Rad oder Auto in der Stadt?

  • Unter anderem hier, in der Kasernstraße, sollen Radler in Neu-Ulm künftig Vorrang haben. Foto: Niko Dirner

Verkehr Es sollte eigentlich nur um die Ausweisung einer weiteren Fahrradstraße in Neu-Ulm gehen. Doch schnell entstanden zwei Lager im Stadtrat. Sie führten eine Grundsatzdebatte.

Alpay Artun meldete sich irgendwann mit dem Zwischenruf, er befinde sich offenbar in einem „Paralleluniversum“, wenn er durch Neu-Ulm radle. Dem Stadtrat der Grünen war aufgestoßen, was Vertreter der CSU von sich gegeben hatten. Es gebe doch schon ein Radwegenetz – und: Die Innenstadt sollte mit anderen Fahrzeugen erreichbar sein als mit Fahrrädern, postulierte etwa CSU-Mann Bernhard Maier und wandte sich damit gegen die zur Debatte stehende Fahrradstraße Stadtmitte. Letztlich war überraschenderweise eine klare Mehrheit bei nur drei Gegenstimmen dafür, dass die Verwaltung die in einem langen Beteiligungsprozess ausbaldowerte Kompromissvariante für diese Fahrradstraße weiterplant.

Allerdings wurde der Beschluss unter einen Haushaltsvorbehalt gestellt: Sollte die Stadt die 400.000 Euro, die dank Zuschüssen auf netto 100.000 Euro zusammenschrumpfen sollen, nicht aufbringen können, wäre das Projekt sowieso erstmal erledigt. Und die Stadt hat ja tatsächlich ein Finanzproblem.

Vorhaben zurückgestellt

Besagte Fahrradstraße soll sich zwischen der Eckstraße beim Amtsgericht bis zum Hallenbad an der Kantstraße erstrecken. Diese Planung hat mehrere Knackpunkte, etwa die Querungen von drei Hauptverkehrsachsen, also der Reuttier Straße, der Ludwigstraße und der Hermann-Köhl-Straße. Dort soll die Fahrradstraße unterbrochen werden, mit Ampeln und Aufstellflächen für die Räder. Lange diskutiert wurde auch über die Verkehrsführung in der Friedenstraße zwischen Hermann-Köhl-Straße und Ludwigstraße: Dort soll nun eine Einbahnstraße für Autos gen Osten eingerichtet werden. Neu im Vergleich zu April ist, dass nur 30 statt rund 50 Parkplätze an der Route entfallen sollen. Vor allem zwischen Reuttier Straße und Kantstraße wurden nach Kritik der Anwohner die Pläne angepasst: Dort müssen nur 15 (statt 26) der 83 Stellflächen gestrichen werden.

Eigentlich hätte das Vorhaben bereits im April beschlossen werden sollen, wurde aber auf Antrag der CSU bis zu den Haushaltsberatungen zurückgestellt. Schon damals kam der Verdacht auf, dass es den Christsozialen nicht nur ums Geld geht. Tatsächlich ließ Maier durchblicken, dass er und andere in der Fraktion schon auch inhaltliche Bedenken haben. Er mahnte „gründlichere Abwägungsprozesse“ an, in welchen auch die Bedürfnisse der Autofahrer berücksichtigt werden – und fragte rhetorisch in die Runde, ob es wirklich die Prämisse der Stadt sein sollte, dem motorisierten Individualverkehr das Fortkommen in Neu-Ulm zu erschweren. Zumal, wie Rico Hillmann (ebenfalls CSU) ergänzte, ja irgendwann nur noch Fahrzeuge mit Elektroantrieb unterwegs sein sollten. Patrick Bais (JU) sprach von einem „Luxusprojekt“.

Unter anderem Tilman Hirth von den Gründen widersprach vehement: „Ich würde ein großes Fragezeichen hinter die Behauptung machen, man könne bald in Neu-Ulm mit dem Auto nicht mehr überall hinfahren.“ Als radelnder Innenstadtbewohner kenne er den fraglichen Straßenzug und könne gut einschätzen, dass dort auch nach Einrichtung einer Radstraße noch Fahrzeuge bewegt werden können. „Wir wollen doch das Radeln attraktiver machen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten.“

Andreas Schuler (FWG) fand den gefundenen Kompromiss – den etwa Rudolf Erne (SPD)  sowie Siegfried Meßner (Pro) für gelungen hielten – für die Fahrradstraße nicht weitgehend genug: „Radfahrer müssen immer Umwege fahren. Das ist der falsche Ansatz.“ So werde es nicht klappen, den Anteil der Radler am Verkehrsaufkommen auf 20 Prozent zu steigern. Die FWG sei dafür, auf der Auto-Fahrbahn von Burlafingen bis zum Donaubad einen Schutzstreifen zuweisen. Daraus könnten sich vielleicht am Augsburger Tor ein paar Einschränkungen für die Fahrzeuge ergeben. „Aber wenn wir 20 Prozent erreichen wollen, können wir es nicht allen recht machen.“

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