„Die originelle Stadt“

Literatur Hermann Hesse hat viele Spuren in Ulm hinterlassen. Gerd Xeller führt auf einem „Besinnungsweg“ zu den historischen Orten.

Ulm sei doch „eine außerordentlich schöne und originelle Stadt“. Das liest man hier gern. Ein  Nobelpreisträger hat so befunden – nein, ausnahmsweise war es nicht Albert Einstein, der Physiker. Es war Hermann Hesse, der Schriftsteller. Das Zitat findet sich in dessen autobiografischer Erzählung „Die Nürnberger Reise“. Viele Spuren hat Hesse in Ulm hinterlassen.

1946 erhielt der Ulmer Siegfried Unseld von seinem Lehrer Eugen Zeller den „Steppenwolf“ in die Hand gedrückt: Er las das Buch derart begeistert, dass er nicht nur bei Aegis eine Buchhandelslehre absolvierte, sondern Literatur studierte, über Hermann Hesse promovierte – und bekanntlich bei Suhrkamp der berühmteste Verleger der deutschen Nachkriegsgeschichte wurde.

Eugen Zeller war ein guter Freund Hesses gewesen, schon im April 1904 hatte er in der „Schwarzen Henne“ hinter dem Gänsturm mit dem Dichter die Nacht durchzecht. Hesse, damals 26 Jahre alt, hatte gerade seinen Roman „Peter Camenzind“ veröffentlicht. Dessen Halbbruder Karl Isenberg hatte ihn auf seinen Ulmer Studienkollegen Zeller aufmerksam gemacht. Isenberg war Hilfslehrer in Ulm, wo ihn Hesse schon 1901 besucht hatte: „eine behagliche, bürgerlich stattliche Stadt, vom Münster beherrscht“.

Keine glückliche Heirat

1904 nützte Hesse einen längeren Aufenthalt in München, um nach Ulm zu fahren und Zeller zu treffen. In einem Brief vom 4. Januar 1947 schreibt Hesse: „Ihre Erinnerungen an jene fernen Tage und die schwarze Henne machen mir rechte Freude . . . Aber daß Sie mir damals zum Heiraten rieten, war nicht recht von Ihnen, alter lieber Freund, meine Heiraten sind nicht das in meinem Leben, woran ich mit Freude, gutem Gewissen oder Stolz denken könnte . . .“ 1924 heiratete der von Maria Bernoulli längst wieder geschiedene Hesse zum zweiten Mal, und zwar die junge Sängerin Ruth Wenger – was aber auch nicht gut ging.

In der „Nürnberger Reise“, die 1927, fast parallel zum Roman „Der Steppenwolf“ bei S. Fischer herauskam, schildert Hesse auf fünf Seiten „die Beobachtungen und Wahrnehmungen“ seines Aufenthalts in Ulm im November 1925, als er, auf Einladung von Julius Baum, dem Leiter des Ulmer Museums, dort aus seinem Werk las. Lesungen mochte Hesse eigentlich nicht, aber in Ulm, in Schwaben, sei er wie unter Freunden zu Hause gewesen.

Wer das alles recherchiert hat, das waren die Bibliothekare Jan Haag und Bernd Michael Köhler. „Seien Sie gegrüßt, liebe Freunde in Ulm“ heißt ihr 2008 bei Klemm und Oelschläger erschienener Band über Hermann Hesse und die Donaustadt. Und wer dieses Buch gründlich gelesen hat und seit einigen Jahren selbst akribisch Ulmer Hesse-Spuren verfolgt und recherchiert, das ist Gerd Xeller.

Der Laupheimer studierte Betriebswirtschaft, arbeitete als Personalreferent und gründete 2007 als Unternehmensberater die Firma Xeller Training. Er ist auch ausgebildeter Hochseilgartentrainer und Lehrbeauftragter an der Hochschule Neu-Ulm – und fasziniert von Hesses Werk. So bietet Xeller Touren durch Ulm an: einen „Hermann Hesse Besinnungsweg“. Es sind aber keine literarischen Stadtführungen, Xeller möchte den Teilnehmenden „gleichzeitig Raum für Reflexionen über die eigene Lebensreise“ verschaffen. Ulm werde zur „Bühne der Seele des Dichters“.

An jeder der zwölf Stationen des Rundgangs liest Xeller zunächst mal ein Hesse-Zitat vor. Am Ausgangspunkt, an der vh, beginnt er natürlich mit dem „Stufen“-Gedicht: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Hesses Schriften und Gedanken enthielten so viel Orientierungskraft, staunt Xeller, sie seien ungemein aktuell in einer heutigen Welt, in der wie vor 100 Jahren der „Verlust des Geistigen“ beklagt werde. „In seinen Büchern steht so viel Hoffnung drin.“

Es gibt viele weitere Ulm-Bezüge. Etwa Eugen Link, Sohn einer Laupheimer Beamtenfamilie, der in Ulm eine Militärkarriere machte – was den Pazifisten Hesse nicht störte – und der 1916 die Ulmerin Lydia Wieland heiratete, die Tochter des Geheimen Kommerzienrats und Chefs der Wieland-Werke, Philipp Wieland. So wohnte die Familie Link standesgemäß in einer Villa in der Neutorstraße 7, Ecke Olgastraße, wo seit 1969 das Ulmer Theater steht. Entsprechend boten die Links dem Freund eine großzügige Unterkunft, was Hesse sehr bürgerlich behagte.

Gerd Xeller hat sich tief eingelesen in Hesses Biografie, Kontakt aufgenommen zu den Nachfahren des Dichters und der Ulmer, die ihm damals begegnet waren. „Das ist unglaublich spannend, man geht mit einer Frage rein und kommt mit drei Fragen raus.“ Hesse, das ist für ihn so eine Art emotionaler Zauberwürfel. Sein „Besinnungsweg“ funktioniere gut, meint Xeller. Und er denkt weiter: Könnte die Stadt Ulm nicht an den Hesse-Orten Stelen aufstellen mit Erklärungstexten? Oder zumindest eine App und QR-Codes, über die sich Touristen informieren könnten?

„Traumrevue“ präsentiert neues Musical

Revue Rock ’n’ Roll-Songs bilden das Gerüst des aktuellen Stücks. Am Samstag ist Uraufführung in Weißenhorn.

Es ist ein bewährtes Team, das sich nun an ein neues Projekt wagt: „Holy Moly – A Rock ’n’ Roll Story“ heißt das neue Musical, das Kathrin und Thomas Sälzle ab dem kommenden Wochenende mit ihrem Ensemble „Traumrevue“ in Weißenhorn auf die Bühne bringen.Auch dieses Mal geht es auf eine Zeitreise zurück in die 1950er Jahre. Statt deutschen Schlagern wie bei den beiden Revues „Eine Reise in den Süden“ und „Ganz Paris träumt…“ bilden dieses Mal Rock ’n’ Roll-Songs aus den 1950er- bis 1970er-Jahren das Grundgerüst. „Die Geschichte ist von uns“, erklärt Kathrin Sälzle.

Allzu viel über die Handlung will sie natürlich noch nicht verraten: „Es geht um einen großen Rock’n’Roll-Star, der auf der Bühne zusammenbricht.“ Von dort aus beginnt eine Reise in das Jenseits. Die Hauptfigur Jackson Ash wird gespielt von Didi Knoblauch. Der beschreibt seine Rolle als klassischen „Sex-Drugs-And-Rock’n’ Roll-Typ“ und meint: „Das schreit nach Läuterung.“ Musikalisch ist der Sprung über den großen Teich durchaus naheliegend – nicht nur, weil viele deutsche Schlager aus der Zeit ohnehin Adaptionen von US-Hits sind. Viele der Beteiligten waren auch schon an der Rock ’n’ Roll-Band „The Cash“ beteiligt. Sebastian Swoboda, Ex-Wirt des Swobsters, widmet sich auch mit seiner Band „The Bombs“ dem klassischen Rock ’n’ Roll.

Seit „The Cash“ könne er sich mit den 1950er-Jahren identifizieren, sagt Didi Knoblauch, vor allem mit dem Umgang, den die Leute damals miteinander pflegten. „Der war ja im Eigentlichen eher respektvoll und höflich“, meint er: „Das ist so ein bisschen verloren gegangen in der heutigen Zeit.“ Die Arrangements für das Stück stammen allesamt von Thomas Sälzle. „Er fasst jeden Ton an“, sagt Ehefrau Kathrin. Die ersten beiden Aufführungen in der Weißenhorner Stadthalle am 11. Und 12. Oktober sind ausverkauft. Für den 17. und 18. Oktober gibt es noch Tickets zu 32 Euro auf traumrevue.de oder in der Weinheimat in Weißenhorn. Beginn ist um 20 Uhr.

Ein Interim in einer Halle am Bahnhof

Theater Ulm Für 1,1 Millionen Euro werden zwei Probebühnen und weitere Räumlichkeiten hergerichtet.

Eine weitere Hürde ist genommen, aber das Projekt bleibt umstritten: Mit sieben zu fünf Stimmen hat der Bauausschuss des Ulmer Gemeinderats beschlossen, einen Bebauungsplan für das „Kinder- und Jugendtheater“ aufzustellen. Gemeint ist: der Erweiterungsbau für das Theater Ulm, für Werkstätten und diverse Funktionsräume, in dem aber auch ein Kinder- und Jugendtheater integriert ist als Ersatz für das marode Alte Theater (am Scholl-Gymnasium).

Debattiert wurde darüber am Dienstagabend nicht: Es musste zunächst mal der geltende Bebauungsplan „Olgastraße (Theater)“ von 1965 aktualisiert werden, für die „planungsrechtliche Sicherung des Vorhabens“. Das Vorhaben, das nach letztem Stand und in einer abgespeckten Version unter 40 Millionen Euro kosten soll? Nach wie vor ist kein finaler Baubeschluss gefällt. Und unvermindert steht die Stadt unter Spardruck. Gibt der Gemeinderat aber noch in diesem Herbst sein Okay, könnten 2026 die Bauarbeiten beginnen.

Eilentscheidung des OB

Doch nach dem Brand in der Paketposthalle Ende Juni hat sich für das Theater Ulm die Lage verschärft. Zwei Probebühnen sowie der Fundus und Magazinräume gingen verloren. In der Sitzung des Bauausschusses ist jetzt eine „Eilentscheidung“ von Oberbürgermeister Martin Ansbacher von Ende Juli offengelegt worden: für eine „Interimsunterbringung“, wie es amtsdeutsch heißt. Und die wurde jetzt „ohne Widerspruch“ abgesegnet. Das zentrale Gebäudemanagement der Stadt hat diverse Optionen geprüft und ist zur Erkenntnis gekommen, dass „die sinnvollste und mit Abstand wirtschaftlichste Lösung“ für ein Interim die benachbarte Sheddachhalle am Hauptbahnhof sei. Zwei Drittel der Halle werden laut Verwaltungsvorlage benötigt, den Rest könne weiterhin die Bahn als Lagerfläche nutzen.

Natürlich muss die Sheddachhalle fürs Theater erschlossen und hergerichtet werden:  Wasser- und Fernwärmeanschlüsse, Elektrik. Ein Aufenthaltsraum und Toiletten sollen in Form von Containern bereitgestellt werden. Das alles kostet: rund 1,1 Millionen Euro, finanziert in der Not aus allgemeinen städtischen Finanzmitteln. Voraussichtlich bis Dezember könne das Theater Ulm das Interim beziehen, heißt es.

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