Facette der Bildungsmisere
Schwarz-Rot will das BaföG reformieren, doch mit Priorität treibt die Koalition dies nicht voran. Dabei zeigt sich, dass es nicht nur um die finanzielle Unterstützung Studierender geht, sondern gute Bildungschancen eine Querschnittsaufgabe ist.
Junge Menschen haben in unserer Gesellschaft keine starke Lobby. Es ist deshalb kein Zufall, dass im Bundestag mit Hingabe über die Altersvorsorge gestritten wird. Unzufriedene und in ihrem Protest gut organisierte Rentner können Wahlen entscheiden. Die Jungen stehen dagegen mit ihren Problemen eher allein.
Ein Wechsel des Fokus ist überfällig. An der Frage, ob es uns gelingt, einen möglichst breiten Zugang zu akademischer Bildung zu ermöglichen und dabei niemanden aus sozialen Gründen auszugrenzen, entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, das mehr denn je auf Innovation und wissenschaftliche Exzellenz angewiesen ist.
Dass das BAföG bei immer weniger Studierenden ankommt, ist nur eine kleine Facette der Bildungsmisere. Bildungsstudie um Bildungsstudie bescheinigt uns, dass unser Schulsystem nicht durchlässig genug ist. Bildungserfolg – auch der akademische – hängt eben doch vom Geldbeutel der Eltern ab. Die Zahl der Studierenden aus nicht-akademischen Familien stagniert seit Langem. Das ist keine linke Kampfrhetorik. Talente aus allen Schichten zu finden und zu fördern, entscheidet über die Zukunftschancen unserer Industrie auf den globalen Märkten.
Am Beispiel des BAföG blitzt auf, dass das Thema guter Bildungschancen kein Randthema für Fachpolitiker ist. Es ist eine Querschnittsaufgabe, die alle angeht. Wenn etwa die Mieten in Metropolregionen und Universitätsstädten nicht so drastisch steigen würden, wäre auch das BAföG-Thema erheblich weniger brisant. Auch eine gute Sozialpolitik ist Bildungspolitik. Das gilt auch für die Infrastruktur-Politik. Der bauliche Zustand vieler Hochschulen ist mehr als bedenklich.