Jubiläumskonzert Von Pop bis Jazz: Der Hagellocher Chor „Voice Cream“ feiert sein 25-jähriges Bestehen mit einem Jubiläums- und einem Benefizkonzert am nächsten Wochenende.
Proben-Endspurt fürs Konzert-Wochenende. Zur Chorprobe – wie immer mittwochabends im Evangelischen Gemeindehaus Hagelloch – sind die aktuell 35 Mitglieder von Voice Cream aus der gesamten Region zusammengekommen: Tübingen, Pliezhausen, Mössingen, Ofterdingen, Rottenburg, Nagold und Wildberg. Beim Einsingen reizt Chorleiter Cornelius Fritz die Höhe aus: immer noch und noch höher, bis aufs h hinauf. Danach wird bei einer Glissando-Übung die perfekte Punktlandung geprobt: den Ausgangs-Ton gut im Ohr behalten und dann ganz, ganz langsam gemeinsam aufsteigen – wie ein geschmeidig gespanntes Gummiband. Beim lückenlosen Glissando-Aufstieg kommt einem der Umkehrpunkt an der Oktave oben schwindelerregend weit weg vor. Von dort geht’s ebenso millimetereng wieder zurück, um zuletzt punktgenau intonationssicher auf dem Ausgangs-Ton zu landen.
Das erste Proben-Stück ist „Samba de verdade“, mit Latin Groove. Cornelius Fritz begleitet immer mal wieder eine Phrase am E-Piano, schlägt ein paar Haken à la Piazzolla dazu, gibt Gas. Ein mitreißend leidenschaftlicher Jazz-Pianist. Voice Cream geht mit und hebt ab, zurück ins A cappella. Im Konzert wird viel A cappella zu hören sein. Einige Chorsätze werden von Helge Herr begleitet: Voice-Cream-Hauspianist seit über 20 Jahren. Der treibende Samba-Puls muss rhythmisch griffig und präzise sein, erklärt Fritz: als Kontrast zu den sinnlich weichen portugiesischen Konsonanten. Gegen den Takt „ver/rückte“ Rhythmen. Und auch die Harmonien entrücken ins Unerwartete: Saudade, unerfüllte Sehnsucht. „Singt auf die Liebe zu!“, ruft Fritz. Voice Cream legt los und ein weitgespannter, farbvoller A-cappella-Klanghimmel tut sich auf.
Die beiden Konzerte am kommenden Wochenende bieten ein anderthalbstündiges „Best of“-Programm aus 25 Jahren Voice Cream. Für die Auswahl war im Chor eine Wunschliste herumgegangen, auf der alle drei Lieblings-Titel angeben konnten. Von Pop bis Jazz. Dafür steht Voice Cream. Aktuelle Pop-Titel und Jazz-Standards, Lady Gaga und Coldplay, der Casablanca-Klassiker „As Time goes by“, Paolo Contes „Azzurro“ und Stevie Wonders „Sir Duke“. Neu im Voice-Cream-Repertoire: „Mein Haus in Budapest“, in einer Bearbeitung für Frauenstimmen, sowie Pete Townsends The-Who-Hit „Behind blue Eyes“ für Männerchor. Einige der A-cappella-Stücke hat Cornelius Fritz selbst arrangiert: etwa Herbert Grönemeyers „Ein Stück vom Himmel“. Im Lauf der 25 Jahre sind seine Arrangements immer anspruchsvoller geworden, parallel zu den Möglichkeiten und Fertigkeiten des Chors, die sich kontinuierlich weiterentwickelt haben und gefordert sein wollen.
Das Jubiläums-Programm steht unter dem Motto „Hear the Voice“: gemeinsam der Musik lauschen, aber auch gemeinsam die Stimme erheben – für Frieden und Toleranz. „We shall overcome“ wird zusammen mit dem Publikum gesungen. Voice Cream will immer auch eine Botschaft vermitteln, legt Wert auf Texte mit Gehalt.
Die Anfänge im Jahr 2000
7, 8 Chormitglieder sind seit den Anfängen dabei. Im Frühjahr 2000 war die Hagellocherin Almut Hepper auf Cornelius Fritz zugekommen mit der Idee, einen Chor ins Leben zu rufen. Beide kannten sich aus Hagelloch, vom CVJM und vom Wildermuth-Gymnasium. Und beide hatten seit ihrer Kindheit gesungen: im Kinderchor in Hagelloch und in der Tübinger Jugendkantorei. Schon zu Abi-Zeiten gründete Fritz mit ein paar Freunden ein Männerstimmen-Ensemble, das Barbershop-Repertoire sang.
Nach dem Abitur studierte Fritz – 1967 geboren – in Tübingen Musikwissenschaft und Geschichte. Seit vielen Jahren unterrichtet er nun schon an den Musikschulen in Reutlingen und Pliezhausen Klavier und Keyboard, macht Voice-Coaching. Heppers Vorschlag empfand er als „eine Fügung“. Fritz hatte soeben die Leitung des Gönninger Gospelchors abgegeben und Lust, einen eigenen Chor zu gründen. Im April 2000 war die erste Probe.
Seit 25 Jahren ist Voice Cream eigenständig und zu einem der renommiertesten Pop-Chöre der Region geworden. In Hagelloch ist er gut vernetzt, etwa mit dem Posaunenchor, dem Liederkranz und dem Musikverein. „Das Miteinander ist hier intakt“, freut sich Hepper: „Ein Anruf und es läuft.“ Regelmäßig singt Voice Cream im Gottesdienst, ist beim Kurrende-Singen in Hagelloch mit dabei. 2017 war der Chor auf Konzertreise in Perugia, 2023 in Paris. Besonders bewährt hat sich das Miteinander der Hagellocher Vereine während der Corona-Pandemie, die Voice Cream problem- und verlustlos überstanden hat.
Zu den großen Anliegen des Chors gehört es, „etwas für andere zu tun“: So hat Voice Cream schon zahlreiche Benefizkonzerte gegeben, etwa für Refugio, Youth Life-Line, die Rottenburger OASE oder die AIDS-Hilfe. Am Sonntag konzertiert Voice Cream zu Gunsten von Mukoviszidose e.V., vermittelt über Chor-Mitglied Ute Steiner. Im Januar tritt Voice Cream in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg auf.
Noch in etwas fernerer Zukunft liegt die Realisierung eines größeren Projekts: Cornelius Fritz hat ein „Weltethos-Oratorium“ für Chor, Band, Solo-Saxophon und -Cello komponiert, das er mit Voice Cream aufführen möchte. Aber zuerst kam Corona dazwischen und dann der Krieg in der Ukraine. So ist Fritz gerade dabei, die Texte inhaltlich zu überarbeiten: „Die Welt sieht inzwischen anders aus.“