Ärger über Kritik an den Kügelchen

  • Die Homöopathie, zu deren bekanntesten Präparaten Globuli zählen, soll als Kassenleistung gestrichen werden. Dabei ist kaum eine Behandlungsmethode so umstritten: Viele Menschen schwören auf sie, obwohl ihre Wirkungsweise nicht wissenschaftlich belegt ist. Foto: Silke/Pixabay

Medizin Globuli und Co. sollen nicht mehr von den Krankenkassen finanziert werden. Ärzte und Heilpraktiker sehen durch den Vorstoß Lauterbachs diese Form der Alternativmedizin beschädigt.

Wirkung ohne unerwünschte Nebenwirkungen – solche Medikamente wünschen sich die meisten Patienten. Es gibt Arzneien, bei denen dies weitgehend der Fall ist: winzige Kügelchen, sogenannte Globuli, die bekanntesten der homöopathischen Präparate. Ob sie wirken, ist nach wie vor in der Diskussion.

Nur hat kürzlich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) öffentlich verkündet, dass homöopathische Behandlungen künftig aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen werden sollen. Lauterbach argumentiert so: „Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden.“

Doktor Martin Lion, Allgemeinmediziner, seit über 30 Jahren homöopathischer Arzt in Ulm, ist dieses Vorgehen unverständlich. Nicht mal so sehr, dass Patienten homöopathische Arzneimittel selbst bezahlen sollen. „Das tun die gesetzlich Versicherten ohnehin bereits.“ Was Lion ärgert ist, dass Lauterbach „die Homöopathie als Ganzes diskreditiert“. Die Glaubwürdigkeit dieser Form der Medizin erleide so Schaden, was Lion auch daran merkt, dass sich immer weniger Medizinstudenten zu homöopathischen Ärzten ausbilden lassen. Lion setzt sich auch als Prüfer bei der Ärztekammer in Tübingen für eine gründliche Ausbildung ein, nur dann könne die Homöopathie erfolgreich sein.

Lauterbachs Streichungen

Der Bundesgesundheitsminister verspricht sich durch die Streichung Einsparungen in Höhe von 20 bis 50 Millionen Euro. Um das Geld allein gehe es aber nicht, bekannte er, sondern „Krankenkassen sollten nicht für Leistungen bezahlen, die medizinisch nichts bringen“. Homöopathie habe nach wissenschaftlichem Sachstand keinen medizinischen Nutzen. Der Ulmer Arzt Lion hält mit seiner Erfahrung der „hohen Wirkung homöopathischer Präparate dagegen. Das erlebe ich jeden Tag in meiner Praxis.“ Deswegen sagt er sogar, die Homöopathie spare den Krankenkassen Kosten, nämlich Kosten für teure Medikamente.

„Wenn ich mir das vor Augen halte, muss ich sagen, Herr Lauterbach stellt die Tatsachen auf den Kopf.“ Lion lädt deswegen den Gesundheitsminister in seine Praxis ein. „Mein Angebot steht: Er kann mich gern eine Weile begleiten.“ Das würde Lauterbachs „Unwissenheit in Sachen Homöopathie“ korrigieren, ist sich der Ulmer Arzt sicher.

Ebenfalls „kein Verständnis für Lauterbach“ hat Yvonne Beutelrock vom Verein für Homöopathie und Gesundheitspflege in Ulm/Neu-Ulm. Bei der Frage nach wissenschaftlichen Belegen verweist sie auf den Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann. Er habe, als er vor 200 Jahren seine Theorien aufstellte, Probanden gebeten, die Wirkung der Substanzen, die sie einnahmen, zu notieren. „Ist das keine Wissenschaft?“, fragt Beutelrock.

Die Heilpraktikerin ist zur alternativmedizinischen Methode gekommen, weil sie selbst gute Erfahrungen damit gemacht hat. „Deswegen ärgert es mich, wenn versucht wird, die Homöopathie platt zu machen.“ Sie ist dafür, Menschen die Therapiefreiheit zu lassen. Die könnte mit Lauterbachs Vorstoß gefährdet sein, wenn auch private Kassen und die Beamtenkrankenkasse nachziehen würden. Sie verweist darauf, dass homöopathische Präparate wenig kosten. „Was soll dann diese Einsparung?“, fragt Beutelrock weiter.

Ausgerechnet bei Globuli und Co. verkämpft sich Lauterbach – das versteht auch der Allgemeinmediziner und Sprecher der Kreisärzteschaft Ulm, Dr. Norbert Fischer, nicht. Ihm fallen andere Möglichkeiten ein, wenn man an Leistungen der Kasse sparen will.

So nennt er teure Asthmasprays für starke Raucher oder Pillen zum Cholesterinsenken für stark Übergewichtige. Patienten, die daran leiden, könnten nämlich selbst am gesundheitlichen Zustand etwas ändern. „Wenn jemand aber über Jahre keine Eigenverantwortung zeigt, keinen Rucker tut, ist schon die Frage, warum die Allgemeinheit dafür zahlen muss.“ Zu Globuli hat der Mediziner ein entspanntes Verhältnis. „Es hilft den Menschen, dann billigt man ihnen das zu.“

Für den Pharmazeuten Dr. Christoph Schmidt, Professor für Experimentelle Pharmakologie und Naturheilkunde am Institut für Naturheilkunde des Uniklinikums Ulm, stellt sich die Frage um die Finanzierung homöopathischer Produkte durch die Krankenkassen und Lauterbachs Vorstoß so dar: „Sollte die Allgemeinheit für Therapien bezahlen, die nachgewiesen keine klinische Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus haben, aber sehr wohl einen Placeboeffekt auslösen?

Anders gefragt: Soll die Gesellschaft für Placebomedizin zahlen?“ Da liegt für den Pharmakologen der Hund begraben.

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