Jetzt geht’s ans Herzstück

  • Das Herzstück der Brettach-Renaturierung zwischen Brettheim und Hilgartshausen steht bevor. Der Brettheimer Ortsvorsteher Reiner Groß (links) und Bürgermeister Dr. Sebastian Kampe freuen sich drauf. Links der heutige, begradigte Verlauf des Flusses, rechts die Fläche, auf der die Brettach künftig mäandern soll. Foto: Sebastian Unbehauen

Renaturierung Bei Brettheim wird die Brettach aus ihrem unnatürlichen Bett geholt. Bürgermeister Kampe spricht vom „größten Naturschutzprojekt im Landkreis“. Die Grundstücksbesitzer ziehen mit.

Listet man auf, welche Stellen an den Vorbereitungen zur Renaturierung der Brettach beteiligt waren, gewinnt man einen lebhaften Eindruck davon, warum Dinge in Deutschland nun einmal so lange dauern, wie sie dauern: Gemeinde Rot am See, Ortschaft Brettheim, Obere Naturschutzbehörde (Regierungspräsidium Stuttgart), Untere Naturschutzbehörde (Landratsamt Schwäbisch Hall), Fischereibehörde, Wasserwirtschaftsamt, Landschaftserhaltungsverband.

„Wirklich nicht einfach“ sei die Abstimmung und das Zusammenführen der unterschiedlichen Interessen gewesen, sagte Bürgermeister Dr. Sebastian Kampe in der jüngsten Gemeinderatssitzung in Rot am See. Umso stolzer ist er, dass es ein Ergebnis gibt: Innerhalb des nächsten Jahres soll die Flusslandschaft zwischen Hilgartshausen und Brettheim, die derzeit nicht im eigentlichen Sinne eine Flusslandschaft ist, ein ganz neues Gesicht bekommen.

„Absolutes Leuchtturmprojekt“

Kampe hatte schon im Bürgermeisterwahlkampf für die Aufwertung der Brettach geworben – und trieb nach seinem Wahlsieg schnell die Renaturierung auf den ersten Kilometern voran. Eine gewisse Wegstrecke ist bereits geschafft, dort wurden aber „nur“ die betonierten Sohlschalen entfernt. Jetzt geht es im Ried zwischen Brettheim und Hilgartshausen ans Herzstück der Maßnahme. Kampe spricht von einem „absoluten Leuchtturmprojekt“ und vom „größten Naturschutzprojekt im Landkreis Schwäbisch Hall“. Man mache hier einen „historischen Fehler der Flurbereinigung wieder gut“. Seinerzeit zwang man den Fluss in ein ausbetoniertes, begradigtes Bett – ganz im Sinne einer möglichst effektiven, intensiven Nutzung der umliegenden Flächen.

Und nun? Was ist geplant? Aus 700 Metern Brettach wird ein Kilometer, weil der Fluss wieder mäandrieren, also in Schlingen verlaufen darf. In der Sitzungsvorlage für die Gemeinderäte sind die ökologischen und landschaftsplanerischen Ziele so zusammengefasst: „Die Wiederherstellung eines naturnahen Bachlaufs, die Förderung der Eigendynamik des Gewässers, die Verbesserung der Lebensräume zahlreicher Libellen-, Insekten- und Fischarten, insbesondere der geschützten Vogel-Azurjungfer, die Entwicklung artenreicher Heuwiesen sowie die Zulassung natürlicher Sukzessionsprozesse zur Entwicklung eines Auwalds.“

Dreifaches Plus

Ortstermin: Kampe und Ortsvorsteher Reiner Groß stehen dort, wo bald alles anders aussehen soll. Momentan ist die Brettach noch ein besserer Entwässerungsgraben, schnurgerade, ohne Fließdynamik, ökologisch entwertet. Auf dem Grünland östlich davon soll das Gewässer in Zukunft fließen. „Wir hoffen, dass wir das Ried wieder so gestalten können, wie es früher war“, sagt Kampe.

So soll, erstens und auf der Hand liegend, die Artenvielfalt deutlich gesteigert werden. Zweitens wird die neu gestaltete Landschaft der Naherholung dienen. „Das wird kein Naturdenkmal, sondern das Gelände soll zugänglich sein“, betont Bürgermeister Kampe auf Nachfrage unserer Zeitung. Zwei Aussichtshügel mit Informationstafeln, Sitzgelegenheiten und Ferngläsern werden errichtet. Und, drittens: Auch der Hochwasserschutz verbessert sich spürbar. Das Gelände wird tiefergelegt, kann künftig also mehr Wasser fassen. Der heutige Bachlauf dient dann als geschlossener Sammler, in den alle Drainagen münden. Das Wasser wird von dort über nur drei Ausläufe in die neue Brettach geleitet. „Und diese Ausläufe werden regelmäßig überwacht, gewartet und freigehalten“, betont Kampe.

Der Bürgermeister weiß, dass dies ein Knackpunkt für die Akzeptanz des Projekts war und ist. „Wir verbessern die heutige Situation. Das war mir von Anfang an wichtig, weil wir die Landwirtschaft mitnehmen müssen“, sagte er in der Gemeinderatssitzung. „Vielen herzlichen Dank an die Brettheimer Landwirte, die Flächen zur Verfügung gestellt haben. Es hat uns sehr, sehr gefreut, wie positiv dieses Projekt aufgenommen wurde.“ Ortsvorsteher Groß betont, dass der Ortschaftsrat immer seit Beginn der Planungen an Bord war, mit den Eigentümern sei man von Anfang an im intensiven Austausch gewesen. Niemandem sei hier etwas übergestülpt worden.

Kein Solitär

Die Brettach-Renaturierung ist außerdem keine Solitär-Maßnahme, sondern eng mit der laufenden Waldflurbereinigung und der Biotopverbundsplanung verknüpft.

Im kommenden Frühjahr sollen die Erdarbeiten beginnen, in einem Jahr könnte das Projekt umgesetzt sein. Es entstehen Kosten von 822.000 Euro, wobei eine Landesförderung aus Ausgleichsgeldern für Windkraft in Höhe von 500.000 Euro zwar noch nicht offiziell bewilligt, aber fest zugesagt ist. Mit dem Eigenanteil der Gemeinde werden Ökopunkte generiert, die sowieso für die Erschließungen des Gewerbegebiets Süd und des Baugebiets Taubenrot VI in Rot am See benötigt werden. Der Gemeinderat votierte einstimmig für die Maßnahme.

Ach ja, manche verbinden mit der Brettach-Renaturierung seit dem Bürgermeisterwahlkampf ja die Hoffnung auf einen idyllischen Biergarten am Fluss. Solches kann Kampe nicht in Aussicht stellen. „Aber wir können ja ein Brettachfeschtle machen“, schlug er in der Gemeinderatssitzung vor. Schwer vorstellbar, dass die feierfreudigen Brettheimer da Nein sagen werden.

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