Als eine 110-jährige Geschichte zu Ende ging

  • Am 20. Oktober 2005 wurde um 12.30 Uhr die Bundesdienstflagge im Alten Lager niedergeholt. Foto: Joachim Lenk
  • Kommandant Oberstleutnant Dieter Kargl (rechts) übergab symbolisch den Truppenübungsplatz als maßstabsgetreues Modell an Dietmar Götze vom Bundesforst Heuberg. Foto: Joachim Lenk

Münsingen Auf den Tag genau vor 20 Jahren wurde der Truppenübungsplatz Münsingen geschlossen. Heute ist das Areal das Herzstück des Biosphärengebiets.

Heute vor zwei Jahrzehnten, am 20. Oktober 2005, endete nach 110 Jahren die wechselvolle Geschichte des Truppenübungsplatzes Münsingen. An diesem Donnerstag im Herbst wurde um 12.30 Uhr die Bundesdienstflagge vor dem Offiziercasino zum letzten Mal niedergeholt. Kommandant Oberstleutnant Dieter Kargl wurde von seinen Aufgaben entbunden. Rund 200 geladene Gäste verfolgten damals das letzte militärische Zeremoniell im Alten Lager. Die Entscheidung, den Schießplatz auszumustern, hatte der inzwischen abgelöste Verteidigungsminister Rudolf Scharping zweieinhalb Jahre zuvor gefasst.

Der Abschiedsappell vor 20 Jahren war nicht nur für den Kommandanten und seine Soldaten, sondern auch für die Bundeswehr etwas Besonderes. „Die Schließung eines Truppenübungsplatzes im Westen der Bundesrepublik stellt einen bislang einzigartigen Vorgang dar“, sagte Brigadegeneral Erich Staudacher, stellvertretender Befehlshaber im Wehrbereichskommando IV Süddeutschland.

Er erinnerte daran, dass in den vergangenen Jahrzehnten mit nahezu allen Waffensystemen des Heeres in Münsingen scharf geschossen wurde. Angefangen von Handwaffen über Maschinenkanonen, Bordkanonen des Kampfpanzers Leopard bis hin zu Lenkflugkörpern, Artilleriewaffen und Mörsern aller Kaliber. Das sogenannte Schießen verbundener Waffen wurde dort bis zur Bataillonsstärke geübt.

„Auslöser für die Schließung des Übungsplatzes war das Ende des Kalten Krieges, die Auflösung des Warschauer Paktes und die Reduzierung der deutschen Streitkräfte“, verteidigte der Brigadegeneral die vor 20 Jahren für viele nicht nachvollziehbare Entscheidung des Verteidigungsministeriums.

Hauch von Wehmut

„Auch wenn heute ein Hauch von Wehmut und Abschied in der Luft liegt“, dürfe nicht vergessen werden, dass 1991 Münsingens Bürgermeister Rolf Keller und der Gemeinderat die Bundeswehr aufgefordert hatten, den Schießplatz zu schließen. Daran erinnerte Oberst der Reserve Ernst-Reinhard Beck, Mitglied des Verteidigungsausschusses. „Bei allen berechtigten Klagen über den Schießlärm darf nicht vergessen werden, die Soldaten haben nicht zum Selbstzweck geübt, sondern für unsere Freiheit“, sagte der Wahlkreisbundestagsabgeordnete in seinem Schlusswort. „Wir sind dazu verdammt, die Schließung des Übungsplatzes als eine große Chance für die ganze Region zu sehen“, sagte vor zwei Jahrzehnten der heute noch amtierende Münsinger Bürgermeister Mike Münzing. Die Bundeswehr hinterlasse eine Kulturlandschaft besonderer Güte. Die ganze Bürgerschaft bedaure den Abzug der deutschen Streitkräfte aus der Garnisonstadt, der mit der Schließung der Herzog-Albrecht-Kaserne in Münsingen 2004 begonnen habe, so der Rathauschef.

Trotz aller Anstrengungen sei es nicht gelungen, die Schließung des Standortes aufzuhalten. „Wir sind bereit dazu, den Preis des Verlustes als Preis für eine unblutige und historisch einmalige Wiedervereinigung Deutschlands zu tragen“, sagte Münzing.

20 Jahre nach diesem militärischen Zeremoniell ist seine Vision nach „einer Chance für die ganze Region“ in Erfüllen gegangen. Der 2006 für die Bevölkerung geöffnete ehemalige Schießplatz ist inzwischen das Herzstück des Biosphärengebietes Schwäbische Alb, das jedes Jahr Scharen von Besuchern von nah und fern anzieht. Mittlerweile ist aus der Soldatensiedlung Altes Lager das Albgut geworden. Seit 2015 arbeitet die Eigentümerin, die Familie Tress, daran, das denkmalgeschützte Gelände mit seinen 140 historischen Gebäuden zu neuem Leben zu erwecken. Die Herzog-Albrecht-Kaserne wurde abgerissen und zur Parksiedlung mit knapp 200 Ein- und Zweifamilienhäusern umgestaltet.

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