Gottes Engel brauchen keine Flügel
Bücher über Engel gibt es unzählig viele auf dem Büchermarkt. Bilder und Figuren von Engel gibt es überall zu kaufen. Und so langsam kommen auch schon die Weihnachtsengel wieder zum Vorschein. Die Bibel selber erzählt keine Geschichten von Engeln, sondern Geschichten mit Engeln. Die Engel verschwinden ebenso schnell wieder, wie sie aufgetreten sind. Was vorher war und nachher ist, steht nicht da.
Und trotzdem – Engel sind unterwegs. Sie kommen und gehen. Sie scheinen uns nahe zu sein und sind doch fremd. „Käme kein Engel mehr, dann ginge die Welt unter. Solange Gott die Erde trägt, schickt er seine Engel. Die Engel sind älter als alle Religionen, und sie kommen auch noch zu den Menschen, die von Religion nichts mehr wissen wollen.“ So beginnt der alttestamentliche Theologe Klaus Westermann sein Buch über Engel. Diese Worte passen besonders in unser säkulares, multikulturelles Weltverstehen. Wie sehen wir die Engel? Sie sind für uns da, um uns zu beschützen und sind gleichzeitig Hinweise himmlischer, unheimlicher Mächte. Sie verkünden frohe und gute Botschaften und vermitteln zugleich rätselhafte Aufträge. Sie geben klare Hinweise und lassen zugleich Unsicherheit zurück. Es gibt sie in den religiösen Traditionen, und zu ihnen gehören bestimmte Namen und Attribute. Gleichzeitig reden auch Menschen von Engeln, die mit der religiösen Tradition nichts im Sinn haben oder nichts von ihr wissen. Es gibt Zeiten, in denen man von Engeln spricht und Zeiten, in denen sie keine herausragende Rolle spielen. Niemand weiß genau über sie Bescheid, und doch gibt es unendlich viele Bilder, Lieder, Gedichte und Geschichten über sie und von ihnen. Was also fasziniert uns an den Engeln? Engel heißt übersetzt Bote oder Gesandter. Wenn Menschen heute von Engeln reden oder hören, ist ihnen die Vorstellung eines Schutzengels am vertrautesten. Sie treten zu besonderen Zeiten, oft Krisenzeiten, auf. In Augenblicken der Furcht und Angst werden sie gerufen. Gerade in solchen Situationen freuen wir uns, wenn wir Menschen haben, die uns helfen. „Du bist mein Engel“, sagen wir dann zu ihnen. Ja, den Auftrag füreinander Engel zu sein, nimmt uns kein Engel ab.
Deshalb schreibt der Dichter Rudolf Otto Wiemer ein Gedicht für unsere Zeit: „Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel. Sie gehen leise, sie müssen nicht schreien, die Engel. Oft sind sie alt und hässlich und klein, die Engel. Er steht im Weg und er sagt: Nein, der Engel. Groß wie ein Pfahl und hart wie ein Stein, der Engel. Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.“
Engel – gibt’s die unter uns? Ich denke schon, wenn auch oft unerkannt. Durch viele Menschen, die sich ehrenamtlich für ihre Mitmenschen engagieren, sind sie mitten unter uns. Denn – Gottes Engel brauchen keine Flügel.