Der große Flop kommt ins Museum

  • Der Peoplemover kommt weg, wird museal. Voll einverstanden damit sind (von links) Pfullingens Bürgermeister Stefan Wörner sowie Martin Schindler und Dieter Metzger vom Brauchtumsverein. Foto: Jürgen Herdin

Pfullingen Einst war er eine Weltneuheit, seit 15 Jahren steht er still: Am kommenden Dienstag wird der „Peoplemover“ abgebaut – Brauchtumsverein will ihn nahe der Hortense ausstellen.

Nach dieser Technik-Ruine in der nördlichen Marktstraße reckten sich zur Jahrhundertwende die Hälse von Städteplanern – einige fragen heute noch nach dem weltweit bekannt gewordenen Lift, den die Pfullinger „Nomlupfer“ nennen. Innerhalb von 30 Sekunden schaufelte er seit Juli 2001 die Leute auf die andere Straßenseite – dann gingen immer mehr Teile kaputt. Eine Wartung erschien allen Beteiligten zu teuer. 2011 gaben ihm der Aufzugbauer Thyssen und der TÜV gutachterlich seine letzte Ölung.

Am kommenden Dienstag ab acht Uhr wird der Peoplemover zerlegt und weggeschafft. Der Pfullinger Brauchtumsverein will das Technikdenkmal auf dem Gelände der ehemaligen Gartenbaufirma Hortense im Süden Pfullingens zur Schau stellen. Wie deren Vorstände Dieter Metzger und sein Vize Martin Schindler wissen ließen, werde man sich an den Kosten der Aktion „Rückbau“ beteiligen. Die stehen noch nicht fest, aber die Stadt hat ebenfalls erkannt, dass es sich beim Nomlupfer um ein Bauwerk „industriehistorischer Bedeutung“ handelt, das man am besten sorgsam zerlegen, aber nicht zerstörerisch abreißen dürfe.

Wie Bürgermeister Stefan Wörner am Mittwoch bei einem Ortstermin wissen ließ, werde der städtische Bauhof an der Aktion nach Kräften beteiligt sein. Teile des Stahls werden verkauft. Abnehmer ist die Rohstoffverwertung Reutlingen (RVR). Allerdings muss ein Spezialkran her, der die Passagier-Brücke des einst zwei Millionen Deutsche Mark teuren Lifts bergen soll. Doch dessen Chef ist ein Kumpel von Dieter Metzger, dessen Verein wohl mit einem freundschaftlichen Sonderpreis rechnen könne. Kurz: Das nennt man dann wohl eine „Win-Win-Win-Situation“, frohlockte Stefan Wörner. Sein Gemeinderat jedenfalls hatte der Demontage bereits im März zugestimmt.

Die Geschichte des epochalen Vertikal-Horizontal-Menschentransporters ist schnell erzählt: Bereits 1992 meldete der Maschinenbauer Emil Schmid aus Willmandingen seine Erfindung zum Patent an. Dann machte er das Gerät seinem CDU- Parteifreund Hermann Schaufler schmackhaft. Der war damals Verkehrsminister und Feuer und Flamme für den Bau einer solchen Anlage. Schaufler war es auch, der dem Gerät den Namen „Peoplemover“ gab.

Der sollte die Menschen sicher über die Marktstraße bringen, vom Wohngebiet Burgweg hinüber zum Gewerbegebiet Steinge. Allerdings war 2001 der den Autoverkehr entlastende Ursulabergtunnel bereits im Bau, außerdem befand sich nur wenige Meter vom Aufstellort entfernt ein beampelter, ebenerdiger Fußgängerüberweg. Das alles störte die Pioniergeister indes wenig, der Peoplemover musste her. Und eine Werbung für die Innovationsfreudigkeit der Stadt Pfullingen war dieses Wunderwerk der Technik allemal. Am 1. Juli 2001 ruckelte der Peoplemover los, die Weltpresse nahm das lobend und berichterstattend zur Kenntnis.

Es folgte ein Tod auf Raten. Die Technik muckte bald schon auf. Der Mover blieb oft stehen, mit Passagieren, gewissermaßen zwischen Himmel und Erde, an Bord. Und auch ein urmenschliches Bedürfnis machte dem „Nomlupfer“ mit den Garaus. Urin trägt bekanntlich zur Korrosion bei. Viele Nutzer wussten wohl nicht um das Problem Rost, nutzten die Kabinen als Klo; dies freilich mit der Folge, dass gesittete Personen von diesem Transfer über die Marktstraße nichts mehr wissen wollten. Dieses Problem scheinen vom Lift Begeisterte entweder nicht zu kennen, oder sie ignorieren es. Jedenfalls rufen dem Vernehmen nach heute noch Städte- und Verkehrsplaner, so auch aus Brasilien, bei der Firma Schmid in dem Sonnenbühler Teilort Willmandingen an.

Deren Seniorchef Emil Schmid (85) freut das. Weckt das doch Erinnerungen an seine bahnbrechende Entwicklung und die Pioniertat von einst. Jedoch, so ließ er die Zeitschrift „Zeit“ wissen, würden keine Peoplemover mehr gebaut. Das Unternehmen auf der Alb sei mit Aufträgen aus der Automobilindustrie ziemlich ausgelastet.

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