Routiniert unroutiniert

  • Er ist ein alter Bekannter der Rätsche und war jetzt mit Giant Sand mal wieder zu Gast in Geislingen: Howe Gelb (mit Kappe) und seine vier dänischen Kollegen Peter Dombernowsky (Drums), Anders Pedersen (Gitarre, Gesang), Thøger T. Lund (Bass) und Nikolaj Heyman (Gitarre, Keys, Gesang). Stefan Renner

Kultur Howe Gelb trat am Sonntag mit der Neuauflage der dänisch-amerikanischen Ausprägung seiner Band Giant Sand in der Geislinger Rätsche auf.

Giant Sand sind mit ihrem charismatischen Frontmann eine der Institutionen in Sachen Indie-Americana-Rock. Seit 1980 gibt es die Band um Howe Gelb in wechselnden Besetzungen – von einer kurzen Pause abgesehen. Nicht wenige ehemalige Mitglieder legten mit eigenen Projekten beeindruckende Karrieren hin, etwa die Mitglieder von Calexico, die bis in die frühen 2000er Jahre zu Giant Sand gehörten.

Das trifft im Grunde auch auf die aus Dänemark stammenden Musiker der aktuellen Besetzung zu: Peter Dombernowsky (Drums), Anders Pedersen (Gitarre, Gesang), Thøger T. Lund (Bass) und Nikolaj Heyman (Gitarre, Keys, Gesang). Zwischen 2003 und 2016 bildeten sie schon einmal das Rückgrat der Band. Mittlerweile sind sie gefragte Sidemen und pflegen in ihrer Band The DeSoto Caucus einen persönlichen, melancholischen Stil im weiten Americana-Feld. Nach neun Jahren kam nun diese dänisch-amerikanische Form von Giant Sand endlich wieder zusammen. Das Konzept, eine gut geölt aufspielende Band in ein anderes Projekt zu integrieren, griff auch an diesem Abend – ein wichtiger Aspekt, denn der lässige, schnoddrig wirkende, cool groovende, leicht schräge, scheinbar aus dem Nichts heraus entstehende, musikalisch eigenwillige Americana-Kosmos von Giant Sand ist live nicht leicht umzusetzen. Mit Bekanntem zu spielen, um im Publikum vieles anzuklicken und dies gleich darauf wieder durch Riffs aus anderen Sphären zu brechen, kontrastierende Stile und Sounds zusammenzubringen, sie aufzubauen, um sie im Entstehen zu konterkarieren oder aber einfach nur krachend, rifflastig loszulegen und dabei durchweg tanzbar zu grooven – all das fiel diesen Musikern und ihrem Frontmann leicht und all das macht ein Live-Erlebnis dieser Band aus. Solche freien Herangehensweisen, gekoppelt an sensible Interaktionen, die auch bei betörenden Noise-Attacken durchschimmerten, bestimmten in weiten Teilen den Konzertabend. In ihn führten zunächst The DeSoto Caucus als großartige, in sich schlüssig funktionierende Band ein. Nach einer kurzen Pause betraten dann dieselben Musiker gemeinsam mit Gelb als Giant Sand erneut die Bühne.

Gelb thront über allem

Namentlich stellte Gelb sie augenzwinkernd als die Band-Version von 2012 und 2025 vor. Und dann legten sie mit all den für die Band bekannten stilistischen Besonderheiten los, etwa mit Stücken ohne klar definierte Anfänge oder Enden oder solchen, die sich stilistisch mal in die eine oder andere Richtung bewegten. Hervorzuheben wäre neben der fein interagierenden, alles tragenden Rhythmusgruppe, die nicht nur optisch an die Achse Helm-Danko erinnerte, die famose Gitarrenarbeit. Sie changierte zwischen schrägen advanced lines, Youngschen-Ausbrüchen und dienlichen Rollenverteilungen: die Gitarristen verstanden es, ihr Spiel melodisch wie rhythmisch so aufzufächern, dass sie sich nicht in die Quere kamen. Ihr Spiel verzahnte und ergänzte sich. Knarzende verschwurbelte Keyboard-Sounds und jazzige Soloansätze prägten darüber hinaus manches Stück. Über allem thronte, der unnachahmlich entspannt klingende, melodisch und inhaltlich vieles anreißende Sprechgesang Gelbs.

Vernuschelt geführte Bühnendialoge über Townes van Zandt und Gedanken des immer etwas zu spät kommenden Gelb über Uhren („Clocks are not natural!“) rundeten einen eindrucksvollen Konzertabend ab. Giant Sand agierte souverän routiniert unroutiniert – ein Konzert dieser Gruppe ist Ausdruck eines musikalischen Arbeitens mit offenem Ausgang auf der Basis rootsorientierter Musik: So weiß das Publikum nie, was als Nächstes folgt und wohin die Americana-Reise von Kapitän Howe mit seiner jeweiligen Mannschaft geht.

Ein Konzert dieser Gruppe ist Ausdruck eines musikalischen Arbeitens mit offenem Ausgang.

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