Die Saat ist nicht aufgegangen
Kirche Pfarrer Cornelius Küttner spricht offen über sein gescheitertes „Ackerprojekt Q“. Der Merklinger hat einen Schlussstrich gezogen, der ihm immer noch weh tut.
Von „verkümmerter Saat“ spricht Pfarrer Cornelius Küttner im Rückblick auf eine Projektstelle, die er im Frühjahr 2020 mit Unterstützung der Evangelischen Landeskirche übernommen hatte. In Folge teilte er seine bisherige Pfarrstelle Merklingen/Machtolsheim mit Pfarrer Florian Rochau und investierte die andere Hälfte in das Merklinger „Ackerprojekt Q“.
Als ihm im Frühjahr 2023 die Achillessehne riss, war er bis Juni nicht einsetzbar. Ein Schlüsselerlebnis mit Zeit zum Reflektieren und schmerzhaftem Schlussstrich: „Ich habe meine Anfangsvision nicht gelebt. Es gab viel Schönes, aber es konnte durch zu viel Hektik nicht wurzeln.“
Menschen in landwirtschaftliche Tätigkeiten einzubinden und sie darin Schätze des Glaubens entdecken zu lassen, das war Küttners Vision. Unter dem Motto „Geerdet sein – gehimmelt leben“ entstand in Verbindung mit dem Ehepaar Bettina und Andreas Ruhland ein Konzept zur Erlangung von mehr Gleichgewicht im Alltag durch landwirtschaftliche Betätigung im Gleichklang mit der Natur. Durch dieselben Interessen sollte zudem Gemeinschaft entstehen.
Also wurden Ackerparzellen gemietet, ein eigener Acker bewirtschaftet, Leben geteilt und Tageskurse mit Tiefgang angeboten. Mit „SteinZeit – hartes Leben anpacken“, lockte zum Beispiel das erste Angebot, denn auf der Suche nach Ackersteinen auf der Alb begegnet man unweigerlich eigenen Stolpersteinen, die im Leben eingebaut werden müssen. Steineklauben also nicht nur eine den Rücken quälende Tätigkeit, sondern zugleich Meditation mit ergänzendem Gestaltungskurs durch eine Kunsttherapeutin.
Weitere Angebote wie „KeimZeit“ – Leben beginnen lassen oder „RausZeit“ – dem Leben Luft verschaffen und „ErnteZeit“ – das Leben mit vollen Händen packen wurden durch erlebnispädagogisches Arbeiten mit Pferden begleitet. Im Jahr 2022 brachten die Angebote gut 120 Leute auf den Acker. Laut Küttner sehr aufwendig in der Vor- und Nachbereitung, wenngleich erfüllend. In Verbindung mit der Ackerarbeit für Gemüse, das zudem angebaut und in der Dorfmitte vermarktet wurde, auch körperlich zehrend.
Heute spricht Küttner reflektiert über die logistischen und inhaltlichen Herausforderungen, die ihn neben seinem Dienst als Gemeindepfarrer ständig begleitet haben: Von Seelsorgegesprächen auf dem Acker in völlig anderer und wunderbarer Qualität, von Menschen, die sich in der Natur immer mehr öffneten, sich durch ihr Tun veränderten und vom Gefühl, eine neue Gemeinschaft zu werden.
Doch daneben gab es den Schreibtisch im Pfarrbüro, ein Trauergespräch, Gottesdienstvorbereitung und vieles mehr in der Kirchengemeinde. „Deswegen hatte ich keine Zeit für das Feierabendbier auf dem Acker. Für den lockeren Plausch danach. Ich musste auf die Uhr schauen, obwohl genau das wichtig gewesen wäre. Und der Acker ist eine Daueraufgabe. Die schafft man nicht nebenbei“, weiß Küttner heute. Besonders, wenn Gemüse biologisch angebaut und gedeihen soll. „Wer sammelt die Schnecken morgens um sechs Uhr ab? Ich war nur noch am Rotieren und hatte stets das Gefühl, meine Arbeit nicht richtig zu machen.“
Der Riss der Achillessehne ermöglichte dem 42-Jährigen Zeit, die Stellschrauben zu überdenken und führte zur Entscheidung, das Ackerprojekt Ende 2024 zu beenden. Es sei eine schmerzhafte und mit Scham besetzte Entscheidung gewesen, gesteht Küttner, der im Nachgang weiß: „Das war nicht meine Stärke und mir fehlt Know-how. Aufwand und Ertrag hielten sich nicht die Waage“, lautet sein Fazit, wenngleich er sich fragt, ob und wie er es hätte besser kommunizieren sollen?
Von der Landeskirche aus hatte er bis Februar 2026 Zeit, das Ackerprojekt wachsen zu lassen, „aber ich konnte dabei nicht in den Moment kommen und war zu sehr in Hektik. Die Saat ist nicht aufgegangen“.
Seit Januar dieses Jahres arbeitet Cornelius Küttner mit Pfarrerin Sandra Baier aus Nellingen in einem Transformationsprojekt, das für Wandel, die Förderung und Unterstützung der regio-lokalen Kirchenentwicklung im Evangelischen Kirchenbezirk Blaubeuren steht.
Ich war am Rotieren und hatte stets das Gefühl, meine Arbeit nicht richtig zu machen. Cornelius Küttner Pfarrer