Alles außer Disruption
Das deutsche Wirtschaftsmodell war lange erfolgreich. Aber die weltweiten und ökonomischen Umbrüche erfordern eine radikale Umstellung. Das allerdings können wir nicht so gut. Hoffnungslos ist die Lage deswegen nicht.
Ehe Baden-Württemberg „The Länd“ wurde, warb es viele Jahre für sich mit dem Slogan: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ Das war so gelungen, dass der Spruch bis heute in zahllosen Varianten fortlebt. Mit Blick auf die deutsche Gesamtsituation hier also ein neuer Vorschlag: „Wir können alles. Außer Disruption.“
Denn immer deutlicher zeigt sich, welche Schwierigkeiten „The Länd“ und auch alle anderen Bundesländer sowie überhaupt Wirtschaft, Bürger und Republik mit den aktuellen Umbrüchen haben. Das hat mit unseren spezifisch deutschen Fertigkeiten zu tun, unseren Traditionen und unserer Mentalität. Das Gute daran ist: All das lässt sich ändern. Und zu spät ist es auch nicht. Das war übrigens auch ein Teil der Botschaft, die sich das Bundeskabinett bei seiner Klausur in der Berliner Villa Borsig vor einigen Wochen von dem Ökonomen Markus Brunnermeier erklären ließ.
Tatsächlich war das deutsche Geschäftsmodell sehr lange sehr erfolgreich: Billige Energie, eine stabile Weltordnung und hohe Qualität „made in Germany“ sicherten Absatz weltweit und entsprechende Gewinne hierzulande. Blöd allerdings, dass diese Aussage nur noch in der Vergangenheitsform uneingeschränkt richtig ist. Die billige Energie jedenfalls ist vorerst futsch und die stabile Weltordnung auch.
Beides wird sich auf absehbare Zeit auch nicht zurückholen lassen: Selbst wenn Russlands Präsident Wladimir Putin und sein Angriffskrieg gegen die Ukraine und damit Sanktionen und Boykotte eines Tages Geschichte sein sollten – fossile Brennstoffe aus russischen Böden sind kein Modell für die Zukunft mehr. Und selbst wenn die Amtszeit von Präsident Donald Trump und die erratische US-Handelspolitik eines Tages enden sollten – andere Staaten haben sich längst aufgemacht, mitzumischen beim großen Spiel um Macht und Geld.
Aber nicht nur die weltweiten Umstände, auch der wirtschaftliche Umbruch selbst fordert Deutschland heraus. Denn was wir hierzulande immer besonders gut gemacht haben, ist die Verfeinerung von Produkten. So lange am Verbrennermotor schrauben, bis es nirgendwo mehr einen besseren gibt. So lange an Fensterrahmen feilen, bis da wirklich kein Zuglüftchen mehr durchweht. So lange an Maschinen hämmern, bis sich die ganze Welt um die Anlagen reißt. Im – sozusagen linearen – Veredeln des Vorhandenen sind wir unschlagbar, in disruptiver Innovation leider nicht.
Das Ganze ist aber alles andere als hoffnungslos. So schlecht ist Deutschland für die Zukunft nicht aufgestellt. Die Grundlagenforschung gehört immer noch zur Weltspitze, Experten schwärmen vom Netzwerk und vom Niveau der republikweit verteilten Institute wie Helmholtz und Fraunhofer. Die duale Ausbildung wird weltweit kopiert. Und das System der Familienunternehmen erschwert mitunter zwar die Steuerpolitik, ist aber eigentlich bestens für schnelles wirtschaftliches Umsteuern geeignet.
Wenn fortan also neben Auto- und Maschinenbau auch Biotech und Künstliche Intelligenz zu unseren Spezialgebieten gehören, dürfte es gute Aussichten auf eine gute Zukunft geben in „the Deutschländ“.
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So schlecht ist Deutschland für die Zukunft nicht aufgestellt. Die Forschung ist immer noch Weltspitze.