OB korrigiert Fehler in 36 Fällen
Gemeinderat Die Revision hatte die Praxis der Verwaltung kritisiert: Nicht öffentlich gefasste Beschlüsse müssen öffentlich bekannt gegeben werden. Doch daran hielt sich die Stadt nicht immer.
Auch wenn Ratssitzungen grundsätzlich öffentlich sein sollten, wird in Schwäbisch Hall so manches hinter verschlossenen Türen debattiert und entschieden. Zwar gibt es Fälle mit relevanten Gründen für den Ausschluss der Öffentlichkeit – aber die waren in der Blendstatthalle nicht immer gegeben. Zumindest aber hätten so gefasste Beschlüsse später öffentlich bekannt gegeben werden müssen.
Ein solcher Fall war in der jüngeren Vergangenheit der mögliche Verkauf von Wohnungen im Projekt Schenkenhöhe für rund 18 Millionen Euro an Stadt und Hospitalstiftung. Die GWG hatte das Projekt 2023 zwischenzeitlich als Risiko gesehen. Oberbürgermeister Daniel Bullinger hatte den Punkt nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten und beschließen lassen. Erst durch Recherchen der Redaktion wurde das bekannt. Der OB hat in der Folge den Fehler eingeräumt und zumindest den Beschluss in öffentlicher Sitzung im Gemeinderat bekannt gegeben.
Pflicht für Bekanntgabe
Das betraf auch einen anderen Vorgang: Für das städtische Personal sollten Gutscheine oder Zuschüsse im Wert von je monatlich 48 Euro bewilligt werden. Der Rat segnete die dafür nötigen Jahreskosten in Höhe von 450 000 Euro ab, ohne, dass die Bevölkerung etwas davon mitbekommen hat. Auch in diesem Fall reagierte der OB erst auf Nachfrage der Redaktion. Zunächst nicht öffentlich debattiert worden war auch Bullingers Verwaltungsreform mit der Schaffung einer zusätzlichen Bürgermeisterstelle, die inzwischen besetzt ist. Die Redaktion hatte den Vorgang öffentlich gemacht.
Dabei gilt laut Gemeindeordnung der Öffentlichkeitsgrundsatz von Ratssitzungen. Tagesordnungspunkte dürfen nur dann nicht öffentlich behandelt werden, wenn das öffentliche Wohl oder das berechtigte Interesse Einzelner beeinträchtigt wäre. Laut der Kommentierung zum Gesetz dürfen die Themenkomplexe auch nicht pauschal in den nicht öffentlichen Teil geschoben werden, wie es bei Grundstücksangelegenheiten in Hall grundsätzlich praktiziert wird. Im Kommentar heißt es, dass die Interessen Einzelner nur dann schützenswert seien, wenn sie berechtigt sind, es sich also um „rechtlich geschützte oder anerkannte Individualinteressen handelt“. Dies sei der Fall, wenn im Verlauf der Sitzung „persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse zur Sprache kommen können, an deren Kenntnisnahme schlechthin kein Interesse der Allgemein- heit bestehen kann und deren Bekanntgabe dem Einzelnen nachteilig sein könnte“. Es muss demnach das Schutzinteresse des Einzelnen das Informationsinteresse der Allgemeinheit überwiegen.
2022 bis 2024 geprüft
Der Bundesgerichtshof sieht in einem Urteil (2015) die Öffentlichkeit als elementar an, damit Bürger die Arbeit von Verwaltung und Rat kontrollieren können. Es soll unter anderem der „unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung des Gemeinderats“ vorgebeugt werden. In jedem Fall gilt aber, dass nicht öffentlich gefasste Beschlüsse in der folgenden öffentlichen Sitzung bekannt gegeben werden müssen.
Die städtische Revision – eine unabhängige Prüfeinheit innerhalb der Stadtverwaltung – hatte in ihrem Schlussbericht für das Jahr 2022, der im November 2024 veröffentlicht wurde, zu diesem Punkt einen kurzen Hinweis veröffentlicht. Darin stand, dass die Bekanntgabe von nicht öffentlich gefassten Beschlüssen überprüft wurde. „Festgestellt wurde, dass für 15 Beschlüsse aus 2022, für 30 aus 2023 und für 9 aus 2024 (bis Mai) die Bekanntmachung in der (nächsten) öffentlichen Sitzung noch nicht erfolgt ist. Diese Beschlüsse sind noch öffentlich bekannt zu geben.“ Die Redaktion hatte darüber bereits Ende 2024 berichtet.
Stadtrat Hermann-Josef Pelgrim (SPD), in dessen Amtszeit ebenfalls unliebsame Themen wie verpasste Zuschüsse nur nicht öffentlich behandelt wurden, hatte seinen Amtsnachfolger damit konfrontiert, wann denn die öffentliche Bekanntgabe der 54 Beschlüsse nachgeholt werde. Bullinger hatte geantwortet: „Wir werden es so handhaben, dass wir es ab sofort richtig machen.“ Er wolle es sich aber „nicht antun“, die Beschlüsse im Rat allesamt noch vorzulesen. Die Redaktion hat darauf die Auflistung aller versäumten Bekanntmachungen gefordert.
Jetzt, rund zehn Monate später, wurde im öffentlichen Teil der Ratssitzung vom OB eine Liste mit 36 Themenkomplexen veröffentlicht, deren Beschlüsse damit nachträglich öffentlich gemacht werden. Bei einer Vielzahl geht es um nicht genutzte Vorkaufsrechte der Stadt bei Immobiliengeschäften. Aber nicht nur. Ein Beschluss befasst sich etwa mit einem dienstfreien Bonustag für städtische Mitarbeiter, den der Gemeinderat 2023 genehmigt hatte. Ebenso Zulagen für Fachkräfte im städtischen IT-Bereich.
Im Mai 2023 wurde vom Rat nicht öffentlich beschlossen, das Nikolaihaus an der Salinenstraße für die Anschlussunterbringung an den Landkreis zu vermieten. Aus einem ähnlichen Grund erwarb die städtische GWG das Gebäude des ehemaligen Sölch in der Hauffstraße, um es der Stadt für die Anschlussunterbringung zu vermieten. Die Beschlüsse dazu wurden damals allesamt unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefasst und erst jetzt bekannt gegeben.
Unterstützung für AWO
Auf der Liste tauchen weitere Punkte auf: die Anpassung der Verkaufspreise für Gewerbebauplätze in Hall, Sanierungsarbeiten an Gebäude und Hof im Spitalbach 22 sowie ein neues Erbbaurecht für das Hotel Hohenlohe. Zudem: eine kommunale Ausfallbürgschaft in Höhe von 4,71 Millionen Euro für die Haller Arbeiterwohlfahrt, zur Finanzierung und zum Erwerb der Seniorenwohnlage Gänsberg (Lange Straße 52, 54 und 56) – mit der Maßgabe, dass die Immobilien für eine Mindestdauer von 20 Jahren weiterhin als betreute Seniorenwohnanlage genutzt werden.
Bullinger las die Beschlüsse nicht einzeln vor, verwies aber bei der Korrektur seiner Fehler auf „Verwaltungspraxis“, die er aus der Vorzeit übernommen habe, also aus der Ära Pelgrim. Nach dem Hinweis der Revision habe Bullinger „in der Konsequenz“ die Bekanntgabe nachgeholt. Die Verwaltung werde die Bekanntgabe künftig offener handhaben, versichert der OB.
Wir werden es in Zukunft so offen tun und den Hinweis der Revision künftig umsetzen. Daniel Bullinger Oberbürgermeister der Stadt Hall