Kicker sollen Fußball und Job besser unter einen Hut kriegen

  • GSV-Funktionäre, Arbeitgeber und Spieler ziehen an einem Strang, um Job, Fußball und Familie besser zu vereinbaren (von links): Karl Vaihinger, Gianni Coveli, Marcel Schmidts, Levin Steinbrenner, Stephan Vomhoff, Paul Lambert und Alex Maier. Foto: Stadt Göppingen

Arbeitswelt Voll arbeiten, Training, Spiele: Für die Kicker des Göppinger SV ist das eine Herausforderung. Der Verein will hier gegensteuern.

Das Fußballer-Leben ist endlich. Es ist daher wichtig, für die Zeit danach vorzusorgen“ , sagt Marcel Schmidts. Der 31-Jährige jagt als Außenverteidiger beim Göppinger Sportverein dem Ball hinterher und arbeitet zu 50 Prozent in der Bauverwaltung der Stadt Göppingen. Er hat an der Hochschule für Technik in Stuttgart ein Bachelor-Studium in Infrastrukturmanagement abgeschlossen und arbeitete seit 1. Juli 2018 befristet auf Minijob-Basis beim Referat Straßen und Verkehr, weil der Fußball im Mittelpunkt stand. „Im Sommer haben wir den Übergang zu mehr Beschäftigung geschafft und eine gute, ordentliche Lösung hinbekommen“, meint der GSV-Kicker. Konkret bedeutet das, dass er seit 1. August 2025 einen unbefristeten Vertrag als Mobilitätsplaner beziehungsweise Verkehrsingenieur hat – mit größtmöglicher Flexibilität, um dem Training und den Spielen den notwendigen Raum geben zu können. Der Kontrakt beim GSV läuft über zwei Jahre.

Die Stadt Göppingen ist einer dieser Arbeitgeber, die den Spielern der ersten Mannschaft des Göppinger Sportvereins die Vereinbarkeit von Fußball (aktuell in der Oberliga), Beruf und Familie erleichtern wollen. Ein weiterer ist die Firma Lambert, das Unternehmen des GSV-Präsidenten Paul Lambert. Hier ist Innenverteidiger Levin Steinbrenner als Industriekaufmann in Vollzeit mit einer 40-Stunden-Woche beschäftigt – mit der Möglichkeit, zum Beispiel in englischen Wochen auch mal weniger zu arbeiten, inklusive Gehaltsverzicht: „Ich kann auch mal früher gehen, um nicht direkt von der Arbeit zum Training zu müssen“, nennt der 23-Jährige die Vorteile. Beide Arbeitgeber wollen Zugpferde sein und weitere Betriebe anspornen, den GSV-Fußballern Bedingungen zu bieten, um Sport und Job besser unter einen Hut zu bekommen. Bei einem Pressegespräch auf Einladung der Stadt haben die Verantwortlichen das innovative Arbeitszeitmodell vorgestellt.

Zweites Standbein neben Sport

„Die Idee entstand in der Regionalliga“, sagt Stephan Vomhoff vom GSV. Die Saison sei eine Herausforderung gewesen, weil die Spieler voll gearbeitet haben. Hinzu kamen das Trainingspensum und die Spiele, zum Teil auch mit weiter Anreise. „Wir haben uns gesagt: Wenn wir in die Regionalliga zurückkehren, dann wollen wir ein anderes Modell“, erklärt Vomhoff. „Und wir brauchen dazu Arbeitgeber, die die Wirkung des Sports wertschätzen.“ Sprich, die Spieler bei Bedarf freistellen, ihnen den Rücken freihalten. Vomhoff sagt ganz deutlich: „Ohne die Stadt hätte der Transfer von Marcel Schmidts nicht funktioniert.“ Schmidts kickte zuvor bei den Stuttgarter Kickers. Bei Levin Steinbrenner stellte sich die Situation etwas anders dar: „Es war noch nicht sicher, ob der Sprung in die Profikarriere klappt.“ Daher machte er flankierend eine Ausbildung bei Lambert, als zweites Standbein neben dem Sport.

Der Göppinger Oberbürgermeister Alex Maier macht deutlich, dass es keineswegs eine Einbahnstraße ist, Fußballer des GSV bei der Stadt unter Vertrag zu nehmen: „Wir sind froh und dankbar, dass es so geklappt hat.“ In Zeiten von Fachkräftemangel einen Infrastrukturmanager mit Bachelor-Abschluss zu bekommen, sei auch für die Stadt als Arbeitgeberin ein Glücksfall. Maier spricht von einer „Win-Win-Situation“, von der beide Seiten profitierten, und betont, dass das Engagement bei einem Fußball-Oberligisten eben weit über ein Hobby hinausgehe und ein Entgegenkommen des Arbeitgebers notwendig mache: „Zumal nie planbar ist, wie lange so eine Fußballerkarriere dauert.“

Vollprofitum nicht das Ziel

Stephan Vomhoff erklärte, dass der überwiegende Teil der GSV-Spieler ein Leben neben dem Fußball hat, „das ist auch unser Anspruch“. Selbst bei einem Wiederaufstieg in die Regionalliga sei ein Vollprofitum nicht denkbar. „Wir streben ein 80:20-Modell oder irgendwann 70:30 an“, ergänzte Sport-Geschäftsführer Gianni Coveli. Nach dem Motto: vormittags arbeiten, nachmittags trainieren – statt bisher abends. „Nach acht Stunden Arbeit auf dem Buckel ist einfach die Konzentration nicht mehr da“, verdeutlichte Coveli. Daher macht sich der Göppinger Sportverein auf den Weg, das neue Arbeitszeit-Modell zu etablieren. „Die zwei Arbeitgeber sind die Speerspitze, wir haben noch fünf weitere in der Hinterhand“, macht Vomhoff klar, dass die Idee Potenzial hat.

VORHERIGER ARTIKEL NÄCHSTER ARTIKEL