Wirtschaft weiter unter Druck, aber es gibt auch Lichtblicke

  • Die Firma Schlötter ist eine der letzten großen Fachfirmen für Galvanotechnik in Europa. Durch einen stärkeren Fokus auf das internationale Geschäft blickt das Geislinger Unternehmen optimistisch in die ­Zukunft. Foto: Markus Sontheimer

Konjunktur Viele Firmen im Kreis haben Bedenken, wie sich die Lage weiterentwickeln wird. Es gibt aber auch positive Stimmen.

Die wirtschaftliche Situation im Kreis bleibt laut IHK-Bezirkskammer Göppingen weiterhin ­herausfordernd. Eine spürbare konjunkturelle Erholung sei bislang ausgeblieben. Das zeige auch eine Sonderauswertung der aktuellen Konjunkturumfrage der IHK Region Stuttgart für den Landkreis Göppingen, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

Insgesamt 140 Firmen aus den unterschiedlichsten Branchen im Kreis nahmen an der Herbstumfrage teil. Während laut den Unternehmen einzelne Indikatoren stagnieren und der Auftragseingang leichte Erholungstendenzen zeigt, bewerten in der Umfrage nur noch 24 Prozent der Firmen ihre Lage als gut. Das sind vier Prozentpunkte weniger als noch im Frühsommer. 49 Prozent der Unternehmen sehen ihre Situation als befriedigend an. Rund 28 Prozent sogar als schlecht. Damit setze sich der seit 2021 be­obachtete Trend fort, aber es gebe auch Lichtblicke, so das Fazit der IHK.

„Die Stimmung in der Göppinger Wirtschaft ist derzeit spürbar gedrückt, doch die Unternehmen zeigen bemerkenswerte Resilienz“, erklärt die Präsidentin der IHK-Bezirkskammer Göppingen, Edith Strassacker. „Unsere Industrie kämpft mit schwacher Inlandsnachfrage, hohen Kosten und geopolitischen Unsicherheiten.“ Besonders der Handel meldet eine Verschlechterung der Lage, und auch die Dienstleistungsbranche zeigt erste Anzeichen von Schwäche. Gleichzeitig verweist Strassacker auf positive Entwicklungen, die Mut machen, wie das KI-Zentrum HIVE auf dem Göppinger Boehringer-Areal: „Der Kreis Göppingen steht mitten im industriellen Wandel – und genau darin liegt auch eine Chance.“ Strassacker mahnt dennoch zur Vorsicht: „Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, droht sich die schwierige wirtschaftliche Lage weiter zu verschärfen.“ Viele Betriebe halten trotz schwieriger Rahmenbedingungen an ihren Beschäftigten fest, stellen jedoch Investitionen zurück. „Das ist ein Warnsignal, das wir ernst nehmen müssen.“

Es gibt Beispiele von Unternehmen, die trotz der aktuellen Lage positiv eingestellt sind. So etwa die Geislinger Firma Schlötter. „Da Oberflächen in nahezu allen Industriebereichen zum Einsatz kommen und wir sehr international aufgestellt sind, können wir die deutlich spürbaren Umsatzrückgänge der vergangenen Jahre in Deutschland durch unser internationales Geschäft ausgleichen“, erklärt Geschäftsführer Michael Zöllinger. Das Geislinger Unternehmen entwickelt elektrochemische Verfahren zur galvanischen Beschichtung von Oberflächen und vertreibt die in Geislingen entwickelten Verfahren und die dafür notwendigen Galvanospezialchemikalien an internationale Industriekunden, erläutert er. Da es in der Branche in den vergangenen Jahren viele Fusionen und Käufe gegeben habe, sei Schlötter die letzte große Fachfirma für Galvanotechnik in Europa.

Der Geschäftsführer spüre zwar seit Jahren einen deutlichen Rückgang in diesem Bereich, stark getrieben durch die sehr schwache heimische Automobilindustrie. Durch einen stärkeren Fokus auf das internationale Geschäft, besonders in Asien, habe man jedoch durch deutlich wertschöpfendere Produkte im Elektronikbereich das Geschäft insgesamt verbessert, berichtet Zöllinger. „Wir sehen uns auch in Zukunft mit neuen innovativen Produkten aus unserer Entwicklung gut aufgestellt“, so der Geschäftsführer.

Auch andere Unternehmen in Geislingen sind trotz der IHK-Herbstumfrage guten Mutes. Die WMF spüre zwar, wie auch viele andere Firmen in der Region, die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen. Gleichzeitig sehe man jedoch auch, dass sich die Rahmenbedingungen für die Industrie deutlich verändert hätten und eine hohe Anpassungsfähigkeit gefragt sei. „Trotz dieser Entwicklungen bleiben wir zuversichtlich und arbeiten kontinuierlich daran, unsere Prozesse zu optimieren und unser Produkt- sowie Serviceangebot konsequent an den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden auszurichten“, sagt Stefanie ­Leiterholt, Geschäftsführerin bei der Groupe SEB WMF. In den Augen des Schlötter-Geschäftsführers Michael Zöllinger müsse die Politik den Firmen wieder mehr Sicherheit geben. Politische Kontinuität und Verlässlichkeit seien gefragt. „Wir können mit schwierigen Rahmenbedingungen klarkommen, aber wenn sich diese alle paar Jahre grundlegend ändern oder eine Änderung möglich zu sein scheint, dann werden viele Unternehmen warten, bis Klarheit herrscht, und zwar bevor eine Investitionsentscheidung gefällt wird“, sagt Zöllinger. So entstehe Stillstand und von dem habe man momentan ausreichend.

Mut und Zuversicht

Dennoch werde es in naher Zukunft schwierige Jahre des Wandels geben. „Egal welche politischen Entscheidungen getroffen werden, es wird nicht mehr werden wie vor fünf Jahren. Wir müssen uns darauf einstellen, Neues zu machen. Das Filstal hat solche strukturellen Veränderungen nicht nur einmal gemeistert“, so der Schlötter-Geschäftsführer.

Vor dem Hintergrund der angespannten Lage sieht die Präsidentin der IHK-Bezirkskammer Göppingen, Edith Strassacker, wiederum Überlegungen zu kommunalen Steuererhöhungen kritisch: „In dieser Situation wären zusätzliche Belastungen das falsche Signal und würden die wirtschaftliche Entwicklung im Kreis Göppingen weiter hemmen.“

Wir sehen uns auch in Zukunft mit neuen inno­vativen Produkten ­­­­gut aufgestellt. Michael Zöllinger Geschäftsführer Schlötter

In dieser Situation wären zusätzliche Belastungen das falsche Signal. Edith Strassacker Präsidentin IHK-Bezirkskammer

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