Stinkende Lumpen im Kleidersack

Metzingen Der Verein Notnagel verzweifelt an der Dreistigkeit der Leute. Statt gut erhaltener Kleidung stecken Spender Müll in die Kleidersäcke.

Igitt, das will doch kein Mensch mehr anziehen. Was Ute Kuch anklagend hochhält, kann sie nur widerwillig anfassen: „Das ist ekelhaft“, schimpft sie. Sie ist im Vorstand des Vereins Notnagel, der von Metzingen aus seit 1991 mehrere Male im Jahr befreundete Institutionen in Rumänien mit gut erhaltenen Kleidungsstücken und anderen brauchbaren Gegenständen versorgt. Die Menschen in diesem EU-Land sind teilweise bettelarm, weiß Ute Kuch aus ihren zahlreichen Reisen dorthin zu berichten. Städtebaulich, sagt sie, hat sich zwar seit ihrem ersten Besuch im Jahr 2009 „unheimlich viel getan“, etwa in Hermannstadt, dessen historischer Marktplatz sie beeindruckt („da staunen wir bloß“), doch die meisten Menschen sind arm. Der Durchschnittsverdienst liegt bei 600 Euro monatlich, aber die Preise in den Supermärkten „sind wie bei uns“, sagt Ute Kuch, „das Pfund Butter kostet vier Euro, nur Milka-Schokolade ist bei uns etwas billiger.“

Die Rumänienhilfe geht zurück auf den im Jahr 2018 gestorbenen Metzinger Kinderarzt Dr. Otto Oertel. Er sah 1990 im Fernsehen Bilder aus Waisenhäusern in Rumänien. Es waren Schockbilder, die in der damaligen Zeit ohne den medialen Dauertrommelwirbel der Sozialen Medien eine gewaltige Wirkung entfachten.

Ans Bett gefesselte Kinder

Bald waren die Bilder in Tageszeitungen und Magazinen zu sehen. Sie zeigten ans Bett gefesselte Kinder, die in verwahrlosten Räumen weitgehend sich selbst und ihrer Trauer überlassen waren, für die sie weder Worte noch ein wahrnehmbares Empfinden hatten. Abgestumpft und im eigenen Unrat liegend oder hockend, bestand ihr Leben darin, auf die nächste karge Mahlzeit zu warten. Diese Bilder ließen Otto Oertel keine Ruhe, sodass er den Verein Notnagel gründete und für diesen ein Aushängeschild blieb bis zu seinem Tod. Die Rumänienhilfe ließ ihn nicht mehr los.

Dass es noch immer weitergeht mit Hilfstransporten, liegt auch am finanziellen Vermächtnis Oertels, der zeitlebens rühriger Spendensammler, aber auch selbst Spender war. Dennoch gerät Notnagel zusehends in schwere See, denn in den Säcken mit Kleiderspenden finden sich auch ungewaschene Unterhosen mit verdächtigen Verfärbungen.

Darin sind mottenzerfressene Trägerhemden, zerrissene Handtücher, Hemden, die aussehen, als seien sie einem kürzlich Gestorbenen vom Leib genommen und ungewaschen in den Spendensack gestopft worden. Ute Kuch kramt in einer Tüte und zeigt die Kleidungsstücke, die auf ihrer persönlichen Ekelskala noch nicht mal an der Spitze stehen, denn die würde sie erstens nicht zum Pressegespräch in unsere Redaktion mitbringen und zweitens nicht ohne Einmalhandschuhe anfassen. Diese hier sind nur dreckig. Sie berichtet von Hemdkragen, die ein bräunlich-vergilbter Streifen an der Innenseite verunziert, von einer Matratze, die noch die original Pinkelränder jenes Menschen trägt, der darauf vermutlich seine letzten Tage verbracht hat. Ihr schlimmster Fund: eine gebrauchte Senioren-Windel.

Inzwischen ist Ute Kuch dazu übergegangen, mit den Leuten, die so etwas abliefern, Tacheles zu reden, wie sie sagt, „ich werde manchmal richtig aggressiv.“ Auch die Rumänen, die nichts zu essen haben, haben Würde, sagt sie. Obendrein hat der Verein wegen solcher Ramschware schon Schwierigkeiten bekommen. Der rumänische Zoll achtet streng darauf, dass weder Müll noch Schrott importiert werden. Wird etwas beanstandet, wird die Ladung sofort zurückgefahren.

Um sicherzustellen, dass der Abfall beim Verursacher ankommt, werden Speditionsgüter mit einem digitalen Code versehen, ohne den der Laster in Deutschland nicht mal Richtung Rumänien losfahren kann. „Rumänien ist uns in Sachen EDV haushoch überlegen“, sagt Ute Kuch. Die Krankenhäuser haben kaum Medizin und Material, einen Platz im Altenheim können sich nur die leisten, deren Kinder im Ausland arbeiten, aber Glasfaser ist verlegt.

Doch Notnagel gibt nicht auf. Die ehrenamtlichen Helfer an der Abgabestelle in der Untere Riedstraße kontrollieren den Wareneingang. Jetzt, kurz vor dem Winter, werden auch keine Sommersachen angenommen: „Wer möchte denn jetzt Sandalen oder kurze Hosen?“ Erst recht keinen Müll. Auch keine Rollatoren, deren Bremse defekt ist. Auch kein Federbett mit buntem Inlett, das dem Augenschein nach aus den 70er Jahren stammt. Dass derzeit so viel Unbrauchbares abgegeben wird, mutmaßt Ute Kuch, „liegt daran, dass die Standorte für Altkleidercontainer zunehmend aufgegeben werden“. Besonders dreiste Zeitgenossen stellen ihre Kleidersäcke ungefragt dem Verein Notnagel vor die Tür: „Es hat auch schon jemand seinen Bauschutt bei uns abgeladen.“ Dann muss der kleine Verein die Entsorgung selbst bezahlen.

Spender von Kleidung oder anderen Gegenständen werden übrigens auch um eine Geldspende gebeten, denn für den Transport nach Rumänien muss schließlich ein Spediteur bezahlt werden. Ute Kuch, die ehrenamtlich etwa 350 Stunden pro Jahr in der Lagerhalle steht (zusammen mit zehn Personen, die sich abwechseln und auf zwei Stunden pro Monat kommen), hofft weiterhin auf die Spendenbereitschaft der Menschen aus Metzingen und der Region. Und darauf, weiterhin notleidenden Menschen helfen zu können.

Erinnerungen an ein Paradies der Kindheit

Metzingen Das alte Ferientagheim, das Efti war etwas Besonderes. Jetzt, da seine Zeit zu Ende geht, denken viele mit Wehmut an herrliche Sommertage auf dem Bongertwasen zurück. Doch es wächst auch etwas Neues.

Der Nebel hängt an diesem Oktobermorgen hartnäckig am Himmel über Metzingen. Von der benachbarten Bundesstraße prallt das Rauschen der vorbeifahrenden Autos an die alte Backsteinmauer des Ferientagheims. Das Rot der Ziegel ist im Laufe der Zeit verblasst, an der Rückseite des Gebäudes fehlen sogar ein, zwei Steine. Es riecht erdig, nach feuchten Blättern, nach Abschied. Vergangene Woche hatte die evangelische Kirchengemeinde, der das Gelände gehört, zum letzten Fest auf dem Areal eingeladen.

Deutlich mehr als 100 Gäste hatten sich dafür angemeldet. Noch einmal wollten sie im Efti sein, ihren Erinnerungen nachhängen, sich gemeinsam an sonnendurchflutete Tage erinnern, wie es sie nur in den Sommern der Kindheit gibt.

Über viele Jahrzehnte war das Ferientagheim ein Ort, an dem sich Alt und Jung willkommen fühlte. Das lag nicht nur an der Herzlichkeit der Gastgeber, sondern auch an der besonderen Atmosphäre, die das Areal am Bongertwasen verströmte.

Umstanden von Bäumen und Sträuchern wirkte es fast wie eine Insel, zu der der Alltag keinen Zutritt fand. Für Kinder war es ein Paradies. Gelegen in der Nähe des Trimm-dich-Pfads und des Minigolfplatzes, war es ein ideales Ziel für einen Familienausflug.

Viele werden sich noch an die Sonntagnachmittage erinnern, an denen das Efti für Besucher geöffnet hatte. Es gab Kaffee und Kuchen für die Erwachsenen und Bluna für die Kinder. Platz nahmen die Gäste an warmen Tagen auf einer großen Terrasse vor dem alten Backsteinhaus. Von dort aus weitete sich der Blick in Richtung Tennisanlage, und wer den Kopf ein wenig drehte, konnte die Weinberge sehen.

Für die Mädchen und Jungen gab es freilich Wichtigeres als die schöne Aussicht. Kaum angekommen, ging es im Laufschritt los und ums Eck. Dort warteten Rutsche und Schaukel. Daran schloss sich ein Rasenplatz an, weitläufig genug für einen ordentlichen Kick, Mitspieler fanden sich immer. Im Sommer wurden auf der Ostseite des Platzes gerne zwei, drei große Zelte aufgespannt, in denen Feldbetten standen. Allein dieser Anblick war eine Verheißung auf unvergessliche Abenteuer in der schulfreien Zeit. Und wenn keiner der Erwachsenen aufpasste, schlüpften die Kinder hinein in den großen Saal, der an heißen Sonntagen verlassen dalag. Ziel der Buben und Mädchen war das Klavier, das in einer Ecke stand und auf dem sich ein paar Akkorde klimpern ließen, ohne dass sofort jemand auftauchte und schimpfte.

Ein Klavier steht noch immer im großen Saal, auch der Rasenplatz und die alte, mit Steinen ausgelegte Terrasse sind noch da.

Doch jetzt, im Oktober 2025, ist das Kinderlachen verklungen.  Tische, Stühle und Sonnenschirme sind an die Hauswand gerückt. Ein Symbol dafür, dass die Zeit des alten Efti fast abgelaufen ist. Bald werden die Möbel abgeholt und so lange eingelagert, bis das neue Ferientagheim seine Türen öffnet.

Es entsteht auf einem Grundstück nur wenige Meter entfernt vom ursprünglichen Gelände. Schon 2027 soll hier die erste Sommerfreizeit angeboten werden. Vieles von dem, was Generationen von Kindern und Erwachsenen kannten, wird dort wieder zum Einsatz kommen, erklärt Pfarrer Albrecht Schäfer, „auch als Wertschätzung für das, was man hat“.

In den langen Jahren hat sich auf dem Areal am Bongertwasen so einiges angesammelt, erzählen Michaela und Andreas Jud, die dem Efti seit langem eng verbunden sind. Glücklicherweise stellen einige Gemeindemitglieder Platz, etwa in Scheunen, zur Verfügung, damit das Inventar bis zur Neueröffnung unterkommt, berichtet Andreas Jud.

Die große Ausräumaktion steht in den kommenden Wochen noch an. Bis Ende des Jahres gehört das Areal der evangelischen Kirchengemeinde, dann übernimmt die Stadt Metzingen.

Die Wehmut vieler Gemeindemitglieder über das Ende einer Ära versteht Pfarrer Jörg Michael Karle selbstverständlich.

Doch er blickt ebenso wie sein Kollege Albrecht Schäfer mit Freude auf das Neue, das nun entstehen soll. „Wir nehmen die Erinnerungen mit, die hängt ja nicht an den Steinen“, sagt Karle.

Und auf dem neuen Gelände werden bald neue Kapitel geschrieben, neue Abenteuer kommen hinzu, die sich im Laufe der Jahre mit den alten verbinden werden.

Es ist den kommenden Generationen zu wünschen, dass ihre Sommer im neuen Efti genauso unbeschwert, so fröhlich und so golden sind, wie sie es für vieler Metzinger am alten Platz gewesen sind.

Neuer Mast für schnellen Mobilfunk

Technik An der Bahnstrecke und parallel zur B 28 haben die Bauarbeiten für einen Mobilfunkmast begonnen.

Metzingen. Die Bauarbeiten für den neuen Mobilfunkstandort an der Bahnstrecke und parallel zur B 28 zwischen Metzingen und Reutlingen haben begonnen, wie die Telekom mitteilt.

Ein zirka 35 Meter hoher Stahlgittermast wird in Zukunft das Mobilfunknetz der Telekom ergänzen. Ziel ist es, die Versorgung entlang der Bahnstrecke und der Bundesstraße zwischen den Orten zu verbessern. „Die Datennutzung im Mobilfunk steigt jedes Jahr um rund 30 Prozent. Wir erweitern deshalb unser Netz und erhöhen fortlaufend die Geschwindigkeit, Verfügbarkeit und Kapazität“, sagt Abdu Mudesir, Vorstand für Technologie und Innovation der Deutschen Telekom. „Unser Mobilfunknetz ermöglicht es Menschen, jederzeit und überall miteinander zu kommunizieren. Es bildet das Rückgrat für eine moderne, digitale Gesellschaft. Davon profitiert heute auch Metzingen.“

Die Deutsche Funkturm baut den Mobilfunkmast im Auftrag der Telekom. „Metzingen bekommt einen modernen und zukunftsfähigen Mobilfunkstandort. In erster Linie werden Kundinnen und Kunden der Telekom von unserem Mast profitieren, wir bieten unseren Standort aber auch allen anderen Mobilfunkanbietern an, sodass keine zusätzlichen Masten errichtet werden müssen“, sagt Bruno Jacobfeuerborn, Geschäftsführer Deutsche Funkturm. In der Regel geht eine Mobilfunkstation sechs bis zwölf Monate nach dem Bau in Betrieb.

Die Deutsche Funkturm baut und betreibt die Mobilfunkstandorte der Telekom. Aktuell betreibt die Telekom mehr als 36.000 Mobilfunkstandorte.

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