Schwanger – und überhaupt nichts bemerkt?

  • Im Normalfall ist eine Schwangerschaft bei Frauen kaum zu übersehen. Foto: Caroline Seidel-Dißmannel/dpa

Gesundheit Ein seltenes Phänomen, das auch im Kreis Göppingen vereinzelt auftritt: Frauen sind unbemerkt schwanger. Wie ist das möglich? Welche Risiken birgt es?

Im März sorgte ein Fall aus Baden-Württemberg für bundesweite Schlagzeilen: Eine Frau legte ihr neugeborenes Baby in die Waschmaschine, wo das Baby kurze Zeit später starb. Vor Gericht gab die Mutter des Kindes an, sie habe nichts von der Schwangerschaft gewusst. Bei einer sogenannten „unentdeckten“ oder „kryptischen“ Schwangerschaft merkt die Frau nicht, dass sie ein Baby erwartet. Doch wie kann das sein? Und gibt es solche Fälle auch in Göppingen?

In einer Schwangerschaft ändert sich für Frauen vieles: Der Atem wird kürzer, der Appetit steigt, die Hormone spielen verrückt und der Körper legt an Gewicht zu. Es ist daher für die meisten Menschen unvorstellbar, dass man eine Schwangerschaft nicht bemerkt, doch es kommt immer wieder vor.

Das Hebammen-Team der Alb-Fils-Klinik in Göppingen bestätigt dies. „Eine unentdeckte Schwangerschaft ist eher die Ausnahme, die Zahl liegt unter drei bis fünf Gebärenden pro Jahr“, erklärt Lena Friedrich, stellvertretende Leiterin der Hebammen-Abteilung in der Alb-Fils-Klinik. Deutlich häufiger seien jedoch Schwangerschaften, die erst sehr spät entdeckt werden. Laut Friedrichs Wahrnehmung spielen dafür sowohl körperliche als auch psychische Faktoren eine Rolle – ebenso das Alter und der soziale Stand.

Mehrere Ursachen möglich

Die Ursachen für eine vielfältig sein. Eine Sprecherin der Pro Familia in Göppingen erklärt: „Es gibt Frauen, die so sehr nicht schwanger sein wollen, dass der Körper und der Kopf die Schwangerschaft regelrecht verdrängen.“ Häufig kommt dies vor, wenn die berufliche, finanzielle oder private Situation sich nicht mit einem Baby vereinbaren lassen. In diesen Fällen leiden die Betroffenen häufig an psychischen Erkrankungen, Traumata oder haben eine Behinderung.

Häufig werden auch typische Schwangerschaftssymptome falsch gedeutet: Übelkeit wird etwa als Magenproblem, Müdigkeit als Stress, eine Gewichtszunahme als Folge falscher Ernährung interpretiert. Auch Blutungen sind kein Ausschlusskriterium: Manche Frauen haben während der Schwangerschaft weiterhin Periodenblutungen. „Viele nehmen dann an, alles wäre normal“, merkt die Sprecherin von Pro Familia an. Dies betreffe vor allem Frauen, die schon ihr Leben lang unregelmäßige Regelblutungen haben.

Hinzu kommt, dass das offensichtlichste Anzeichen einer Schwangerschaft, der wachsende Babybauch, ebenfalls nicht immer deutlich sichtbar ist. Schlanke Frauen mit wenig Gewichtszunahme oder ohnehin kräftigere Frauen mit stabilem Körperbau bemerken oft keine große Veränderung. Fötale Bewegungen, also die Tritte des Babys, werden als Verdauungsbeschwerden wahrgenommen.

Risiken für Kind und Mutter

Eine unbemerkte Schwangerschaft kann erhebliche Risiken haben. „Das Konsumverhalten mit Zigaretten und Alkohol, aber auch der Verzehr von Jod und Folsäure während einer Schwangerschaft können gravierende Folgen für die Entwicklung eines Kindes haben“, meint Lena Friedrich. So fänden auch keine Voruntersuchungen beim ungeborenen Kind statt. Dies kann zur Folge haben, dass mögliche Komplikationen in der Schwangerschaft, wie beispielsweise eine Schwangerschaftsvergiftung, nicht erkannt werden.

Für die Mütter ist diese Situation belastend. Da keine Geburtsvorbereitung stattfindet, erleben viele Betroffene eine spontane Geburt als traumatisch. Die plötzliche Situation kann auch die emotionale Bindung zum Kind erschweren.

Eine Sprecherin von Pro Familia ergänzt: „Diese Frauen haben keine Gelegenheit, ihr Kind bei den Behörden anzumelden, Kurse zu besuchen oder Anträge zu stellen – hier können wir von der Pro Familia unterstützend helfen.“

Diese Frauen haben keine Gelegenheit, Kurse zu besuchen oder Anträge zu stellen. Sprecherin Fachverband Pro Familia

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