Zum Spiel ohne Navi – aber mit Wolfgang Petry
Porträt Lebenslustig? Ja. Neugierig? Ja, das ist er auch. Aber Krischa Leis ist vor allem handballverrückt. Einst trug er das Trikot der JSG Echaz-Erms.
Was ist das Faszinierendste am Handball für dich? „Boah, das ist mal eine gute Frage“, sagt Krischa Leis, dann ist es kurz ruhig in der Leitung. „So einen bestimmten Aspekt kann ich da jetzt gar nicht sagen“, setzt er nach kurzem Grübeln zu einer Antwort an, aber Fakt ist, ohne Handball kann sich der 20-Jährige sein Leben nicht vorstellen. Auch, weil der Beginn seiner Handball-Begeisterung quasi auf den Anfang seines Lebens zu datieren ist. „Ich war ein Hallenkind, meine beiden Eltern haben Handball gespielt. Ich konnte mir damals nichts Schöneres vorstellen, als in der Halle und am Feld zu sein“, schwärmt er. Im Kern hat sich daran auch nicht viel verändert, nur dass der ehemals kleine Handball-Fan nun als Spieler in der zweiten Bundesliga unterwegs ist.
Im Liga-Alltag ziert das Wappen des TSV Bayer Dormagen sein Trikot. Die Erinnerungen an seine früheren Stationen aber sind noch sehr lebendig. „Ich weiß noch, dass wir beim TV Neuhausen so coole schwarz-rote Trikots bekommen haben“, erzählt er lachend. An seine Jugend in dem Verein seiner Heimat hat er gute Erinnerungen: Das Team habe tolle Saisons gespielt, und das Miteinander habe ihn sehr geprägt. „Wir sind in der D-Jugend zu Hell’s Bells von AC/DC in die Halle gelaufen, das war für mich als kleiner Junge einfach nur geil“, beschreibt er die Einzüge, als würden sie nur wenige Tage zurückliegen. Dass er auch ein brauchbarer Einzelsportler geworden wäre, kann Leis nicht ausschließen, doch in einer Mannschaft zu feiern, zu scheitern und zu reifen, „darum geht es. Es gibt nichts Geileres, als auswärts zu spielen, wo alle gegen dich sind, und du gewinnst das mit deinem Team“, verrät er.
Doch wann wusste der junge Krischa Leis, dass er das Zeug zum Profi hat? „Ich würde nie sagen, dass ich nicht dran geglaubt habe. Ich wollte aber eigentlich nur sehen, wie weit es für mich gehen kann“, sagt Leis, der im Rückraum seine bevorzugte Position gefunden hat, „ich wollte einfach alles geben, was ich kann.“ Nach einem gelungenen Probetraining bei Frisch Auf Göppingen wagt er den Schritt. Ein wichtiger Schritt, den er weder alleine gehen muss noch gehen kann. Als C-Junior ist Leis zu diesem Zeitpunkt nicht nur Spieler, er ist auch noch Schüler, und das Abitur ist nicht mehr fern. Seine Eltern und die anderer gewechselter Spieler übernehmen Fahrdienste zu Spielen und ins Training. Wie groß ihr Anteil daran gewesen war, dass die verschiedenen Bereiche seines Lebens nicht miteinander kollidierten, fiel Krischa Leis erst nach und nach auf. „Diese Unterstützung, wie ich sie erfahren durfte, das ist nicht normal. Ich bin unendlich dankbar“, bekennt er.
In Göppingen findet er sich schnell zurecht. Zwar zieht das Niveau an, und die Anforderungen im Training werden größer, doch über allem steht für Krischa der Spaß am Spiel. In dem professionellen Umfeld, das er bei Frisch Auf kennenlernt, entwickeln sich nicht nur seine taktisch-spielerischen Fähigkeiten, sondern auch der Hunger nach mehr. Schon nach kurzer Zeit vermelden einige Vereine aus den höheren Ligen Interesse an dem A-Junioren, den Zuschlag erhält der TSV Dormagen. Die Welt des Profi-Handballs steht ihm nun immer mehr offen, das spürt auch der 1,93 Meter große Linkshänder. „Die haben mich zwei Mal angefragt und mir gesagt, dass sie jemanden brauchen könnten, und da hab ich zugesagt. Ich habe es nie bereut“, sagt Leis. In 421 Kilometern Entfernung ist er seit Juli 2023 Teil eines der jüngsten Teams der Liga, wie er stolz erzählt. Er lebt zusammen mit einem anderen Spieler in einer Wohngemeinschaft. Die Schule hat er zwischenzeitlich gegen die Universität eingetauscht. An Interessen abseits des Sports mangelt es Krischa Leis nicht, doch wie genau hat er dann seinen Studiengang gefunden?
„Ich studiere Deutsch und Biologie auf Lehramt. Meine Eltern sind beide Lehrer, sie haben mich drauf gebracht“, erzählt er. Alles, was gut und schlecht sein kann, habe er durch sie und auch an sich selbst in seiner Jugend kennengelernt. Außerdem, „verträgt sich dieses Studium ganz gut mit unseren Trainingszeiten, denn Handball ist für mich die erste Priorität“, sagt er mit breitem Lachen. Und gerade befindet sich der TSV im Abstiegskampf, da sei es wichtig, dass er jede Woche nach besten Kräften seinen Job erledigen kann. „Egal, wie das Spiel läuft, jeder Mensch auf den Rängen, der zu uns kommt, verdient es, guten Handball zu sehen“, betont er. Und nicht selten sind da auf den besagten Rängen dann auch seine Eltern anzutreffen.
Was die Playlist hergibt
„Dormagen ist da zwischen Leverkusen und Köln, da müssen viele erstmal googlen. Ich würde sagen, so grob kenne ich den Weg inzwischen“, sagt Leis und lacht, „es gibt halt tausend Varianten, wie ich fahren kann, deshalb hab ich zur Sicherheit immer das Navi an.“ Den emotionalen Weg nach Hause musste er hingegen noch nie suchen: „Ich würde nicht sagen, dass ich schon mal so richtig Heimweh gehabt habe, denn ich weiß, wie ich nach Hause komme und ich weiß, dass ich immer kommen darf.“ Auf der Fahrt und in der Freizeit hört er Musik. Die Hell’s Bells früherer Tage konkurrieren mit Wolfgang Petry und dem Lied „Ganz oder gar nicht“. Dafür sei immer ein Plätzchen in der Playlist. Wenn er ein Lebensmotto hätte, dann wäre es dieser Satz „Ganz oder gar nicht“. Nicht aufgeben, aus Fehlern lernen und das machen, was einem Spaß macht, daran glaubt Krischa Leis fest.
Fast 45 Minuten dauert das Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE schlussendlich. Doch was ist nun das Faszinierende am Handball aus Sicht eines Spielers, der auch gerne das Trikot der A-Nationalmannschaft tragen würde? „Neben all den Sachen, die ich schon so erzählt hab, ist es vielleicht ganz leicht: Ich glaube, ich liebe jedes Detail an diesem Sport.“
Ich würde nicht sagen, dass ich schon mal so richtig Heimweh gehabt habe. Krischa Leis TSV Bayer Dormagen
Jeder Mensch auf den Rängen, der zu uns kommt, verdient es, guten Handball zu sehen. Krischa Leis Handball-Profi und -Fan