Bürokratie und hohe Energiekosten

  • Die Nachfrage ist auch im Baugewerbe eingebrochen: Unternehmer aus verschiedenen Branchen klagen über hohe Kosten für Löhne und Energie sowie Bürokratie. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
  • Von links: Arnd-Gerrit Rösch, Max-Richard Freiherr Raßler von Gamerschwang, Alexander Stagl, Daniela Eberspächer-Roth und Achim Mey. Foto: Moritz Siebert

Wirtschaft Die Bundesregierung kündigt einen „Herbst der Reformen“ an. Und was treibt die Wirtschaft in der Region um? Stimmen aus Gastronomie, Bau- und Textilbranche.

Er könne Tausende Beispiele nennen, sagt Achim Mey. Da gibt es zum Beispiel die jährliche Nachschulung von Mitarbeitern für das sogenannte Mitgängerflurförderzeug, die sein Unternehmen nachweisen muss. Oder das Leiterprüfbuch. Jährlich müsse der Sicherheitsbeauftragte sämtliche Leitern im Betrieb überprüfen und die Ergebnisse dokumentieren. „Da unterstellt man uns, dass wir unsere Leute auf kaputte Leitern schicken oder unsere Leute so doof sind, dass sie auf kaputte Leitern steigen“, ärgert sich Mey, Geschäftsführer vom Tübinger Unternehmen Mey Generalbau, über die Vorschriften. „Mit einem Auto ohne Räder würden Sie auch nicht losfahren.“ Vom angekündigten Bürokratieabbau sei noch gar nichts angekommen. „Wir ersaufen in Dokumentationspflichten.“

Zum Austausch über die Lage der regionalen Wirtschaft hatte die IHK (Industrie- und Handelskammer) diese Woche eingeladen in den Firmensitz des Unternehmens Mey Generalbau, das auf Schadenssanierung und schlüsselfertigen Umbau spezialisiert ist. Das Gespräch moderierte Daniela Eberspächer-Roth, Geschäftsführende Gesellschafterin der Profilmetall GmbH und Vorsitzende des IHK-Gremiums. Grundsätzlich sagt Achim Mey zur Situation der Baubranche: „Die Nachfrage ist extrem eingebrochen.“ Als Ursachen nennt er unter anderem die Zinswende Anfang 2022. „Die Vervielfachung der Kapitalkosten war ein Schock in der Branche.“ Dazu kommen die Preissteigerungen, Lieferengpässe und Materialknappheit, die die Pandemie und geopolitische Verwerfungen nach sich zogen. Außerdem haben sich, so Mey, die Löhne „in astronomische Höhen geschraubt“.

„Multipler, toxischer Cocktail“

Extreme Verunsicherung herrsche in der Branche, so Mey weiter. „Insgesamt ein multipler, toxischer Cocktail.“ Neben dem Abbau von Bürokratie wünscht sich der Unternehmer von der Politik mehr Sicherheit, Anreize für Förderprogramme und einen Rahmen für mehr Produktivität. Er kritisiert etwa die Abgaben für Arbeit an Wochenenden. „Die müssten reduziert oder weggelassen werden.“ Die Produktivität wäre angekurbelt, den Fachkräftemangel könne man ein Stück weit kontern, glaubt Mey. „Es kann nicht sein, dass es sich mehr lohnt, samstags schwarzzuarbeiten, als dass man für seinen eigenen Arbeitgeber tätig wird.“

Arnd-Gerrit Rösch, Geschäftsführer der Gerhard Rösch GmbH, treiben vor allem die hohen Energiekosten um. Nicht erst seit 2022 seien die im internationalen Vergleich zu hoch. „Ohne günstigere Energie wird die deutsche produzierende Industrie keine Chance mehr haben“, sagt der Textilunternehmer. Es verschwänden täglich Unternehmen, täglich würden Jobs abgebaut. In den USA lägen die Energiekosten etwa bei der Hälfte im Vergleich zu Deutschland, in China etwa bei einem Drittel, in Saudi-Arabien sei es ein Viertel. Er spricht sich für eine Liberalisierung des Energiemarkts aus und dafür, das Angebot auszuweiten und ergebnisoffen zu diskutieren. Rösch findet, man müsse auch „moderne Kernkraftwerke ins Spiel bringen“ oder das Erschließen von Schiefergas durch Fracking, wofür es in Deutschland ein Verbot gibt. Außerdem fordert er, „möglichst keine Steuern auf Energie zu erheben“. Teils basieren Energiesteuern auf EU-Richtlinien.

Und geht er davon aus, dass Steuerfreiheit die Wirtschaftsleitung in dem Maß anhebt, dass die fehlenden Steuereinnahmen kompensiert wären? Ob die Rechnung volkswirtschaftlich aufgehe, könne er auch nicht sagen, antwortet Rösch. Wenn Unternehmen aber das Geld in der Kasse hätten, könnten sie davon beispielsweise mehr Löhne zahlen, mehr investieren oder expandieren, oder die Preise günstiger machen. Es gehe ihm darum, den industriellen Kern in Deutschland zu halten. Und dazu gehörten „günstige Preise plus Steuerfreiheit“.

Mindestlohn nun ein Problem

Alexander Stagl, Geschäftsführer des Tübinger Hotels Krone, hebt die Entwicklung des Mindestlohns hervor. Innerhalb von vier Jahren sei der um 40 Prozent gestiegen. Für kleine und große Betriebe sei das ein Problem. Er wünscht sich, dass Mitarbeiter effektiver und effizienter arbeiten können. Stagl schlägt vor, weg von der maximalen Tagesarbeitszeit zu kommen zu einer Wochenarbeitszeit, damit er Mitarbeiter flexibler einsetzen kann.

Aber wird der Mindestlohn nicht auch als Mittel im Kampf gegen Personalmangel genannt? „Der Personalmangel ist nicht mehr das Problem“, antwortet Stagl. Das Personalkostenproblem sei das größere. Er mahnt außerdem Bürokratieabbau an, jeden Tag müssten Temperaturen von Kühlschränken kontrolliert und dokumentiert werden. Über das Abschaffen eines Feiertags müsse man ebenso nachdenken, findet er. „Es gibt genug Möglichkeiten.“

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