Dem Leerstand gezielt mit Leben begegnen

  • Das ehemalige Rathaus in Trailfingen soll zu einer Begegnungsstätte für Jung und Alt werden. Fabian Dieterle und Alexandra Leist stellen das Projekt vor. Foto: Sabine Zeller-Rauscher
  • Fabian Dieterle präsentiert interessante Dachbodenfunde: Unter anderem wurde im ehemaligen Rathaus eine Alb-Bote-Sammlung aus den Jahren 1950 bis 1975 entdeckt. Foto: Sabine Zeller-Rauscher

Trailfingen Wer genau hinschaut, sieht ein Juwel im Rathaus, das seit 2012 nicht mehr von der Ortsverwaltung genutzt wird. Jetzt soll wieder Leben einkehren.

Warum die Trailfinger „Hafenscheißer“ heißen? Dazu später mehr. Gleich vorweg: Es hat etwas mit dem Rathaus zu tun, das jetzt, dank einer engagierten Dorfgemeinschaft, wieder zum Leben erweckt wird. 1851 wurde der Bau des schmucken Gebäudes beschlossen. Ein Jahr später war es fertig. Freunden des Seeburger Tuffsteins zaubert das Haus ein spontanes Glänzen in die Augen. Klein, charmant und mitten im Dorf. Letzter Bürgermeister war Gerhard Ott, der von 1966 bis 1974 die Geschicke im Ort leitete.

Heute würde er wohl mit Stolz auf seinen Enkel Fabian Dieterle blicken, der seit vergangenem Jahr Ortsvorsteher in der 567-Seelengemeinde ist. Dieterle will ein Zeichen gegen den Leerstand im Ortskern setzen. Das denkmalgeschützte Rathaus, das 2013 sogar kurz zum Verkauf stand, soll wieder ein Ort der Begegnung werden. Erste Schritte sind getan: Stammtische, Mostbesen und Eishäusle mit Getränken haben bereits neues Leben zwischen die alten Mauern gebracht. Und auch Geld fürs dringende Aufhübschen des Gebäudes. Apropos Aufhübschen. Wer einen Blick fürs schöne Alte hat, erkennt schnell einige, wenn auch wohl gut gemeinte Bausünden. Fensterbretter im Sitzungssaal, die eher an die Arbeitsplatte einer modernen Einbauküche erinnern und auch die Tischplatte des 300 mal 115 Zentimeter großen Tisches im Saal passt definitiv nicht ins historische Ambiente. Dieterle und sein Team hoffen nicht nur dabei auf Spenden aus der Bevölkerung.

„Vielleicht hat noch jemand einen richtig alten Wirtshaustisch herumstehen, den er nicht mehr braucht“, hofft Alexandra Leist, die rein zufällig ins Team Dorfgemeinschaft hineingerutscht ist, und seither Feuer und Flamme für das historische Juwel ist. Als gelernte Autolackiererin kennt sie sich bestens im Bereich Farbe und Renovierung aus. Die alte Standuhr, die schon ewig im Rathaus steht, will sie äußerlich auffrischen. Fürs Innenleben wird noch ein Uhrmacher gesucht, der genau anschaut, warum die „alte Dame“ nicht mehr richtig tickt. Vielleicht gibt es ja einen Uhrmacher, der Freunde daran hat, seinen Beitrag fürs neue Leben im Rathaus zu leisten. „Eine Spendenbescheinigung hierfür könnten wir ausstellen“, meint Dieterle, der als Finanzbeamter arbeitet. Dieterle und sein Brauchtumsteam sind an allem interessiert, was mit Trailfingen zu tun hat. Egal ob Bilder, Urkunden, Fotos oder Dokumente.

Dieterles persönlicher Dachbodenfund, ein Ölgemälde, schmückt jetzt die Amtsstube über dem alten Schreibtisch, an dem bereits sein Opa saß. Der Ortsvorsteher betont, dass das Haus kein Trailfinger Heimatmuseum werden soll, sondern ein Ort der Begegnung und des Lebens, der für alle zugänglich sein soll. Jetzt hofft er, dass der städtische Haushalt die Mittel hergibt, die zur Bestandssicherung des Gebäudes notwendig sind. Auf dem Dachboden sind nicht nur die Arrestzelle und der alte gusseiserne Ofen interessant, sondern auch die Dachbodenfunde. Unter anderem eine Alb-Bote-Sammlung von 1950 bis 1975. Diese soll jetzt veräußert werden, um die Renovierungskasse aufzustocken. Wer also eine Alb-Bote-Ausgabe von einem ganz bestimmten Datum sucht, hat hier die einmalige Chance dafür. 10 Euro muss hierfür berappt werden, wie für die aus Ton gebrannten Marksteinzeugen aus den Jahren 1914 und 1935, die sich zuhauf auf dem Dachboden fanden. Zurück zur berühmten Frage: Warum heißen die Trailfinger „Hafenscheißer“? Weil angeblich beim Rathausbau die Toilette vergessen wurde. Das stimmt so jedoch nicht ganz. Im Rezess-Buch ist protokolliert, dass es sehr wohl einen Abtritt gab, nur ließ sich die Tür nicht genügend öffnen.

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