Initiative bereitet Klage vor

Lokalpolitik 2.208 Haller wollen die Bevölkerung über den Bau von Windrädern abstimmen lassen. Doch der Gemeinderat hat einen Bürgerentscheid darüber nicht zugelassen. Der Konflikt geht weiter.

Eine Initiative hatte über die Sommerpause hinweg 2.208 Unterschriften gesammelt. Das würde ausreichen, um einen Bürgerentscheid über die Rotoren im Wald auszulösen. Dann könnten alle Haller ab 16 Jahren über die Windräder entscheiden. „Wir sagen nur: Lasst doch über wichtige Dinge die Bürger entscheiden“, erläutert Joachim Bauer, einer der Initiatoren. Dafür kämpft er im Rat. Rund ein Dutzend Gegner der Windräder bei Sittenhardt und Sanzenbach finden sich auf den Zuhörerstühlen ein.

Bürger haben das Wort

Im Verfahren des Bürgerbegehrens ist vorgesehen, dass Vertrauenspersonen das Anliegen vortragen. Harald Reich zweifelt in seinem Vortrag die Wirtschaftlichkeit der Windräder im Wald an. Es handele sich um ein „hochriskantes Geschäftsmodell“. Windkraft habe zwar in der Vergangenheit hohe Profite abgeworfen, was aber bei sinkenden Vergütungen nicht mehr der Fall sei. „Inzwischen weiß ja jeder von uns, dass wir uns in windschwachem Gebiet befinden.“

Jochim Bauer geht vor allem auf die rechtliche Bewertung ein. Da der Gemeinderat über den Vertrag entschieden habe, handele es sich eben wohl um eine Angelegenheit im Wirkkreis der Gemeinde, über die ein Bürgerentscheid möglich sei. Er sieht die Mitspracherechte in der Demokratie in Gefahr: „Sollten Sie heute mit Nein stimmen, sagen Sie verkürzt aus, dass Sie den Bürgerwillen besser beurteilen können, als es die Bürger im Rahmen eines Bürgerentscheids tun könnten.“

Die gegensätzlichen Auffassungen klatschen im Gemeinderat unvereinbar aufeinander. Denn Kai-Markus Schenek, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, führt aus: „Über die Zulässigkeit des Bürgerentscheids entscheidet der Gemeinderat. Er hat aber kein freies Ermessen.“ Die Frage sei nicht, ob es sinnvoll sei, die Bürger entscheiden zulassen oder nicht. Die einzige Frage, die an dem Abend im Raum steht: Ist ein Bürgerentscheid rechtlich zulässig? Er kommt nach seiner juristischen Prüfung zu einem klaren: „Nein“.

Sieben Prozent der Einwohner haben unterschrieben. Das Quorum ist erfüllt. Auch die Fristen wurden eingehalten und es sei eine klare Fragestellung erkennbar. Aber zwei Punkte stehen aus Sicht des Juristen dem Bürgerentscheid im Weg.

Nur Treuhänder

Bei der ersten handelt es sich um Zuständigkeiten. Die Stadtwerke Schwäbisch Hall wollen sechs von sieben Windräder auf einer Fläche des Hospitals zum Heiligen Geist errichten, die alle auf der Gemarkung Rosengarten liegen. Das sei eine rechtlich selbständige Stiftung und somit eine eigenständige juristische Person, die von der Stadt und deren Organen nur treuhänderisch verwaltet werde. Der Vertrag über die Verpachtung der Flächen wurde zwischen der Stiftung und den Stadtwerken geschlossen. „Ja, der Gemeinderat hat darüber in einer Sitzung entschieden“, räumt Schenek ein. „Aber dieser Beschluss wurde für die Stiftung getroffen, da die Stadt mit deren Führung betraut ist.“

Ein Bürgerentscheid als Folge des Bürgerbegehrens sei daher rechtswidrig, da es „eben nicht den konkreten Wirkkreis der Stadt betrifft“. Die Stadt Hall sei keine Vertragspartei, habe daher auch kein Kündigungsrecht. Selbst die Hospitalstiftung verfüge über keines.

Das führt zum zweiten Punkt in der Begründung des Juristen: Das Bürgerbegehren richte sich gegen ein rechtswidriges Ziel, nämlich das Auflösen eines bestehenden Vertrags. Das Verwaltungsgericht Stuttgart habe in ähnlichem Fall ausgeführt, dass Bürgerbegehren, die eine nachträgliche Meinungsäußerung der Bürger zu einer bereits vom Gemeinderat entschiedenen und vollzogenen Maßnahme herbeiführen wollen, nicht zulässig sind. Schenek sagt über den Haller Fall: „Das ist keine Ermessensentscheidung.“ Ein Bürgerbegehren dürfe die Gemeinde nicht zu einem Vertragsbruch zwingen. CDU-Fraktionssprecher Frank Walter findet es beeindruckend, dass das Quorum zustande kam. Selbstkritisch merkt er an: „Wenn ein Bürgerbegehren entsteht, haben wir im Vorfeld vielleicht nicht alle Bürger gut mitgenommen.“

Kein Spielraum

Walter betont, dass es an diesem Abend nicht um das Für und Wider der Windkraft gehe, sondern rein um die rechtliche Bewertung des Bürgerbegehrens. Monika Jörg-Unfried (Grüne), Richterin auf Lebenszeit in Rente, sieht das auch so: „Wir befinden rein über eine Rechtsfrage. Dieses Bürgerbegehren ist definitiv nicht zulässig.“ Tanja Fuchs (FWV): „Der Wunsch nach Mitbestimmung ist groß.“ Doch die rechtliche Lage sei eindeutig. Michael Rempp (SPD) bekräftigt: „Wir sehen Bürgerbegehren positiv. Allein die Rechtslage ist hier eindeutig.“

Den Planeten retten

Ellena Schumacher-Koelsch (Die Fraktion) findet Bürgerbegehren „bei anderen Fragen so viel wichtiger“. Ihr fehlt in der aktuellen Debatte der Hinweis, dass die Windräder zum Klimaschutz beitragen und eine „Zukunft für die Kinder“ bieten. Damiana Koch (Bunte Liste) erläutert, dass sie nicht an der Abstimmung teilnehmen werde. Grund: „Damit nicht eine Person als populistisch gilt.“ Aus dem Schulterzucken im Raum kann geschlossen werden, dass diese Argumentation nicht alle nachvollziehen können.

Bei 22 Ja-Stimmen und einer Enthaltung von Ralf Strecker (CDU), der in Sittenhardt wohnt, fällt die Entscheidung eindeutig aus. Damiana Koch und auch Armin Stutz (CDU) haben laut Ratsprotokoll nicht mit abgestimmt. Der Bürgerentscheid kommt nicht zustande. Doch ist das auch gerichtsfest?

Reihen geschlossen

Die Verantwortlichen der Bürgerinitiative sind sich sicher, dass der Gemeinderat Hall zwar wie erwartet, aber falsch entschieden hat. „Wir sind in Kontakt mit Rechtsanwälten. Wir bereiten eine Klage gegen die Entscheidung vor“, sagt Joachim Bauer auf telefonische Nachfrage. Noch werde über die Finanzierung gesprochen. Denn anders als die Stadt müssten die Bürger ihren Rechtsbeistand privat bezahlen. Doch „zu 95 Prozent“ sei jetzt schon sicher, dass der weitere Rechtsweg vor dem Verwaltungsgericht beschritten werde.

Die Initiative will es nicht akzeptieren, dass sich die Stadt Hall auf Vertragsrecht zurückzieht. Bauer: „Wir sehen einen Trend bei den jüngsten Gerichtsentscheidungen, dass sie der Systematik der Kommunen einen Riegel vorschiebt, mit schnellen Vertragsschlüssen Fakten zu schaffen“. Bauer fragt: „Wo ist die Demokratie?“ Die Gruppe kam nach der Ratssitzung zusammen. Bauer: „Wir haben die Reihen geschlossen, uns in die Augen geschaut. Wir machen weiter.“

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