„Kaufen Sie Kunst“

Farn ist das Thema der Wand-Boden-Installation direkt am Eingang der Haalhalle in Schwäbisch Hall, eine Art künstlerischer Reise von der Art Karlsruhe bis ins Atelier und zurück in die Jahresausstellung des Hohenloher Kunstvereins.

Der Blick geht über in gegenständliche wie abstrakte Skulpturen und immer wieder zu den hohen Wänden. Die teils großformatigen Gemälde ziehen einen hinein in ihre Bildwelten, lassen einen innehalten.

Eine weitere weit ausgreifende Installation überrascht und lässt einen trotzdem die kleinformatigen Bilder an der Seitenwand sehen und sich ins Obergeschoss wenden, wo abermals viele künstlerische Überraschungen aufwarten, vom lila Schmunzelhasen bis zum Foto.

Die Liebe zur Kunst setzt eine breite Spange von der Familie mit Baby bis hin zum Pärchen im Rentenalter. „Die Tage werden wieder kürzer und wir füllen die Räume mit Kunst“, begrüßt Bürgermeister Peter Klink zur gut besuchten Vernissage der Jahresausstellung des Hohenloher Kunstvereins in der Haalhalle.

Die musikalische Umrahmung gestalten Jochen Narciß-Sing an der Violine und Timo Grobshäuser an der Handpan. Sie ernten für ihre rhythmisch-sinnlichen Improvisationen kräftigen Applaus.

Das Besondere in diesem Jahr: 25 der 26 Ausstellenden haben mit ihren insgesamt 76 Einreichungen die Chance, den mit 10.000 Euro dotierten Hohenloher Kunstpreis Werner Grund zu erhalten. Einzig Gerda Bier ist davon ausgeschlossen: Sie war erste Preisträgerin dieses Preises im Jahr 2020, zudem ist sie Mitglied der siebenköpfigen Jury.

Beteiligt an der Jahresausstellung sind als Künstlermitglieder Roland Bauer, Gerhard Deeg, Henrik Dellbrügge, Andreas Nikolaus Franz, Sebastian Gaukler, Reingard Glass, Jörg Hartnagel, Ursula Kensy, Tanja Krebs, Rudolf Kurz, Karl-Heinrich Lumpp, Sabine Naumann-Cleve, Susanne Neuner, Ilka Nowicki, Marleen Pennings, Ursula Ploghöft, Franz Raßl, Susanne Rudolph, Sonja Streng, Christa Schmid-Ehrlinger, Veronica Solzin, Isabel Stoffel, Marc Volk, Jale Vural Schmidt und Helena Zubler. Zusammengekommen ist eine ungemein starke, vielfältige Mischung, kuratiert von Gerda Bier, Doris Hägele und Stefan Labude.

„Ohne Ihre finanzielle Unterstützung könnte der Hohenloher Kunstverein nicht existieren“, bedankt sich der Vorsitzende Labude bei den Sponsorinnen und Sponsoren und wirbt zugleich für ehrenamtliche Mitarbeit. „Jedes Jahr zu Saisonende zeigen Künstlermitglieder des Hohenloher Kunstvereins bei der Jahresausstellung Arbeiten, die im Laufe der letzten beiden Jahre entstanden sind. Die Ausstellung wird so zu einer Bestandsaufnahme über das aktuelle Schaffen der Künstlermitglieder und zeigt – gleich einem Kaleidoskop – die Vielfalt der im Kunstverein vertretenen künstlerischen Positionen“, betont er.

Angebote ab 150 Euro

Die sonst übliche Einführung entfalle heuer, um die Arbeit der Kunstpreis-Jury nicht zu beeinflussen. Doch gerade dadurch hat man den Eindruck, dass jeder der Beiträge von den Gästen noch genauer unter die Lupe genommen wird. „Es ist ein Spannungsfeld aus subjektiven und objektiven Kriterien. Die Vergabe im Umfeld der Jahresausstellung ist zugleich elegant“, beschreibt Susann Mathis von der Werner-Grund-Stiftung das mehrstufige Verfahren bis zur Preisverleihung, die am 1. November um 18 Uhr in der Haalhalle erfolgt.

Doch auch so könne jede Künstlerin und jeder Künstler etwas gewinnen, wenn man wolle. „Kaufen Sie Kunst. Werden Sie Mitglied in dem besonderen Club, in dem man Schönheit, Leidenschaft und Individualität sammelt“, wirbt Mathis für den Mut zur Kunst. Ab 150 Euro kann man in der Haalhalle Kunst kaufen, es gibt viele Werke unter 2000 Euro. Eine Ausnahme ist eine bemerkenswerte Madonna-Skulptur von Susanne Rudolph für knapp 30.000 Euro.

Info Die Ausstellung läuft bis 2. November und kann dienstags bis sonntags von 14 bis 17.30 Uhr besucht werden. Am 1. November um 18 Uhr wird der Hohenloher Kunstpreis Werner Grund verliehen. Dazu singt der Chor Tonic aus Stuttgart.

Schau Bei der Jahresausstellung des Hohenloher Kunstvereins in der Schwäbisch Haller Haalhalle wird der Hohenloher Kunstpreis verliehen.

Grenzüberschreitungen und Weberknechte

Schwäbisch Hall. Es ist gleich eine doppelte Premiere: Noch nie zuvor hat der Berliner Autor, der vier Wochen lang auf der Großcomburg residieren darf, eine Lesung mit Musik kombiniert. An diesem Abend im Pub des Schwäbisch Haller Goethe-Instituts liest er abwechselnd oder auch während sein Freund Henry Mex am Kontrabass Töne spielt.

Zweite Premiere ist dieser Ort. Im Rahmen von Literatur Live war man noch nie im Goethe-Pub. Der Ort mit der Gewölbedecke ist urig beleuchtet, es stehen zwei gemütliche Sofas im Raum, die Barfrau schenkt Wein aus. Es werden weitere Stühle hereingetragen, denn es kommen rund 40 Gäste.

Die Lesung ist eine Kooperationsveranstaltung von Kulturbüro, Goethe-Institut und der interkulturellen Woche in Hall. „Wir werden eine Dreiviertelstunde lesen und musizieren. Da wir dabei eine gewisse Spannung erzeugen, wäre es schön, falls Sie einen unbändigen Applaus-Wunsch haben, den zu unterdrücken“, beginnt Matthias Nawrat. Sein Humor scheint ihm in diesem Moment selbst etwas fremd zu sein.

Jedenfalls erzeugt er mit diesen Worten Spannung. Was wird die Zuhörenden erwarten? Der Berliner Autor, der als Zehnjähriger mit seiner Familie aus Polen nach Bamberg emigrierte, liest aus dem Band „Gebete für meine Vorfahren“. „Ich bin nicht religiös, aber die Form von Gebeten gefällt mir. Es wird etwas irgendwohin geschickt mit einer Sehnsucht.“

Nawrat ist ein Beobachter

Seine Sehnsucht scheint die einer besseren, einer anderen Welt zu sein. Nawrat ist ein Beobachter. Er sieht den „weißhaarigen früheren Angestellten der Stadtwerke, in Hose und Weste mit grünem Camouflage-Muster, mit vielen praktischen Taschen, die Angel im Futteral über der Schulter“ ebenso wie „den Cousin, der die Kinder morgens zur Sommerfreizeit fährt, vor seinem Arbeitstag bei Toyota am Stadtrand, wo er zuständig ist für das Gebiet Süd“.

Begleitet werden die Bilder, die er schafft, durch einzelne Töne des Kontrabasses, Klopfen auf die Saiten oder direkt aufs Holz. Manchmal spricht Henry Mex dazu einzelne Silben: „Pa-ko-ta-te-ko-pe“.

Dunkel ist die Atmosphäre, die die beiden erzeugen. Denn die Texte Matthias Nawrats zeigen eine Welt, die nicht nur schön ist. Oft drehen sich seine „Gebete“ um die Vergangenheit seiner Familie, und den Drang nach einem anderen und besseren Leben in Westdeutschland, darum, dass es zunächst ein schwieriges Leben ist. „Ein Grenzübertritt ist eine Veränderung. Man muss sich Identitätsfragen stellen“, sagt Nawrat hinterher im Interview mit Goethe-Instituts-Leiterin Svenja Hecklau-Brümmer.

Aber auch die Natur hat Raum in seiner Lyrik. Die Amsel, deren Gesang auf Tonband aufgenommen wird. Der Weberknecht, der hinter dem Sofa hervorkommt und nicht fähig ist, Spinnennetze zu knüpfen.

Und immer wieder geht es um die Familie: „Wenn ich zu Besuch bin, atmet sie (die Mutter) zufrieden aus. Mit Erdbeerkuchen auf dem Teller, die Knie angezogen, sitzt sie auf dem Sofa. Das System im Gleichgewicht.“

Lesung Comburgstipendiat Matthias Nawrat liest im Haller Goethe-Pub Gedichte mit Musik.

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