„Landkreis hat zwei große Nachteile“
Interview Klaus Meissner steht seit neun Monaten an der Spitze der Göppinger Kreissparkasse. Im Interview spricht er über die Wirtschaftslage, das KI-Zentrum HIVE und die Cum-Cum-Geschäfte.
Klaus Meissner ist seit Anfang des Jahres Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Göppingen. Im Interview blickt er auf die vergangenen neun Monate zurück, spricht über den Wechsel im Vorstand, die Zinswende, die Wirtschaft im Filstal und den Landkreis Göppingen. Auch zu den Cum-Cum-Geschäften äußert er sich.
Herr Meissner, Sie sind seit einem dreiviertel Jahr Vorstandschef der Göppinger Kreissparkasse. Wie waren diese neun Monate für Sie?
Klaus Meissner: Es war kein kompletter Neuanfang. Ich bin seit 36 Jahren bei der Sparkasse und seit 16 Jahren im Vorstand. Vieles war bekannt und auf dem Weg. Strategische Themen haben wir bisher gemeinsam im Vorstand beraten und diskutiert. Neu ist die Zusammensetzung des Vorstands. Meine Vorstandskollegin Cindy Berend war bisher meine Stellvertreterin. Zudem habe ich das Ressort gewechselt. Bisher war ich für den Vertrieb verantwortlich, jetzt bin ich für die Gesamthaussteuerung und Marktfolge zuständig. Der Switch in der Aufgabe war schon spürbar, aber es gab keine wirkliche Überraschung.
Also ein fließender Übergang ...
Richtig. Die ersten neun Monate waren sehr gut. Durch die Zinswende sind wir immerhin wieder in der Lage, unseren Kundinnen und Kunden Zinsen auf ihre Geldanlagen geben zu können. Dass wir unseren Kunden in der Niedrigzinsphase diesbezüglich nichts anbieten konnten, das war für uns belastend. Jetzt führen wir wieder viele Beratungsgespräche, begleiten unsere Kundinnen und Kunden ganzheitlich – das bereitet auch unseren Mitarbeitenden Freude.
Haben Sie eigentlich ein neues Büro oder haben Sie Ihr altes behalten?
Ob Auto, Büro, Schreibtisch oder Telefonnummer – ich habe alles beibehalten. Mir geht es um die Sache und nicht um Statussymbole.
Haben Sie denn Dinge neu angepackt oder setzen Sie die bisherige Arbeit einfach fort?
Stillstand wäre Rückschritt. Wir richten die Sparkasse immer wieder neu aus, weil wir neue Rahmenbedingungen und eine veränderte Wettbewerbssituation haben. Wir müssen permanent schauen, dass sich die Sparkasse anpasst und flexibel ist. Und man muss natürlich sagen: Wir haben einen klaren Auftrag, das ist die Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen. Da ändert sich auch nichts, da ist ganz viel Verlässlichkeit im Geschäftsmodell.
Im vergangenen Jahr erzielte das Institut ein ordentliches, auskömmliches Ergebnis. Wie läuft es im Jahr 2025?
Das Jahr ist ein bisschen anspruchsvoller als 2024. Wir haben wieder rückläufige Zinsen gesehen, auch die Zinsstruktur hat sich ein Stück weit verändert. Das wirkt sich auf unsere Ertragslage aus. Außerdem spüren wir die Kostensteigerungen durch höhere Tarifabschlüsse oder teurere IT-Strukturen.
Gibt es denn Ausreißer nach oben oder unten?
Wir sehen eine ganz erfreuliche Entwicklung in der privaten Baufinanzierung – für uns ein extrem wichtiges Geschäftsfeld. Hier zeichnet sich eine Normalisierung ab, nachdem durch den extrem schnellen Zinsanstieg das Geschäft zwischenzeitlich eingebrochen ist. Auch die Immobilienpreise haben sich normalisiert. Es macht richtig Spaß, Kunden auf dem Weg zur eigenen Immobilie zu begleiten.
Also rechnen Sie mit einem etwas schlechteren Ergebnis als 2024?
Voraussichtlich ja, aber immer noch auskömmlich.
Deutschlands Wirtschaft tritt immer noch auf der Stelle, die Unternehmen sind mit angezogener Handbremse, auch im Landkreis, unterwegs. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Das spüren wir direkt. Der Landkreis hat aus meiner Sicht zwei große Nachteile gegenüber anderen Landkreisen: Zum einen ist die Infrastruktur nicht ideal. Denken Sie nur an den fehlenden S-Bahn-Anschluss, die nicht komplett ausgebaute B10 oder auch die noch nicht ausgebaute A8. Zum Vergleich: Im Alb-Donau-Kreis, im Bereich Merklingen/Laichingen, ist eine ganz andere Dynamik spürbar. Zum anderen haben wir keine großen Gewerbeflächen für Neuansiedlungen. Dort, wo die Ausweisung solcher Flächen durch Bürgerentscheide abgelehnt wurden, ist eine neuerliche Prüfung erst drei Jahre später wieder möglich. Diese Flächen fehlen, um neue Unternehmen in den Landkreis zu holen.
Sind die Unternehmen bereit zu investieren?
Wir spüren eine verhaltene Nachfrage, was Investitionen betrifft. Die von der Politik angekündigten Impulse, die der Wirtschaft auf die Beine helfen sollen, fehlen aus meiner Sicht noch.
Spüren Sie denn, dass auch kommunale Haushalte auf Kante genäht sind?
Wir sind in Gesprächen mit den Bürgermeistern und Kämmerern und wissen, dass in den Kommunen über Investitionen gut nachgedacht werden muss. Für neue Turnhallen oder eine Schulsanierung sind die Gelder momentan einfach knapp.
Welche Rolle spielt die Verbundenheit mit der Region und den Menschen hier für den Geschäftserfolg?
Das ist die Grundlage unseres Handelns. Wir fühlen uns für die Region verantwortlich, wollen mitgestalten. Unseren öffentlichen Auftrag nehmen wir beispielsweise wahr, indem wir uns dafür einsetzen, dass es für einen Klinik-Neubau des Landkreises eine gute Finanzierung gibt. Die Verbundenheit zur Region zeigt sich aber auch dadurch, dass die meisten unserer rund 900 Mitarbeitenden hier leben. Wir setzen uns also für unsere Heimat ein.
Wie hat sich denn die Bankenlandschaft in den vergangenen Jahren verändert?
Sehr. Die Digitalisierung hat vieles verändert. Früher gab es etwa auch von überregionalen Banken noch deutlich mehr Filialen im Landkreis. Heute spüren wir einen verstärkten Wettbewerb im Internet. Beispielsweise gibt es eine Vielzahl an Anbietern, bei denen man mit wenigen Klicks einen Kredit erhält. Manche machen dann allerdings die Erfahrung, dass es bei aufkommenden Fragen gar nicht so einfach ist, sich mit dem Finanzdienstleister über das Callcenter – womöglich mit Sitz im Ausland – auszutauschen. Als Sparkasse und somit Bank vor Ort bieten wir hier eine ganz andere Nähe.
Auch das Kundenverhalten hat sich verändert ...
Definitiv. Sie besuchen deutlich seltener die Filialen, nutzen für Servicethemen gerne die medialen Angebote. Daher bieten wir unseren Kundinnen und Kunden auch neue Wege an – etwa die mediale Beratung via Bildschirm in Wäschenbeuren. Wir werden uns nicht aus der Fläche zurückziehen, aber auf die veränderten Bedürfnisse unserer Kunden reagieren. Es gibt Menschen, die online nicht wollen oder können, und für diese Kunden wird es auch in Zukunft ausreichend Möglichkeiten geben, persönlichen Kontakt zu haben.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen?
Egal ob es die geopolitischen Krisen sind oder der Strukturwandel in der Wirtschaft im Landkreis Göppingen: Die vorherrschende Unsicherheit beschäftigt die Menschen im Landkreis. Das ist für uns auch herausfordernd. Wie bereits vorhin angesprochen, würden uns mehr Gewerbeflächen guttun, damit sich neue Betriebe ansiedeln können. Deren neue Mitarbeitenden benötigen Wohnraum – die Themen Flächenmanagement und Verkehrsinfrastruktur sind und bleiben große Herausforderungen. Außerdem spielt der demografische Wandel eine wichtige Rolle. Glücklicherweise gelingt es uns derzeit, gutes und qualifiziertes Personal zu gewinnen.
Apropos Gewerbeflächen. Auf dem Boehringer-Areal in Göppingen entsteht derzeit etwas, das KI-Zentrum HIVE soll Strahlkraft entwickeln und Unternehmen locken ...
Wir sind ja Gründungsmitglied. Ich finde es super, dass es diese Initiative gibt und die Stadt Göppingen und das Land das Projekt fördern. Es geht darum, so eine wichtige Zukunftstechnologie wie Künstliche Intelligenz erlebbar zu machen und die Akteure miteinander zu vernetzen und auch kleineren Betrieben die Möglichkeit zu bieten, sich mit dem Thema zu beschäftigen, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Man muss das HIVE jetzt zum Leben bringen. Momentan ist die Euphorie sehr groß, meist kommt dann ein kleines Tal der Erkenntnis. Das HIVE hat aber in meinen Augen das Zeug dazu, sich durchzusetzen. Da kann etwas richtig Gutes daraus entstehen, deshalb sind wir dabei und leisten voller Überzeugung Anschubhilfe.
Welche Rolle spielt denn KI aktuell im Bankgeschäft?
Wir haben ein KI-System von der Sparkassen Finanzinformatik bei uns im Einsatz, das auf alle Prozessdokumentationen Zugriff hat, das aber auch nur innerhalb der Sparkassenorganisation gehostet wird. KI spielt jetzt schon eine große Rolle, zum Beispiel beim Erkennen von betrügerischen Transaktionen und bei der Geldwäsche-Überprüfung. KI ist im Einsatz, um die Arbeit zu erleichtern, die Entscheidung trifft immer noch der Mensch.
Letzte Frage: Noch immer ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln gegen die Göppinger Kreissparkasse wegen der umstrittenen Cum-Cum-Geschäfte. Gibt es hier Neues zu berichten?
Es gibt nichts Neues. Das Verfahren ist im Gange und wir haben selbst auch ein Interesse daran, dass die Themen jetzt zum Abschluss kommen. Was mir wichtig ist: Es entsteht immer der Eindruck, es seien Steuern nicht bezahlt worden. Aber da ist seit Jahren alles bezahlt. Es geht jetzt darum, die rechtlichen Fragen zu klären.