Mit viel Können und Kondition

  • Meisterlich: Michael Korstick bei seinem Konzert in der Stadthalle Göppingen. Foto: Giacinto Carlucci

Klassik Der Ausnahmepianist Michael Korstick überzeugt in der Meisterkonzert-Reihe des Göppinger Kulturkreises mit vier musikalischen Hochkarätern.

Ob Haydn, Liszt, Beethoven oder Schubert – der Pianist Michael Korstick zeigte sich den exorbitanten Herausforderungen seines Meisterkonzerts in der Göppinger Stadthalle spieltechnisch und musikalisch in allen Bereichen gewachsen. Und seine Kondition schien unendlich frisch zu sein.

Aus den 52 (!) Klaviersonaten Haydns hatte Korstick die in F-Dur Hob XVI 23 ausgewählt. Höchst konzentriert stieg er in den ersten Satz ein und stellte sich mit einem „Moderato“ vor, das in ein flotteres Allegro verwandelt war. So konnte er lückenlos Spannung aufbauen. Das folgende melancholische „Arioso“ des Mittelsatzes mit seinem Siciliano-Rhythmus und der Trio-Begleitung erinnerte an die Musik von Pergolesi. Was das abschließende Presto anging, so war aus der Konzerteinführung kurioserweise noch die Bezeichnung „musikalische Unverfrorenheit“, sprich: Originalität und Kühnheit in Erinnerung. In den vielfältigen Wechseln vermied Korstick jegliches mechanische Abspulen.

Vielgestaltiger Klangzauber

Ein ganz individuelles Charakterstück war das folgende Werk: „Harmonies du soir“ von Franz Liszt, dem wohl besten Pianisten seiner Zeit. Vielgestaltiger Klangzauber, von Bass-Impulsen ausgehend, entwickelte sich zu Farbspielen, die bis ins Hypnotische gesteigert wurden.

Die folgende berühmte „Appassionata“ - Sonate Nr. 23 f-moll von Ludwig van Beethoven folgte der Übersetzung der Werkbezeichnung „die Leidenschaftliche“. Exakte Akzentuierungen verbunden mit Punktierungen mündeten im ersten Satz in ausdrucksvolle Ausbrüche. Das beseelte „Andante con moto“ enthielt in Kombination mit dem Anfangsmotiv auch das Feuer der Leidenschaft und endete auf ganz und gar eigene Art. Kompromisslos großformatig und dem Charakter der Opern Fidelio und der dritten Sinfonie (Eroica) folgend, erzeugte Korstick geradezu orchestrale Wirkung. Der fabelhafte Konzertflügel hielt der immensen Klangfülle stand, die manchmal sogar in leidenschaftlichen Lärm überging.

Zeitgenössische Pianisten trauten sich in dieses grandiose musikalische Gebirge ungern heran. Anders Michael Korstick: Trotz aller grenzenlosen Ansprüchen spürte man bei ihm keine Mühe und Erschöpfung.

Monumentale Klaviersonate

Zum Schluss seines Konzertes tauchte der Künstler noch in die monumentale Klaviersonate Nr. 21 B-Dur von Franz Schubert ein. Sie enthielt bis ins kleinste Detail hinein sein musikalisches Vermächtnis. Edelste Klangkultur und hintergründige Details bescherten über etwa 45 Minuten dem Publikum einmalige Erlebnisse. Diese waren so mitreißend, dass der frenetische Schlussbeifall sogar in „standing ovations“ überging, was in Göppingen selten passiert.

Vier (!) technisch aberwitzige Zugaben forderten das Fassungsvermögen der Musikfreunde und -freundinnen noch einmal bis an ihre Grenzen und weckten den Wunsch: „Kommen Sie bald wieder, Dr. Beethoven!“.

NÄCHSTER ARTIKEL