Studie: Werden Klimaziele nicht erfüllt, droht eine Klagewelle
Umweltpolitik Die EU streitet über den Abbau des Schadstoffausstoßes und verliert selbstgesteckte Vorgaben aus den Augen. Das könnte juristische Konsequenzen haben.
Brüssel. Die EU sieht sich als Vorreiterin im Kampf gegen den Klimawandel, allerdings ist sie selbst kein allzu gutes Vorbild. Wenige Wochen vor der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém (COP30) kann sich die Union nicht auf gemeinsame Klimaziele einigen.
Nun haben die Grünen im Europaparlament eine Studie zur Rechtslage in Auftrag gegeben. Das Fazit ist eindeutig: Würde die EU ihre geplanten Klimaziele nicht einhalten, könnte eine Klagewelle auf alle Beteiligten zurollen. Das sei geradezu eine Einladung, vor Gericht zu ziehen, betont der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss. Die Staats- und Regierungschefs wollen Ende dieser Woche über die EU-Klimaziele beraten.
„Die Nichterreichung eines 2040-Ziels im Einklang mit internationalen und Menschenrechten würde zu erheblichen rechtlichen Risiken und Unsicherheiten führen“, heißt es in der Studie, die unserer Zeitung vorliegt. „Dies würde die EU und ihre Mitgliedstaaten potenziellen Haftungsrisiken gegenüber Drittländern aussetzen und Auswirkungen auf das europäische Rechtssystem haben.“ Erarbeitet wurde die Studie unter anderem von Roda Verheyen, eine auf Klimarechtsfragen spezialisierte Rechtsanwältin und Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht. Sie warnt, dass auch privaten Akteuren und Unternehmen Rechtsunsicherheit drohe, „wenn sie sich im Rahmen von Regulierungen, Geschäftsbeziehungen und Handelsabkommen nicht auf die Rechtmäßigkeit der EU-Ziele verlassen können“.
Frist der UN ist abgelaufen
Der Druck auf die EU, sich festzulegen, ist hoch. Ende September war eine Frist der Vereinten Nationen an alle Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens abgelaufen, ihre nationalen Klimaziele für 2035 zur Umsetzung des Abkommens zu überarbeiten und ehrgeiziger zu formulieren. Die EU-Kommission hat bis 2040 eine Emissionsminderung um 90 Prozent gegenüber 1990 vorgeschlagen, davon sollte ein Zwischenziel für 2035 abgeleitet werden.
Nachdem sich die EU-Staaten darauf nicht einigen konnten, wurde als Notlösung für 2035 eine Emissionsminderung um 66,25 bis 72,5 Prozent zugesichert. Anfang November wollen sich die EU-Umweltminister erneut mit dem Klimaziel für 2035 befassen und es knapp eine Woche vor Beginn der COP30 beschließen.
Michael Bloss nennt es „einfach nur peinlich“, wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ohne ein ehrgeiziges EU-Klimaziel nach Belém reisten. Er warf der Bundesregierung vor, aus ihren Reihen kämen derzeit „tägliche Angriffe auf die europäische Klimapolitik“. Gemeinsam mit anderen habe Deutschland eine Einigung auf EU-Ebene blockiert, das gefährde „die wirtschaftliche Planungssicherheit“.