Mehr Anerkennung und Mitsprache für Jugendliche

  • Raimund Jäger (Mitte vorne) ist seit November 2024 in der mobilen Jugendarbeit in Hohenstein tätig. Foto: Archiv: Karolin Müller

Hohenstein Der Jugendbeauftragte Raimund Jäger setzt auf Dialog, Eigeninitiative und kreative Lösungen, um junge Menschen aktiv einzubinden.

Es ist ein eher seltener Anblick, dass Jugendliche als Zuschauer eine Gemeinderatssitzung besuchen. Doch genau dies war am vergangenen Dienstag in Hohenstein der Fall. Schließlich ging es an diesem Abend auch um sie, als der Jugendbeauftragte Raimund Jäger auf die vergangenen Monate zurückblickte und zukünftige Pläne vorstellte.

Neben Bauwägen, Hütten und einem breitgefächerten Vereinsangebot gibt es in Hohenstein seit 2015 auch eine mobile Jugendarbeit. Träger ist die gemeinnützige Gesellschaft Mariaberger Ausbildung und Service. Was als Projekt begann, ist seit mittlerweile sieben Jahren ein mit einer 40-Prozent-Stelle betreuter, fester Bestandteil in der Gemeinde.

Überzeugter Gemeinderat

Häufige personelle Wechsel ließen den Gemeinderat im vergangenen Jahr allerdings an der Zusammenarbeit mit Mariaberg zweifeln. Als Jäger, der seit November 2024 Jugendbeauftragter in Hohenstein ist, seinen Bericht beendete, schienen die Zweifel verflogen. Das lag zum einen sicherlich an dem Engagement, das Raimund Jäger ausstrahlte, zum anderen aber auch daran, was sich mittlerweile getan hat.

„Ziel meiner Arbeit ist es, die Interessen junger Menschen sichtbar zu machen, ihnen Mitsprache zu ermöglichen“, erklärte der 51-Jährige, der selbst Vater von zwei Kindern ist. Diese Mitsprache und das Mitgestalten spiegelt sich unter anderem in dem derzeit laufenden Projekt „Altes Waschhäusle“ wider. Dort befindet sich der Jugendraum in Ödenwaldstetten. 20 bis 22 Jugendliche im Alter von 15 bis 22 Jahren, auch aus den anderen Ortsteilen, kommen dienstags und donnerstags hierher.

„Die Jugendlichen haben sich eine Umgestaltung gewünscht“, berichtete Jäger. Zuvor habe das eher in den Händen der verschiedenen Jugendbeauftragten gelegen. Doch es seien schließlich die jungen Menschen, die hierherkommen, und die sich mit dem Raum identifizieren sollen. So setzte sich Raimund Jäger mit allen interessierten Jugendlichen zusammen, und es wurden Pläne für die neue Gestaltung gemacht. Ein Projektgeld in Höhe von 1000 Euro erhielten sie von der Sparkasse Reutlingen. Der Rest wird von selbst gesammelten Geldern und dem, was vorhanden ist, umgesetzt. „Ich komme aus einer Generation, in der man schaut, was man hat und daraus was macht“, sagte Jäger. Und genau das wolle er den jungen Menschen weitergeben.

Mitreden dürfen die Kinder und Jugendlichen auch bei der Ausstattung des Jugendanhängers. Er ist seit mehreren Jahren im Besitz der Gemeinde, doch kaum jemand, vor allem die Jugendlichen, wusste davon. Dank Jäger wurde er mittlerweile aber wieder aktiviert. Der Jugendbeauftragte hat es zu seiner Aufgabe gemacht, den Anhänger zu bewerben und regelmäßig in alle Ortsteile zu bringen.

„Wir haben auch die Social-Media-Kanäle der Jugendarbeit in Schwung gebracht“, erzählte Jäger weiter. Zwar betreut er diese mit, doch auch hier liegt die Mitgestaltung in den Händen der Jugendlichen. „Mir ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche sagen, was sie möchten und brauchen.“ Daraus könnten immer wieder neue Projekte entstehen.

Rechtsruck als Herausforderung

„Ich gehe lieber in die Prophylaxe“, sagte der 51-Jährige. Deshalb sehe er es auch als seine Aufgabe, „Signale der Jugendlichen zu erkennen“. Dazu gehört es, zuzuhören, einen Raum, und bei Bedarf Hilfestellungen zu bieten, aber auch den Dialog zu suchen. Das, so ist der Eindruck, möchte Raimund Jäger tun. Das ist sicherlich nicht immer einfach. Gemeinderätin Andrea Wittel brannte am Dienstagabend vor allem eine Frage auf dem Herzen: Sie hat mitbekommen, dass in vielen Bauwägen in anderen Gemeinden ein großer Rechtsruck zu erkennen sei. „Wie ist das in Hohenstein?“

„Das ist tatsächlich überall so“, antwortete Jäger. Auch er fände es alarmierend. Doch auch hier gilt für ihn: „Mir ist es wichtig, immer im Dialog zu bleiben, eine Vorbildfunktion einzunehmen.“ Man müsse den Kontakt halten und die Arbeit demokratisch machen. „Ganz klar, wir werden nicht alle abholen können.“ Doch er habe auch schon tolle Erfahrungen gemacht, sagte Jäger und erzählte von einem Jugendlichen, der seine rechtsgerichtete Einstellung ablegte, nachdem er durch Jägers Jugendarbeit einen Platz gefunden hatte, an dem er sich aufgehoben fühlte.

„Hinter jedem Impuls schlummert etwas“, erklärte der Jugendbeauftragte. Manchmal seien es versteckte Hilferufe oder Existenzängste. Eine große Rolle spielen in seinen Augen auch die sozialen Medien. „Wir müssen am Ball bleiben und aufklären.“ Hohenstein sei glücklicherweise eine Gemeinde, in der einem geholfen wird, in der das Miteinander funktioniert.

Neben dem „Alten Waschhäusle“ und dem Jugendanhänger möchte Jäger auch die Bauwägen und Hütten nicht aus den Augen verlieren. Natürlich weiß man nie, was die Zukunft bringt, doch wenn Jäger sagt „Ich bin unglaublich gerne hier“, und er mit seinem Herzblut und Elan beinahe ansteckend wirkt, ist die Hoffnung, dass er Hohenstein nicht so schnell wieder verlässt, wohl gerechtfertigt. „Wir hatten in den vergangenen zehn Jahren Höhen und mehr Tiefen, viele Wechsel“, erklärte Gemeinderat Markus Tress. „Heute habe ich endlich den Eindruck, dass sich etwas entwickeln kann – über die Ortsgrenzen hinaus.“

Mir ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche sagen, was sie möchten und brauchen. Raimund Jäger Jugendbeauftragter Hohenstein

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