Gesellschaft Was früher in der Familie passierte, wird immer häufiger in die Schule ausgelagert: Erziehung. Weil das mittlerweile auch im ländlichen Schrozberg so ist, gibt es künftig mehr Schulsozialarbeit.
Nachdem die Schulsozialarbeiterinnen Judith Hinderer und Sheila Osswald in der jüngsten Schrozberger Gemeinderatssitzung ausführlich dargelegt hatten, auf welchen Baustellen sie tagtäglich mit welchen Werkzeugen unterwegs sind, konnte es eigentlich keine zwei Meinungen zum Sinn ihrer Tätigkeit geben. Entsprechend einstimmig kamen die Stadträtinnen und Stadträte einem dringenden Wunsch von Schule und Verwaltung nach: Der Stellenumfang für die Schulsozialarbeit wird zum 1. Januar 2026 um weitere 25 Prozent aufgestockt – auf 1,5 Stellen. Sowohl Hinderer als auch Osswald haben dann eine 75-Prozent-Stelle.
Das hängt mit deutlich steigenden Schülerzahlen zusammen, einerseits. „Wir werden demnächst wieder eine durchgängig dreizügige Grundschule haben“, betonte Bürgermeisterin Jacqueline Förderer. Aber es liegt eben auch an viel größerem Beratungsbedarf. Noch einmal Förderer: „Wir brauchen immer mehr Schulsozialarbeit. Diese Entwicklung ist leider auch bei uns auf dem Land angekommen.“
Immer jünger, immer länger
Ein zentrales Thema ist heutzutage natürlich die Mediennutzung, wie aus dem Vortrag der beiden Fachkräfte hervorging. Immer jünger sind Kinder, die Smartphones nutzen, immer länger hängen sie am Bildschirm und werden dort mit nicht kindgerechten Inhalten konfrontiert, immer spürbarer leidet die Konzentrationsfähigkeit. Mobbing im virtuellen Raum ist ein wachsendes Problem – und ein entgrenztes noch dazu. Zufluchtsorte gibt es nicht mehr, das Handy ist ja überall dabei. Umso wichtiger, dass betroffene Schülerinnen und Schüler Vertrauenspersonen haben, an die sie sich wenden können.
Auch Elternberatung steht auf der To-do-Liste der Schulsozialarbeiterinnen. Überforderung, allgemeine Erziehungsfragen, Existenzängste, der Umgang mit Diagnosen wie ADHS und Autismus oder die Angst vor Schulversagen der Kinder – solche Dinge seien es, mit denen Erziehungsberechtigte zu ihnen kämen, berichtete Sheila Osswald. Und natürlich stehe man auch mit den Lehrkräften in ständigem Austausch.
Die Schulsozialarbeiterinnen stellten eine Vielzahl an Angeboten vor, die sie der Schulgemeinschaft machen – von der Prüfungsvorbereitung über Bewerbungstraining, polizeiliche Prävention, Fake-News-Schulung, Mobbingprävention und Sozialtraining, bis hin zur Gestaltung von Elternabenden zum Thema Medien; unter vielem anderem – und neben dem Kerngeschäft, nämlich der konkreten Betreuung einzelner Kinder und Jugendlicher bei Schulproblemen jedweder Art. „Die individuelle frühzeitige Unterstützung ist ganz wichtig“, betonte Judith Hinderer. „Wir versuchen, Brände zu löschen, bevor überhaupt jemand Rauch sieht.“
Dass es im Schul- und Erziehungssystem derzeit allerhand Schmorbrände gibt, wurde im Gespräch mit den Stadträtinnen und Stadträten, zu dem auch Schulleiterin Stefanie Korder stieß, allzu deutlich. Von Streitigkeiten in der Grundschule, die heute häufiger als früher mit Gewalt gelöst würden, war da die Rede; von einem Drittel der Kinder, die schlechtes Deutsch sprächen; von immer mehr Schülerinnen und Schülern mit Mehrfachbelastungen; von stark wahrgenommenem Leistungsdruck bei gleichzeitig nicht gestiegenen Anforderungen. „Wir züchten ganz viele kleine Individualisten, die auch viel weniger Anforderungen an sich selbst stellen“, so die alarmierende Botschaft der Schulleiterin.
Zusätzliche Herausforderung
Eine zusätzliche Herausforderung entsteht in Schrozberg durch die (mindestens vorübergehende) Schließung der Erich-Kästner-Förderschule in Blaufelden. Die Anzahl der inklusiv beschulten Kinder habe sich fast verdoppelt, sagte Korder. Mittlerweile seien es 27 Kinder in der Sekundarstufe von Klasse 5 bis 8. Das sei ein „Riesenbrocken“. Finanziell abgegolten werde es aber nur rudimentär, so Bürgermeisterin Förderer: „Pro Schüler kriegen wir 20 Euro im Monat mehr.“
Judith Hinderer und Sheila Osswald warben vor all diesen Hintergründen erfolgreich für ein Plus bei der Schulsozialarbeit. „Die Schule wird einfach immer mehr zum Lebensort, Erziehung wird zunehmend outgesourct“, lautete Osswalds zentraler Befund. Und Hinderer unterstrich: „Die Entlastung der Lehrkräfte liegt uns am Herzen. Damit sie sich auch mal wieder aufs Unterrichten konzentrieren können.“