Mit Linienflügen zurück nach Syrien

  • Ein Mitglied der syrischen Großfamilie beim Auftakt des Prozesses gegen ihn wegen einer Messerattacke. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Kriminalität Für den Sonderstab „Gefährliche Ausländer“ des Justizministeriums ist es ein Erfolg; Die Familie, die seit Jahren in Stuttgart ein Sicherheitsproblem war, hat Baden-Württemberg großteils verlassen.

Die Mienen sind ernst, als die baden-württembergische Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges und ihr Staatssekretär Siegfried Lorek – beide CDU – am Montagmorgen bei einem kurzfristig angesetzten Termin in Stuttgart vor die Presse treten. Dennoch ist ihnen die Erleichterung über den Erfolg anzumerken, den sie zu verkünden haben: Die in Stuttgart ansässige syrische Großfamilie H., deren Mitglieder seit Jahren mit einer Vielzahl von teils schweren Verbrechen Polizei und Ermittlungsbehörden beschäftigen und denen mehr 160 Straftaten zur Last gelegt werden, hat am Wochenende das Land verlassen. Zumindest zu einem großen Teil. Vorausgegangen war ein monatelanges intensives Fallmanagement des im Justizministerium angesiedelten Sonderstabs „Gefährliche Ausländer“.

13 Familienmitglieder verließen demnach Baden-Württemberg am Samstag mit Linienflügen über die Türkei und dann weiter nach Syrien. Vier weitere Familienmitglieder waren bereits im Juni und August direkt aus der Haft und U-Haft in Flugzeuge gesetzt worden. Vorläufig zurück bleiben drei Brüder aus der Familie, die erst im Juni vom Stuttgarter Landgericht zu Freiheitsstrafen zwischen vier und sechs Jahren verurteilt worden waren und sich in Haft befinden.

Messerangriff auf offener Straße

Die damals 17, 22 und 27 Jahre alten Brüder hatten 2024 auf offener Straße in Stuttgart drei andere Personen durch einen Messerangriff verletzt, eine davon lebensgefährlich. Auslöser des Streits: Eine Schwester der Brüder soll sich durch Blicke gestört gefühlt haben. Auch die drei Männer sollen nach Abbüßung von mindestens der Hälfte ihrer Haftzeit das Land verlassen.

„Es ist für die Gesellschaft ein Sicherheitsgewinn, dass diese Familie das Land verlassen hat“, sagt Gentges. Formal handelt es sich nicht um eine Abschiebung, sondern um eine „kontrollierte Ausreise“, der die Familie nach intensiver Vorarbeit zugestimmt habe. Dabei verzichtete sie auch auf ihren asylrechtlichen Schutzstatus. „Zum jetzigen Zeitpunkt war die kontrollierte Ausreise die einzige Möglichkeit, den Aufenthalt der Familienmitglieder zu beenden“, erläutert die Ministerin.

Nach derzeitiger Rechtslage seien Abschiebungen nach Syrien weiterhin nicht möglich, so Gentges. Dass das Bundesinnenministerium mit Nachdruck an einer Rückführung arbeite, habe aber offenkundig die Bereitschaft der Familie zur kontrollierten Ausreise erhöht – „weil die Straftäter wissen, dass sie zu der Gruppe gehören, die dann als erste abgeschoben wird“, so Gentges.

Im Unterschied zu einer Abschiebung werden die Betroffenen dabei nicht von der Bundespolizei begleitet, sondern zu einem Sicherheitsbereich auf dem Flughafen gebracht, von dem aus sie sich selbständig und ohne Aufsicht ins Flugzeug begeben. Von einer Kontaktperson in Syrien sei dem Ministerium aber die Ankunft der 13 Personen vor Ort mittlerweile bestätigt worden. Gegen die meisten wurde ein mehrjähriges Wiedereinreiseverbot verhängt.

Die Mitglieder der Großfamilie waren zwischen 2015 und 2020 in die Bundesrepublik eingereist. Alle besitzen die syrische Staatsbürgerschaft und nahmen entweder Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz in Anspruch. Zuletzt bewohnte die Familie – der 44-jährige Vater, zwei Ehefrauen, deren Kinder sowie Halbgeschwister aus einer weiteren Ehe des Vaters – ein Haus in Stuttgart und bezog Sozialleistungen in Höhe von rund 10.000 Euro im Monat.

Fast alle Mitglieder der Familie sind straffällig geworden, bereits verurteilt und polizeibekannt, auch weibliche Familienmitglieder oder Minderjährige wie der 15-jährige M. H., der seit seinem zwölften Lebensjahr mehrfach wegen Gewaltdelikten auffällig geworden war und zuletzt eine Jugendstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung verbüßte. Nun haben die ausgereisten Familienmitglieder eine Förderung von durchschnittlich 1350 Euro pro Person mit auf den Weg bekommen, die Ausreise kostet das Land somit rund 23.000 Euro plus die Flugkosten.

Staatssekretär Lorek macht deutlich, egal, womit man die Kosten vergleiche – ob „mit den Kosten eines fortgesetzten Aufenthalts, mit den Kosten einer Abschiebung oder mit den Haftkosten – der Förderbetrag im Rahmen einer kontrollierten Ausreise ist für das Land die mit sehr, sehr deutlichem Abstand günstigste Lösung“, so der CDU-Politiker. Ein Hafttag koste das Land pro Person rund 180 Euro, in der Abschiebehaft sind es sogar knapp 500 Euro. „Der Sicherheitsgewinn sollte uns diesen Geldbetrag wert sein“, sagt Gentges.

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