strobl und Stenger gegenüber unserer Redaktion. Die eigens beim LKA eingerichtete „Besondere Aufbauorganisation (BAO) Fokus“ wurde aufgelöst. Dafür ist bei der Ermittlungsbehörde nun ein eigener „Arbeitsbereich zur Bekämpfung subkultureller Gewaltkriminalität“ eingerichtet, „deutschlandweit einmalig“, so Strobl. „Wir halten den Druck auf die Szene weiter aufrecht.“

Stenger beschreibt den Vorteil der neuen Organisation: Hier würden die erfahrenen Beamten und Fahnder zusammengefasst, sie kennen die Szene seit drei Jahren intensiv. „Wir halten die Spezialisten in diesem Bereich.“ Da gehe es vor allem um Kompetenz bei der Auswertung und Recherche. Die Zusammenarbeit mit den betroffenen Polizeipräsidien in der Region soll weiter intensiv bleiben. Stenger: „Wir werden in Echtzeit verständigt, wenn irgendwas passiert.“

Inwieweit sind die Jugendbanden aber überhaupt noch aktiv? Der LKA-Präsident weist darauf hin, dass sich das Verhalten der verbliebenen Anhänger stark verändert habe aufgrund des Drucks der Polizei und zahlreicher Verhaftungen. „Früher war ihr Verhalten ostentativ nach außen, jetzt ist es konspirativ.“   Die führenden Köpfe seien inhaftiert. Die Polizei müsse aber den Umstand auf dem Visier haben, dass die ersten bald wieder aus der Haft kommen. Aber auch die Prävention spielt eine Rolle: So hatte die Polizei in der Region Stuttgart mehrere hundert Jugendliche identifiziert, die sich im Umfeld der Gangs bewegten, und diese in einer konzertierten Aktion zu Hause aufgesucht, um mit ihnen und ihren Eltern zu sprechen.

Rückblende: Im Juli 2022 wurde in Stuttgart-Zuffenhausen aus einem Auto heraus mehrere Schüsse auf eine Ladenzeile abgegeben. Am 1. August 2022 wurde am Bahnhof in Zuffenhausen geschossen, wenige Tage später gab es eine Schießerei vor einer Gaststätte, die ersten Täter wurden ermittelt. Am 24. Februar 2023 wurde in Eislingen vor einer Shisha-Bar eine Frau ins Bein geschossen, in Plochingen gab es Schüsse auf einen Barbershop, ein Mann wurde schwer verletzt. Nach weiteren Schießereien und Festnahmen folgte am 9. Juni 2023 der bisherige aggressive Höhepunkt: der Handgranatenwurf auf eine Beerdigung in Altbach mit 15 Verletzten. Der 23-jährige Täter wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Am 2. Oktober 2023 gab es einen Anschlag mit einem Auto in Stuttgart-Vaihingen, bei dem das Opfer überfahren und so schwer verletzt wurde, dass es bis heute im Koma liegt. Der 26-jährige Täter türkischer Herkunft wurde jüngst zu neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es folgten weiter Anschläge. Am 2. Oktober 2024 schoss ein 17-jähriger Syrer in einem Lokal in Göppingen auf drei Gäste, ein Syrer starb. Später stellte sich heraus, dass der Täter wohl die Opfer verwechselt hatte. Anfang 2025 wurde ein 27-Jähriger in Stuttgart-Möhringen niedergeschossen und schwer verletzt.

Beteiligte Staatsanwälte berichteten unserer Redaktion mit Blick auf die Szene von völliger Empathielosigkeit der Täter, auch von teils völlig desolaten Familienverhältnissen oder desinteressierten Eltern – aber auch vom Schweigen vieler Opfer und der Weigerung, mit Polizei und Justiz zusammenzuarbeiten

Land unterliegt im Streit um Corona-Soforthilfen

Urteil In sechs Musterfällen gibt der VGH Baden-Württemberg den meisten Unternehmern recht. Sie müssen die Finanzspritzen nicht zurückzahlen. Für das Land geht es um viel Geld.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat im Streit um die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen in fünf Fällen den jeweils betroffenen Unternehmen recht gegeben. Sie müssen nach der Entscheidung des Gerichts das Geld aus der Corona-Pandemie nicht an das Land zurückzahlen.

In vier Fällen wies das Gericht die Berufungen der L-Bank gegen entsprechende Urteile mehrerer Verwaltungsgerichte zurück. In zwei weiteren Fällen hatten Unternehmer Berufung eingelegt. Einer davon – ein Winzer aus Freiburg – hatte Erfolg. Nur im Fall eines Fahrschulbetreibers bleibt es dabei, dass dieser die Corona-Soforthilfen zurückzahlen muss. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Zu den Gewinnern des Rechtsstreits zählt unter anderen der Friseur Holger Schier aus Heidenheim an der Brenz. Bei ihm ging es um 10.424 Euro, die das Land zurückverlangt hatte. Insgesamt hatte er 15.000 Euro Corona-Hilfen erhalten. „Wir haben gefeiert im Salon“, sagt der Friseur nach der Entscheidung. „Alle haben gejubelt und geklatscht.“

Schier ist einer von fünf Unternehmern, die gegen Rückzahlungsbescheide von Corona-Soforthilfen durch die L-Bank geklagt haben. Er hatte im September 2024 bereits in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Recht bekommen, genauso wie ein Hotel- und Restaurantbetreiber. Im Fall eines IT-Unternehmens und eines Pflegeprodukt-Betreibers gab es gleichlautende Urteile der Verwaltungsgerichte Karlsruhe und Freiburg. Die L-Bank war gegen alle vier Urteile in Berufung gegangen.

Bei allen sechs Fällen handelt es sich um Musterfälle, die laut VGH beispielhaft für Hunderte andere Verfahren geführt werden. Diese ruhen derzeit. Aktuell sind laut L-Bank noch rund 1400 Klagen von Unternehmern gegen Rückforderungen des Landes anhängig. Das Land Baden-Württemberg zahlte der Bank zufolge während rund 245.000 Corona-Soforthilfen in Höhe von insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro an Unternehmen und Selbstständige aus. Im Jahr 2021 verlangte die L-Bank von allen betroffenen Unternehmern eine Abrechnung, „ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich ein Rückzahlungsbedarf für Ihre Soforthilfe ergibt“, wie der VGH schreibt. Die Bank forderte nach eigenen Angaben in rund 117.000 Fällen insgesamt rund 862 Millionen Euro zurück. Dabei wurde argumentiert, dass die Soforthilfen auf der Grundlage von Prognosen gewährt worden waren. Im Nachhinein habe überprüft werden müssen, ob die Vorhersagen auch tatsächlich so eingetreten seien.

Die Unternehmer verwiesen dagegen unter anderem darauf, dass die Soforthilfe als Zuschuss deklariert worden sei und nicht als Darlehen. Ein Grund für die Gewährung der Soforthilfe seien Umsatzeinbrüche gewesen.

Das Gericht entschied nun in vier Fällen, die Rückforderung sei rechtswidrig gewesen. In den Bewilligungsbescheiden für die Hilfen sei „nicht ausreichend erkennbar“ gewesen, dass hinterher nachgewiesen werden sollte, dass die Ausgaben für einen Zeitraum von drei Monaten höher als die Einnahmen waren.

Auch der Winzer aus Freiburg muss das erhaltene Geld nicht zurückzahlen, obwohl in seinem Fall laut VGH der vom Land überarbeitete Bewilligungsbescheid korrekt war. Er habe im Berufungsverfahren nachwiesen können, dass bei ihm der geforderte „Liquiditätsengpass“ vorliege und er die Mittel deshalb zweckmäßig verwendet habe. Nur bei dem Fahrschulinhaber lag diese Voraussetzung dem Gricht zufolge nicht vor, obwohl auch dieser korrekt informiert wurde.

Die schriftliche Begründung für die aktuellen Entscheidungen wird der Verwaltungsgerichtshof nach eigenen Angaben ab Mitte November vorlegen. Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde von der höchsten Landesinstanz nicht zugelassen, allerdings kann dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden, weshalb die Urteile noch nicht endgültig sind.

Land beantragt Aussetzung

„Kompass 4“ Land will wohl einen Präzedenzfall bei dem Test verhindern und geht juristisch in die nächste Instanz.

Stuttgart. Die Landesregierung von Baden-Württemberg wehrt sich gerichtlich dagegen, dass ein Schüler den umstrittenen Test „Kompass 4“ wiederholen darf. Das Land legte am Mittwoch nicht nur Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) gegen einen entsprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Sigmaringen ein, sondern stellte auch den Antrag, den Beschluss vorerst auszusetzen. Das teilte eine VGH-Sprecherin mit und kündigte an, über beide Anträge werde zeitnah entschieden.

Hintergrund ist die seit diesem Jahr wieder verbindliche Grundschulempfehlung für Viertklässler, die auf ein Gymnasium wechseln möchten. Maßgeblich für die Aufnahme ist unter anderem das Ergebnis des verpflichtenden Tests „Kompass 4“, der erstmals im November 2024 geschrieben wurde. Rund 100.000 Viertklässler nahmen teil, sehr viele schnitten schlecht ab, einige Eltern zogen in der Folge vor Gericht.

Im konkreten Fall hatte ein Schüler, dem der Test Hauptschulniveau bescheinigte und der auch von seinen Lehrern keine Gymnasialempfehlung erhielt, vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen geklagt – mit Erfolg: Das Gericht verpflichtete das Land per einstweiliger Anordnung, dem Kind bis 31. Oktober die Teilnahme an einem gleichwertigen Kompetenztest zu ermöglichen.

Individueller Test

Das Land beantragte nun, diese Anordnung vorerst auszusetzen. Man gehe davon aus, „dass der Verwaltungsgerichtshof rechtzeitig vor dem 31. Oktober eine abschließende Entscheidung trifft, die Vollziehung aussetzt oder eine abweichende Anordnung trifft, das Verfahren sich also nicht durch Zeitablauf erledigt“, erklärte ein Sprecher des Kultusministeriums. „Sofern die gerichtliche Entscheidung zum Nachteil des Landes ausginge, würde das IBBW (Institut für Bildungsanalysen, das den Kompass-Test erstellt, d. Red.) einen individuellen Kompass-Test für den Schüler bereitstellen.“ Der Rechtsanwalt der Familie, der den VG-Beschluss erwirkt hat, war vorerst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Geldstrafe für hetzenden Prediger

Justiz Der Vertreter einer Baptistenkirche wird vom Landgericht Karlsruhe wegen Aussagen über Homosexuelle verurteilt.

Karlsruhe. Im Berufungsprozess wegen Volksverhetzung hat das Landgericht Karlsruhe einen Prediger der „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim“ (BKZW) verurteilt. Die verhängte Strafe von 150 Tagessätzen à 45 Euro liegt sogar etwas über jener des Amtsgerichts Pforzheim in der Vorinstanz.

Der Angeklagte habe homosexuelle und queere Menschen in einer live gestreamten Predigt beschimpft, verächtlich gemacht und ihre Menschenwürde angegriffen, erklärte der Vorsitzende Richter zur Urteilsbegründung. Auch habe er ihnen das Lebensrecht abgesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Verteidiger hatte wie am Amtsgericht Pforzheim auf Freispruch plädiert. Die Aussagen seines Mandanten über Homosexuelle seien von der Meinungs- und Religionsfreiheit geschützt, sagte er. Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen eine Verurteilung zu 180 Tagessätzen zu je 40 Euro gefordert. Aus ihrer Sicht hatte der Prediger queeren Menschen das Menschsein abgesprochen.

Das Amtsgericht hatte den Prediger im ersten Prozess gegen die laut Verfassungsschutz extremistische BKZW im Dezember vergangenen Jahres zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten dagegen Rechtsmittel eingelegt.

Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg führt die BKZW seit Mai 2023 als Beobachtungsobjekt.

Bilanz der Gartenschau sehr positiv

Freudenstadt/Baiersbronn. In angespannten Zeiten hat die Gartenschau in Baiersbronn und Freudenstadt aus Sicht der Verantwortlichen für Aufbruchstimmung gesorgt. Nicht nur bei den Mitwirkenden, den rund 1100 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in den Rathäusern, im Tourismus, der Gastronomie oder dem Einzelhandel sei das zu spüren, sagte der Freudenstädter Oberbürgermeister Adrian Sonder (CDU). „Sondern in der ganzen Bevölkerung.“

Bürgermeister Michael Ruf (CDU) aus Baiersbronn sprach angesichts der am Sonntag zu Ende gehenden Schau von einem neuen „Wir-Gefühl“. Auf den Veranstaltungsflächen träfen sich nun abends Menschen. Die Gartenschau habe der Wirtschaft, aber auch dem sozialen Leben gutgetan, bekräftigte die Geschäftsführerin Cornelia Möhrlen. „Das macht was mit der Gegend.“ Anfangs habe es durchaus Skepsis gegenüber dem Großprojekt gegeben. „Aber die Stimmung kippte ins Positive“, sagte Möhrlen. Statt der erwarteten 10.500 Dauerkarten seien mehr als 15.000 verkauft worden – vorwiegend von Menschen aus der Region.

Die Schau unter dem Titel „Tal X“ dürften bis zu 480.000 Besucher gesehen haben – obwohl der Sommer kein Spitzensommer war. Immerhin sei der Regen für die Pflanzen gut gewesen und habe deren Pflege etwas leichter gemacht, berichtete Möhrlen. Die Gartenschau war am 23. Mai eröffnet worden.

Nun gehe es darum, dass kein „Dornröschen-Effekt“ entstehe, sagte Ruf. Dabei wolle man auch auf die Infrastruktur setzen, die im rund acht Kilometer langen Forbach-Tal zwischen Freudenstadt und Baiersbronn entstanden sei. Sonder betonte, beide Kommunen planten gemeinsam: „Die Zusammenarbeit endet nicht am 12. Oktober. Das könnte Modellcharakter haben, wie man eine Gartenschau weiter in die Zukunft tragen kann.“ Dabei setzt der Oberbürgermeister auch auf einen Effekt weit über die Region hinaus, der künftig Gäste anlocken soll: „Wir haben uns landesweit auf die Landkarte gebracht“, sagte Sonder. „Als Schwarzwald-Idyll.“

Großprojekt Gut 480.000 Besucher kamen nach Baiersbronn und Freudenstadt. Bürgermeister zufrieden.

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