Sehnsucht nach Liebe

Fantasy Bei Guillermo del Toro sind Monster die besseren Menschen. Mit „Frankenstein“ erreicht der mehrfache Oscar-Preisträger nahezu Marvel-artige Maßstäbe.

Es gibt Fälle, da können selbst große Hollywood-Schauspieler an einem Film beteiligt sein – aber der eigentliche Star ist der Regisseur. Guillermo del Toro ist so ein Fall. Der dreifache Oscar-Preisträger hat mit seinen düster-fantasievollen Märchen („Pans Labyrinth“, „The Shape of Water“) eine riesige Fangemeinde.

Und so war es auch del Toro, der bei der Premiere in Venedig den größten Jubel bekam. Dass er mit Jacob Elordi und Oscar Isaac in den Hauptrollen und Christoph Waltz in einer Nebenrolle einen berühmten Cast versammelt hat, wurde bei den Filmfestspielen fast zur Randnotiz.

In „Frankenstein“ kommt die Gothic-Ästhetik del Toros wieder stark zur Geltung. Der Film hat eine opulente Optik mit aufwendig in Handarbeit gefertigten Filmsets. Es ist wohl das bombastischste Werk, das del Toro bislang vollbracht hat. Berichten zufolge kostete der Netflix-Film 120 Millionen Euro.

Aufnahmen einer Weitwinkelkamera und Farbfilter sorgen dafür, dass der zweieinhalb Stunden lange Film besonders prächtig leuchtet. Das Geschehen spielt in einem Schloss, auf See oder im Labor. Wie die Kostüme sind auch die bis ins Detail liebevoll gestalteten Setdesigns bemerkenswert.

„Frankenstein“ ist die Essenz all dessen, was del Toro ausmacht: seine Liebe zu Monstern, seine Empathie für das vermeintlich Böse – das sich bei näherem Blick als das eigentlich Gute offenbart –, seine Faszination für das Zusammenspiel von Schönheit und Verfall. Gleichzeitig treibt er es diesmal so weit, dass der Film in seiner Opulenz und emotionalen Wucht fast etwas Marvel- oder Disneyhaftes bekommt – ein düsteres Märchen in Hochglanz, zwischen Grusel, Romantik und Pathos.

Mary Shelley veröffentlichte ihren Roman „Frankenstein“ 1818 (zunächst anonym). Sie erzählt von dem Wissenschaftler Victor Frankenstein, dem es gelingt, einen künstlichen Menschen zu erschaffen, der dann aber die Kontrolle über seine Kreatur verliert.

Bei del Toro verkörpert Oscar Isaac („Dune“, „Ex Machina“) den Wissenschaftler. Der 46-Jährige porträtiert Frankenstein als ebenso charismatischen wie arroganten Strippenzieher, eine Art irrlichternden Rockstar.

Guillermo del Toro erzählt die Geschichte als emotionales Drama. Das Monster, gespielt von „Saltburn“-Star Elordi, ist alles andere als monströs – sondern ein sensibles, sehnsuchtsvolles Wesen. Ein Wesen, das vergeblich nach Liebe sucht. Doch nachdem nicht nur Victor, sondern auch (fast) die gesamte Gesellschaft es ablehnt, wird es zerstörerisch und wendet sich gegen seinen Schöpfer.

Vater und Sohn

Del Toro fokussiert sich auf die Beziehung zwischen Victor und seinen Eltern. Frankensteins Vater wird als dominant und wenig fürsorglich dargestellt – was Victors Ehrgeiz, seine Suche nach Anerkennung, aber auch seine Gefühllosigkeit erklärt. „Für mich ist es ein Familienfilm“, sagte del Toro. „Es ist eine Geschichte darüber, Vater und Sohn zu sein.“

Eine Art kindliche Neugier hat auch Elordi seiner Darstellung des Monsters verliehen. Der 28-Jährige erzählt, er habe für die Vorbereitung Stummfilme des deutschen Schauspielers Emil Jannings (1884-1950) studiert. Und er habe versucht, sich vorzustellen, wie es wäre, alles zum ersten Mal zu erleben – wie das Monster es tut. „Wenn du darüber nachdenkst, wie sich frische Erde unter deinen Füßen beim ersten Mal anfühlt (...). Wie fühlt sich Wasser an, wenn du es zum ersten Mal berührst?“

„Frankenstein“, USA 2025, 150 Min., FSK 16, von Guillermo del Toro, mit Jacob Elordi, Oscar Isaac, Christoph Waltz

Die dunklen Stunden eines Stars

Musik Jeremy Allen White verkörpert Springsteen als verletzlichen „Boss“, während sein Album „Nebraska“ entsteht.

Berlin. Bruce Springsteen wollte sein Leben nicht in einem typischen Biopic sehen. So sagt es der Regisseur des Films über den „Boss“ mit „The Bear“-Star Jeremy Allen White. Zum Glück hat er sich dies zu Herzen genommen.

Statt eines klassischen Karriererückblicks erzählt „Springsteen: Deliver Me From Nowhere“ von der wohl düstersten Episode aus Springsteens Leben und der Entstehung seines Albums „Nebraska“. Vor dem durchschlagenden Erfolg seines Hits „Born In The U.S.A.“ durchlebte der Sänger eine Phase von Schuldgefühlen und Selbstzweifeln, kämpfte gegen eine tiefe Depression. In dieser Zeit schrieb er „Nebraska“.

An dieser Schwelle setzt der Film – eine Adaption des Buches „Deliver Me From Nowhere“ von Warren Zanes – an. Regisseur Scott Cooper lässt ihn 1981 spielen, als Springsteen von der „The River“-Tour in seine Heimat New Jersey zurückkehrt. In einer der ersten Einstellungen sieht man Jeremy Allen White, wie er energiegeladen auf der Bühne „Born to Run“ performt. Doch die Stimmung schlägt um. Während die Plattenfirma schnell die nächsten Hits nachliefern will, gerät der Sänger in eine Spirale innerer Krisen. Sein Manager Jon Landau (stark: „Succession“-Schauspieler Jeremy Strong) versucht zu vermitteln. Schließlich zeichnet Springsteen in einem Schlafzimmer mit Gitarre, Mundharmonika und einem Vierspur-Tonbandgerät die Songs für „Nebraska“ auf. Sie handeln von Außenseitern und Gesetzlosen in den USA und von seiner Kindheit.

Cooper kehrt die Verletzlichkeit eines jungen Mannes nach außen, der sich letztlich dazu entscheidet, in Therapie zu gehen und damit ein universelles Thema adressiert: mentale Gesundheit. Das macht den zweistündigen Film zu einem intimen und unaufgeregten Künstlerporträt, das nicht nur eingefleischte Fans ansprechen dürfte.

„Springsteen: Deliver Me From Nowhere“, USA 2025, 120 Min., FSK 12

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