Aufbruchstimmung ist weg
Wirtschaft Der Konjunkturindex fällt, die Unternehmen haben zu kämpfen. Die IHK Schwaben fordert entschlossene Strukturreformen.
Es sind bewegte Zeiten“, stellte Oliver Stipar, IHK-Regionalgeschäftsführer für Westschwaben bei der Vorstellung der Konjunkturumfrage 2025 fest. „Wir haben dicke Bretter zu bohren, was die strukturellen Probleme angeht in Deutschland, die inzwischen auch auf Neu-Ulm durchschlagen.“ Nach einer kurzen Phase der Aufbruchsstimmung zu Jahresbeginn seien die Erwartungen in der Neu-Ulmer Wirtschaft wieder deutlich gedämpft. Der regionale IHK-Konjunkturindex fällt auf 105 Punkte und liegt damit unter dem Mittelwert der vergangenen zehn Jahre. Nur noch 28 Prozent der Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als gut – im Frühjahr waren es noch 42 Prozent gewesen.
Die Erwartungen für die kommenden Monate sehen wenig optimistisch aus: Lediglich elf Prozent der befragten Betriebe hoffen derzeit auf eine Verbesserung der Lage. Positiv sticht jedoch der Sektor der produktionsnahen Dienstleistungen hervor, der traditionell überdurchschnittlich zur regionalen Wertschöpfung beiträgt. Auch die Bauwirtschaft, lange Zeit Sorgenkind der Region, zeigt erstmals seit Jahren zarte Erholungstendenzen: „Angekündigte Investitionen machen Hoffnung, dass sich die Situation im Baugewerbe etwas erholt“, folgert Oliver Stipar.
Dennoch: Die Trendwende ist fragil und hängt von der weiteren wirtschaftspolitischen Entwicklung ab. Die größten Herausforderungen benennen die Unternehmer klar: Überbordende Bürokratie, hohe Arbeits- und Energiekosten sowie eine verhaltene Inlandsnachfrage setzen die Betriebe unter Druck.
Bei den Umfragen zeigte sich, dass die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen über alle Branchen hinweg als größtes Risiko gesehen werden. Alexander Kulitz, Mitglied der Geschäftsleitung der Firma Esta und stellvertretender IHK-Regionalvorsitzender, kritisiert vor allem die Vielzahl neuer Gesetze und Vorgaben: „Wir müssen mehr Mitarbeiter einstellen, nur um Dokumentations- und Transparenzpflichten zu erfüllen, die dem Unternehmen nichts bringen. Das führt zu hohen Kosten und schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit.“
63 Prozent der Unternehmen, die bei der IHK-Konjunkturumfrage mitgemacht haben, sehen in diesen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen das größte Hindernis, gefolgt von schwacher Inlandsnachfrage (62 Prozent) und hohen Arbeitskosten (55 Prozent). Auch Energiepreise und Fachkräftemangel erschweren für die IHK-Mitglieder weiterhin das wirtschaftliche Umfeld. „Wir hatten uns von der neuen Regierung gewünscht, dass schnell was passiert. Es ist zwar etwas passiert, aber nur symbolpolitisch. Schöne Reden helfen uns wenig. Die Hütte brennt, und wir versuchen, mit der Pipette das Feuer zu löschen, das wird nicht mehr lang funktionieren“, stellt Alexander Kulitz fest. Er fordert schnelle Strukturreformen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region und Deutschlands insgesamt zu sichern.
Die IHK weist darauf hin, dass die wirtschaftliche Stagnation sich auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen könnte. Zwar ist die Arbeitslosenquote momentan mit 3,2 Prozent vergleichsweise niedrig, doch entstehen laut der Kammer neue Stellen fast nur noch im öffentlichen Sektor. In der Privatwirtschaft herrscht Zurückhaltung bei Neueinstellungen. „Viele Unternehmen halten ihre Arbeitskräfte nur noch mit großem Kraftaufwand“, so Andreas Knittel, Geschäftsführer eines regionalen Entsorgungsbetriebs und Vorstandsmitglied der IHK-Regionalversammlung. Die Zahl der befragten Betriebe, die einen Stellenabbau erwarten, übersteigt inzwischen die der Unternehmen mit Einstellungsplänen. Die IHK führt außerdem an, dass der demografische Wandel, der die Zahl der Erwerbspersonen sinken lässt, die tatsächlichen Belastungen am Arbeitsmarkt verdeckt.
Unsichere Perspektiven für 2026
Die IHK stuft die aktuelle Entwicklung als ernste Gefahr für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit der Region ein. Auch die weiteren Aussichten sehen für die Industrie- und Handelskammer nicht viel optimistischer aus: Viele der befragten Unternehmen kämpfen mit großer Unsicherheit, auch aufgrund geopolitischer Risiken wie dem Ukrainekrieg. „Sollte sich hier eine Lösung abzeichnen, könnten sich zwar schnell wieder neue Märkte und Chancen eröffnen – doch derzeit bleibt dies reine Spekulation“, so Kulitz.
Die Hütte brennt, und wir versuchen, mit der Pipette das Feuer zu löschen. Alexander Kulitz Geschäftsleitung Firma Esta