Liebesbetrug im sozialen Netz

  • Für seine betrügerischen Machenschaften bei der Kennenlern-App „Meet5“ nutzte der vermeintliche „Edward“ ein persönliches Bild des amerikanischen TV-Moderators und Journalisten Michael Andre Moreau. Foto: Charlotte Braig (Screenshot)

Betrug Unkompliziert Kontakte knüpfen – mit dieser Absicht hat sich eine 60-jährige Frau aus dem Altkreis Crailsheim in einem sozialen Netzwerk angemeldet. Dann macht sie unangenehme Erfahrungen.

Im Sommer erstellt die 60-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, ein Profil bei „Meet5“, einer App zum Kennenlernen neuer Leute. Diese setzt vor allem auf Gruppentreffen und wird nicht zuletzt deshalb von unterschiedlichen Usern im Netz recht positiv bewertet. Übers iPhone lädt die Rentnerin die App herunter, erstellt mithilfe einer E-Mail-Adresse ein Profil mit Bild und einigen Informationen über sich selbst. Unter anderem gibt sie ihren Berufsstand und einige persönliche Interessen an.

Da sie auch eine kostenpflichtige sogenannte „Premium-Mitgliedschaft“ über sechs Monate abgeschlossen hat, kann sie selbst andere Mitglieder des Netzwerks anschreiben und nutzt diese Möglichkeit. Erste Kontakte entstehen. Doch dann erhält sie selbst Nachrichten, die ebenso unerwartet wie unerwünscht sind: Ein nach eigenen Angaben 59-jähriger Mann, der sich „Edward“ nennt und sich als Militärarzt ausgibt, schreibt die 60-Jährige an. Die Rentnerin fühlt sich bedrängt, nicht zuletzt auch, weil der Mann sofort Kontakt über WhatsApp will. Sie versucht, ihn verbal abzuwehren. Doch „Edward“ lässt erst locker, als sie ihm mit einer Anzeige droht. Sein Profil verschwindet aus dem Netzwerk; es folgen aber weitere, ähnliche Nachrichten von einem anderen Profil.

Verärgert, enttäuscht und nicht zuletzt auch etwas verängstigt angesichts solch geballter maskuliner Aufdringlichkeit entschließt sich die Hohenloherin zum Rückzug. Sie löscht ihr Profil und denkt auch daran, ihre Mitgliedschaft zu kündigen. Denn dies, so steht es unter den „FAQ“ der App, muss gesondert erfolgen; das Löschen des Profils reicht allein nicht aus, um die Plattform wirklich zu verlassen.

Die 60-Jährige betrachtet die Angelegenheit als erledigt – ein Irrtum, wie sich herausstellt. Denn kurz nachdem sie ihr Profil gelöscht und dies auch einer neu gewonnenen Bekannten mitgeteilt hat, erfährt sie von dieser: Das Profil ist immer noch da. Es braucht mehrere Anfragen beim Support, bis das Profil der 60-Jährigen dort nicht mehr sichtbar ist. Der Vorfall habe sie sehr verunsichert, sagt die Rentnerin.

Wie sich im Nachhinein herausstellt, hat „Edward“ auch etliche andere Frauen über die App kontaktiert. Eine von ihnen hat über die Rückwärtssuche das verwendete Bild gefunden – es gehört dem amerikanischen TV-Moderator und Journalisten Michael Andre Moreau, der schon mehrfach, auch auf Facebook, Opfer von Identitätsdiebstahl wurde.

Fälle von Love-Scamming sind in sozialen Netzwerken keine Seltenheit. Das Polizeipräsidium Aalen, zuständig für die Landkreise Schwäbisch Hall, Ostalb und Rems-Murr, verzeichnet für 2023 vier Fälle. 2024 waren es 62 – dabei, so berichtet Pressesprecher Jonas Ilg, seien auch Auslandsstraftaten mit berücksichtigt. Eine Zuordnung der Fälle zu einzelnen Landkreisen sei nicht möglich. Auch im laufenden Jahr seien bereits Fälle zur Anzeige gebracht worden.

Keine Anzeige erstattet

Die Frau aus dem Raum Crailsheim hat keine Anzeige bei der Polizei erstattet. Auch die anderen Frauen aus ihrem Umfeld, die „Edward“ angeschrieben hat, haben darauf verzichtet. Insgesamt sei die Dunkelziffer „in diesen Deliktsbereichen sehr hoch“, weiß Ilg. Unter anderem sei Scham ein Grund dafür, dass die Opfer schweigen.

Dabei sei die Anzeige solcher Betrugsfälle bei der zuständigen örtlichen Polizeibehörde durchaus sinnvoll, so der Polizeihauptkommissar: „Grundsätzlich kann die Polizei nur tätig werden, wenn sie Kenntnis von einer Straftat erhält. Auch Kriminalitätsschwerpunkte können nur erkannt werden, wenn Straftaten zur Anzeige gebracht werden.“ Und es werden durchaus Täter erwischt: „Bei den Fällen, bei denen die Taten aus Deutschland heraus begangen wurden, lag die Aufklärungsquote in beiden Jahren bei über 50 Prozent. Bei den Fällen, bei denen Täter aus dem Ausland agierten, ist die Aufklärungsquote bedeutend geringer und liegt bei etwa 5 Prozent.“

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