Grüne in Reutlingen fordern Wildtierverbot in Zirkussen

  • Der Circus Roncalli hat Tiere aus dem Programm genommen und setzt stattdessen auf Hologramme. Foto: dpa/Christian Charisius (Symbolfoto)

Reutlingen Die Gemeinderatsfraktion fordert von der Stadt, kommunale Flächen nur an Betriebe ohne Wildtiere zu vermieten. Doch dafür fehlt die Rechtsgrundlage.

Es war eine bewusste Entscheidung, die Familie Sperlich im vergangenen Jahr getroffen hatte. Die Zirkusfamilie hatte die drei Elefantendamen Mala, Baby und Yumba ins Programm des Reutlinger Weihnachtscircus aufgenommen und somit nach einigen Jahren wieder Wildtiere in die Manege auf der Kreuzeiche gebracht.  „Es war die Überlegung, ob wir uns der Kritik stellen möchten oder nicht. Und wir haben uns dafür entschieden“, sagte Andrea Sperlich damals. Wie erwartet, polarisierte diese Entscheidung.

Auf der Wiese neben der Manege blieben Eltern mit den Kindern stehen, bestaunten die Elefanten und freuten sich darüber, diese aus der Nähe erleben zu können. Doch auch die Kritik fiel heftig aus. Mehrere Demos, unter anderem von PETA, machten vor den Vorstellungen darauf aufmerksam, dass Wildtier-Darbietungen nicht mehr zeitgemäß sind. „Wildtiere kann man nur mit Gewalt dressieren – nicht mit Leckerlis“, betonte Dr. Yvonne Würz, Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche bei PETA, damals gegenüber der SÜDWEST PRESSE.

Schutz für Tier – und Mensch

Auch andere Zirkusse, die in Reutlingen Station machen, haben immer wieder Tiere in ihrer Show. Zumindest für Wildtiere soll damit Schluss sein, fordert die Gemeinderatsfraktion der Grünen. Bereits im März hatte sie einen entsprechenden Antrag gestellt: Kommunale Flächen sollen von der Stadt künftig nur noch an Zirkusbetriebe vermieten werden, die keine Wildtiere mitführen.

Hierunter fallen insbesondere Elefanten, Flusspferde, Giraffen, Großbären, Großkatzen, Nashörner, Primaten und Wölfe. „Tierleid in Zirkussen muss ein Ende haben. Wildtiere artgerecht zu halten, insbesondere in Zirkussen, ist unmöglich und deshalb immer Tierquälerei. Nicht selten weisen Tiere in Zirkussen starke Verhaltensstörungen als Folge der schlechten Haltungsbedingungen auf“, schreiben Eleanor Weber, Karsten Amann und Katharina Ernst in ihrem Antrag.

Dabei ist die Vermeidung von Tierleid ein wichtiger Aspekt, aber nicht der einzige. Die Haltung von Wildtieren sei gefährlich und „Ausbrüche von Elefanten, Tigern oder Bären aus Zirkussen sind vielfach dokumentiert“, so die Grünen. Laut der Fraktion brachen zwischen 2009 und 2019 mindestens 25 Mal Elefanten aus Zirkusbetrieben in Deutschland aus oder liefen unbeaufsichtigt umher. Dabei wurden mindestens fünf Menschen bei Unfällen mit Elefanten zum Teil schwer verletzt. 2015 wurde eine Person in Buchen von einem Elefanten aus einem Zirkus getötet.

Stadt vom Bund abhängig

Doch wie bereits im vergangenen Jahr, als die Diskussion über die Elefanten im Reutlinger Weihnachtscircus aufkam, sieht sich die Stadt nicht in der Pflicht, Wildtiere zu verbieten. Oder eher: ihr fehlt schlicht die rechtliche Grundlage. „Wildtierverbote fallen wegen der mit ihnen einhergehenden Regelung zur Berufsausübung in die Zuständigkeit des Bundes, sind wegen fehlender Rechtsgrundlagen jedoch derzeit unzulässig“, schreibt die Verwaltung um Ordnungsamtsleiter Albert Keppler jetzt in ihrer Antwort an die Grünen-Fraktion.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hatte 2021 eine Tierschutz-Zirkusverordnung entworfen, mit der das Ministerium das Zurschaustellen bestimmter Tiere an wechselnden Orten verbieten wollte. Davon wären folgende Tierarten erfasst gewesen: Giraffen, Elefanten, Nashörner, Flusspferde, Primaten und Großbären. Außerdem hätte die Verordnung Anforderungen an die Haltung, den Transport und das Training von Zirkustieren gestellt und eine Erlaubnispflicht für die Schaustellung normiert. Der Bundesrat hatte diese Verordnung jedoch abgelehnt, sodass sie nicht in Kraft trat.

Die Diskussion über Wildtiere in Zirkussen sei „damit sicher noch nicht an ihr Ende gelangt“, erklärt Keppler weiter. „Die Stadtverwaltung wird die Entwicklung weiterhin sorgfältig beobachten, bei einer Veränderung der rechtlichen Lage den Gemeinderat informieren und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.“

Shows mit Hunden und Ziegen

Und der Reutlinger Weihnachtscircus? Dort werden in dieser Saison keine Elefanten auftreten. Die Elefantendamen Mala, Baby und Yumba sollten nun, wie vor einem Jahr angekündigt, im Zoo in Hannover sein. Dennoch sagt Andrea Sperlich im Gespräch mit unserer Zeitung am Montagabend: „Wir würden unsere Entscheidung wieder so treffen. Wichtig ist für uns, dass Tiere gut gehalten werden und wenn das der Fall ist, werden wir weiter mit Tieren arbeiten.“

In der Manege auf der Kreuzeiche werden deshalb erneut Tiere zu sehen sein, nämlich vor allem Hunde und Ziegen. In den Shows des Weihnachtscircus vom 19. Dezember bis zum 6. Januar wird Familie Igen mit einer Tierrevue auftreten. Die Diskussion darüber, welche Tierdarbietungen von der Gesellschaft als in Ordnung betrachtet oder eben missachtet werden, ist laut Andrea Sperlich schwierig. „Vögel kann man beispielsweise gar nicht artgerecht halten, auch nicht im privaten Haushalt.“

Wichtig ist für uns, dass Tiere gut gehalten werden und wenn das der Fall ist, werden wir weiter mit Tieren arbeiten. Andrea Sperlich, Reutlinger Weihnachtscircus

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