Neue Chancen
In Bolivien gewinnt Mitte-Rechts-Kandidat Rodrigo Paz die Präsidentschaftswahlen. Das ist auch eine Chance für Deutschland und Europa.
Gemeinhin sind Wahlen in Bolivien kein großes Thema in den europäischen Nachrichten. Dabei hat der Erfolg des Christdemokraten Rodrigo Paz über den Wirtschaftsliberalen Tuto Quiroga durchaus geopolitische Bedeutung. Denn erstmals seit 20 Jahren wird in La Paz wieder ein Präsident ins Amt kommen, der dem Westen, Europa und Deutschland freundlich gegenübersteht. Das ist aus zweierlei Sicht wichtig: Erstens wird Bolivien künftig zum vollwertigen Mitglied im südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur aufsteigen und damit eine deutlich proeuropäischere Haltung einnehmen als die linken Vorgänger-Präsidenten Evo Morales oder Luis Arce.
Zudem ist Bolivien das lithiumreichste Land der Welt. Unmittelbar vor den Wahlen hatten die alten Mächte noch zwei hoch umstrittene Lithium-Verträge mit Russland und China in geheimer Abstimmung durch das Parlament gepeitscht. Mit Paz dürften aber auch westliche Investoren neue Chancen bekommen, um den für die Mobilitätswende so wichtigen Rohstoff zu erhalten. Für Deutschland könnte sich eine zweite Chance ergeben, nachdem ein früheres Joint Venture scheiterte.
Auf den neuen Präsidenten warten schwere Aufgaben: Im Land ist der Sprit knapp geworden, die Dollar-Reserven sind fast aufgebraucht, Bolivien steckt in einer veritablen Wirtschaftskrise. Die Implosion des Sozialismus bei den Wahlen verschafft Paz aufgrund möglicher Kooperationen in den Kammern eine Mehrheit, die notwendige Reformen möglich macht. Diesen Weg sollten Berlin und Brüssel unterstützen, auch weil Deutschland und Europa einen zuverlässigen Partner in Südamerika gut gebrauchen können.