Sauberes Wasser trifft auf das digitale Gold
Münsingen Ein SB-Waschpark verbindet Solarstrom, Bitcoin-Mining und Waschwasser- erwärmung, ein innovatives Nachhaltigkeitsprojekt von Marcus Reuß.
Vor nunmehr 17 Jahren hob eine Gruppe von Programmierern oder eine Einzelperson, deren wahre Identität noch immer unbekannt ist, ein neues Online-Zahlungsmittel aus der Taufe. Nach Jahren des Tüftelns und vielen Rückschlägen wurde 2008 unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein Whitepaper veröffentlicht, das die Grundlage der heutigen Kryptowährung Bitcoin bildet. Die Idee dahinter war, ein Internet-Kapital zu erschaffen, das direkt von Person zu Person transferiert werden kann, ohne dass eine dritte Instanz wie eine Bank dazwischensteht. Nur wenige Monate später startete das Netzwerk mit der Generierung des ersten Blocks. Die Blockchain war geboren.
Diese ist quasi ein digitales globales Kassenbuch, in das jeder Einblick nehmen kann und in dem alle Transaktionen festgehalten werden – das aber niemand heimlich verändern darf. Um einen neuen Block generieren zu können, müssen komplexe Rechenaufgaben gelöst werden. Wer zuerst die Lösung findet, erhält als Belohnung Bitcoins. So soll verhindert werden, dass geschummelt oder falsche Informationen eingetragen werden.
Etwa alle zehn Minuten wird ein neuer Block hinzugefügt. Derjenige, der das mathematische Problem löst, erhält derzeit 3,125 Bitcoins. Ein Bitcoin entspricht aktuell etwa 100.000 Euro. Je rarer diese werden, desto mehr sind sie wert. Alle vier Jahre wird dieser sogenannte Block-Reward halbiert. Wie bei jeder anderen Währung auch, ist die Menge der Zahlungsmittel begrenzt. Die Gesamtmenge an Bitcoins wurde von Anfang an auf 21 Millionen festgelegt. Der letzte Bitcoin wird voraussichtlich im Jahr 2140 geschürft werden.
Minus-Rechnung mit Netzstrom
Während das Solo-Mining in Privathaushalten eher einem Glücksspiel gleicht und unverhältnismäßig viel Strom frisst, verspricht die Teamarbeit in einem der weltweit aktiven Mining-Pools deutlich höhere Erfolgsaussichten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das jeweilige Mitglied zum Zeitpunkt des Blockfunds aktiv beteiligt war – die Bitcoins werden anteilig nach der geleisteten Rechenarbeit verteilt, was meist in Promillewerten geschieht.
Ein absolut spannendes Thema, findet Marcus Reuß aus Neuffen, der sich seit 2014 damit beschäftigt. „Ich wollte wissen, wie das funktioniert und habe damit herumexperimentiert“, erklärt der 51-Jährige. Da Transaktionen mit Bitcoin bis zu vier Minuten dauern können, sieht er diese weniger als Ersatz für Bargeld, sondern vielmehr als digitales Gold, also als Wertspeicher. Daher hat er Ende vergangenen Jahres ein besonderes Modellprojekt auf den Weg gebracht. Bereits vor fünf Jahren hat er in seiner Heimatgemeinde einen SB-Waschpark gebaut, der sehr gut angenommen wird. Deshalb entschied er sich, einen weiteren „Kärcher Clean Park“ mit fünf Boxen und sieben Innenreinigungsplätzen auf einer überdachten Fläche von über 900 Quadratmetern in Münsingen zu errichten. Dieser sollte ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und Ressourcennutzung werden.
In der Anlage wird Regenwasser genutzt, das gebrauchte Waschwasser über ein biologisches Wasseraufbereitungssystem gereinigt und erneut dem Kreislauf zugeführt. Auf dem Dach befindet sich eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 150 kWp, was in etwa dem Zehn- bis Fünfzehnfachen der PV-Leistung eines typischen Einfamilienhauses entspricht. Im Vollbetrieb liegt der maximale Energieverbrauch der Anlage bei 50 kW. Dadurch ergibt sich vor allem in den Sommermonaten ein hoher Überschuss. Dieser wird entweder in einem Batteriespeicher oder in einem 2000-Liter-Warmwasserspeicher zwischengespeichert, um ihn effizient weiterzuverwenden. Eine Wärmepumpe unterstützt das System zusätzlich als Wärmequelle, insbesondere bei hoher Nachfrage oder geringer Sonneneinstrahlung.
Flexible On-Off-Lösung
Ergänzt wird die Anlage durch eine Bitcoin-Mining-Einheit, die aus zwei Rechnern besteht und mit einer Leistung von bis zu 20 Kilowatt betrieben werden kann. Die entstehende Abwärme der Miner wird gezielt weiterverwendet, um das Waschwasser zu erwärmen, und zwar komplett ohne den Einsatz fossiler Energieträger. So werden nicht nur die Reinigungsergebnisse verbessert, sondern auch der Bedarf an zusätzlicher Heizenergie reduziert. In den Wintermonaten sorgt die überschüssige Wärme in Kombination mit der Fußbodenheizung für eisfreie Boxen und verhindert das Zuschneien der PV-Module. Damit wird eine durchgehende Stromproduktion ermöglicht.
Wichtig ist dem Diplom-Ingenieur für Maschinenbau, dass die Rechner nur bei einem Überschuss anlaufen. „Das sind dankbare Abnehmer, sie können in Sekundenschnelle in Betrieb gehen“, erklärt er. Aber erst, wenn der Akku voll ist, denn der Waschpark genießt oberste Priorität. Seiner Meinung nach, könnten solche Bitcoin-Miner sogar dabei helfen, das Stromnetz zu stabilisieren, würden diese etwa von Windradbetreibern eingesetzt werden, die ihre Anlagen bei Stromüberschuss zeitweise vom Netz nehmen müssen. „In Finnland wird eine ganze Stadt mit Wasserkraft und Bitcoin-Mining beheizt“, berichtet Marcus Reuß.
Rentablere Alternative
Hinzu kommt die Rentabilität: Während der Ertrag für die Einspeisung ins öffentliche Netz bei etwa fünf Cent pro Kilowattstunde liegt, bringen die Einnahmen aus Mining und Transaktionen umgerechnet zehn bis zwölf Cent pro Kilowattstunde ein. Auf diese Weise sollen sich die beiden Rechner innerhalb von rund zwei Jahren amortisieren. Dennoch weist Reuß durchaus auch auf etwaige Risiken hin, etwa wenn das eigentlich als sehr sicher eingestufte Netzwerk doch einmal gehackt werden sollte oder bekannt wird, wer der Initiator dieser Kryptowährung ist, dem immerhin ein Prozent aller Bitcoins gehören.
Bitcoin-Miner sind dankbare Abnehmer, sie können in Sekundenschnelle in Betrieb gehen. Markus Reuß Inhaber zweier SB-Waschanlagen