Stadtgespräch In der Rathausapotheke wurde offen über die Zukunft und die Bedeutung der Kirche diskutiert.
Bad Urach. Die Kirche wird in den nächsten Jahren kleiner - auch in Bad Urach. Da waren sich alle einig beim Stadtgespräch „Zukunft der Kirche – wohin geht’s?“ Und das sei mit einem Bedeutungsverlust verbunden. „Die Welt dreht sich nicht mehr um uns“, sagte der Landessynodale Michael Schradi.
Von einigen Lichtblicken wussten hingegen die Kirchengemeinderätinnen Andrea Schwenkel und Maike Herrmann, zu berichten, die zusammen mit Thomas Hackl (Vikar), Uthe Scheckel (Gemeinderätin) und Michael Schradi (Landessynodaler) auf dem Podium saßen, dass von Veronica Zwink und Albert Ebinger moderiert wurde.
Die „Atempause“, ein offenes Angebot in der Rathausapotheke, gehört ebenso dazu wie „Zeiten der Begegnung“, das sich eher an die ältere Generation wendet und der „Anders Feiern Gottesdienst“ im Bonhoeffer-Haus, der vor allem von jungen Familien besucht wird. All diesen Formen ist gemeinsam, dass sie sehr stark vom ehrenamtlichen Engagement leben, darauf weisen Schwenkel und Herrmann hin. „Kirche wird gebraucht“, sagen sie, damit zum Beispiel Menschen eine Stimme bekommen, die keine haben und Kinder und Jugendliche den Zugang zum Evangelium finden. Dafür wollen sie sich einsetzen, deswegen kandidieren sie auch erneut für den Kirchengemeinderat, der am 30. November gewählt wird.
Ehrenamtlichkeit ist ein Aspekt, der eng verknüpft ist mit der Zukunft der Kirche, wenn Pfarrerinnen und Pfarrer weniger werden. Woher aber kommen diese Personen, wenn die Anzahl der Kirchenmitglieder weiter zurückgeht? Wie können sie qualifiziert werden? Und wie können sie bei Problemen unterstützt werden?
Thomas Hackl hat da klare Vorstellungen. Vermehrt sei es die Aufgabe von Pfarrerinnen, Potenziale bei Gemeindemitgliedern zu erkennen, sie zu fördern und sie zu befähigen, selbst tätig zu werden. Das hat eine lange Tradition in der evangelischen Kirche. Das Priestertum aller Gläubigen wurde bereits von Martin Luther beschworen, darauf wies Schradi hin.
Die Botschaft, also das Evangelium weiterzugeben, da ist sich Hackl seiner Sache sicher, hat bereits das Potenzial, die Dinge zum Guten zu wenden. Nächstenliebe gehört für Uthe Scheckel dazu „als Gegenpol zu reiner Macht und Autokraten“. Kirche müsse sich auch gesellschaftspolitisch einmischen, betont sie: „Das sehe ich anders als Julia Klöckner.“
Schradi und Scheckel sehen die Kirche ebenso gefordert, sich rechtsextremen Tendenzen entgegenzustellen, und zwar auf allen Ebenen, auch vor Ort in den Kirchengemeinden. Das Wort des württembergischen Landesbischofs Gohl, dass die AfD für Christen und Christinnen nicht wählbar sei, könne nur der Anfang sein.
Auf der Suche nach dem Vertrauensverlust der Kirche komme man an dem Thema „sexualisierte Gewalt“ nicht vorbei. „Da sind Menschen zerbrochen, die nie wieder aufrecht gehen können und ganz viele haben weggesehen“, sagte Schradi. Eine ehrliche Aufarbeitung und Prävention wurde angemahnt.
Ein Blitzlicht warf Pfarrerin Katja Pfitzer auf die Seelsorge. Eine ureigene Kompetenz der Kirche, die eher im „Verborgenen“ stattfindet. „Da ist Kirche nach wie vor gefragt“, so Pfitzer. Immer wieder wenden sich Menschen in Krisensituationen an sie, bei Krankheit, Trauer, Trennung vom Partner oder Partnerin. In diesen oft schweren und belastenden Situationen ist Empfindsamkeit gefordert, „man muss zuhören können. Aber es gilt auch Ressourcen zu finden, die dem Menschen helfen, gut mit dieser Situation umzugehen“, so Pfitzer. Nicht immer gelinge das und so brauche es auch eine gesunde Distanz.
Aus der anschließenden Plenumsrunde kamen ganz konkrete Vorschläge, wie sich Kirche vor Ort weiterentwickeln kann. Ein Vorschlag war die sogenannte „Winterkirche“. Dort wird nur ein Drittel der Kirche genutzt.
Zur Form des Gottesdienstes gab es die Anregung, statt der Predigt einen Impuls zu geben, wozu die Gemeinde ins Gespräch kommen solle. Eine Zuhörerin bat darum, in der Amanduskirche weniger von der Kanzel zu predigen.
Und immer wieder wurde der Wunsch nach mehr Gemeinschaft geäußert. Bunt und vielfältig solle die Kirche der Zukunft sein. Etwas, was die Teilnehmer auf dem Podium mit den Zuhörern teilten.