Leidenschaftlich für den Frieden
Friedenswochen Der namhafte Publizist spricht in Ulm über Kriege, Kompromisse und sein neuestes Buch, „Den Frieden gewinnen – die Gewalt verlernen“.
Bub, schreib‘ was gegen den Krieg!“ Mit 71 Jahren hat Heribert Prantl die Worte seiner Großmutter in die Tat umgesetzt. Das neueste Buch des namhaften Journalisten heißt „Den Frieden gewinnen - die Gewalt verlernen“. Doch sei der Weg zum Frieden „kein Sommerspaziergang“, sondern mitunter gar ein „Höllenritt“, wie Prantl am Anfang des Abends im vollen Saal des Ulmer Gewerkschaftshauses warnt.
Wortgewaltig referiert er als Gast der Friedenswochen über seine drei Forderungen in den aktuellen Zeiten des Kriegs in der Ukraine und im Gazastreifen: Es bedürfe einer neuen Friedensbewegung, vermehrter Entspannungspolitik und der Vermeidung eines Dritten Weltkrieges, „denn es wäre der letzte“.
„Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten“, zitiert er Bertolt Brecht, um nachdrücklich vor einer Apokalypse zu warnen. Seinerzeit war die Metropole Karthago nahe dem heutigen Tunis von den Römern zerstört worden.
Keine Kriegstüchtigkeit
„Ich liebe das Europäische Parlament“, betont Prantl, der seit Jahrzehnten für die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt. Jedoch sei er nicht einverstanden mit der neuen Resolution, die es der Ukraine erlaube, EU-Waffen gegen Moskau zu verwenden. „Soll das der Weg zum Frieden sein?“ Der aktuellen Militärpolitik der Europäischen Union erteilt der Publizist jedenfalls eine Absage: Frieden könne man nicht „herbeibomben, sondern muss ihn herbeiverhandeln“.
Weder die Ampelparteien noch die Union ließen in der aktuellen Zeit genügend Diskussionsraum für antimilitaristische Haltungen. „Der Frieden ist eine zu ernste Sache, um sie den Parteien an den politischen Rändern zu überlassen“, warnt der Kolumnist in diesem Kontext. Die Positionen in den Parteien müssten wieder streitbarer werden. Konkrete Vorschläge, wie eine Entspannungspolitik aussehen sollte, macht er jedoch nicht.
„Ich denke, allmählich reicht es“ mit den Waffenlieferungen, erklärt Prantl später im Gespräch. In der aktuellen Lage müsse man vermehrt auf Verhandlungen und Diplomatie setzen.
Ganz im Gegenteil zu dem, wie der Satz „Wer Frieden will, muss den Krieg vorbereiten“ sonst klingt, findet der Gast des Abends: „Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten.“ Deutschland brauche jetzt keine „Kriegstüchtigkeit“, sondern „Friedenstüchtigkeit“.
Als Pazifist bezeichnet sich Heribert Prantl allerdings nicht. Aber er habe „allergrößten Respekt vor den Pazifisten“. Er empfinde es als äußerst ungut, herablassend auf deren Positionen zu blicken. Was ihn selbst von einem Pazifisten unterscheide: Im „Extremfall“ sei militärisches Handeln für den friedliebenden Journalisten statthaft.
Man solle „Verhandlungen führen, als gäbe es keinen Terror“, und „den Terror bekämpfen, als gäbe es keine Verhandlungen“, sagte der israelische Journalist Uri Avnery 1997. Er setzte sich damals für Frieden im Nahen Osten ein. Prantl wiederholt diesen Satz und gibt zu bedenken, was die Botschaft heute bedeuten könnte: Während er sein neues Buch schrieb, entfachte der Krieg im Gazastreifen. Der Untertitel „Die Gewalt verlieren“ sei in diesem Kontext entstanden.
„Die weißen Tauben sind müde“: Bedauernswert findet Prantl, dass es heute keine aktive Friedensbewegung mehr gebe. Friede sei schließlich kein „Naturzustand“, „er muss gestiftet werden“. Dazu müsse man ihn im Kindesalter beibringen. „Friedenserziehung ist Bildung in der Kunst des Kompromisses“. Später greift Prantl zu drastischeren Worten: „Wenn man Kindern im ersten Akt ihres Lebens ein Gewehr ins Zimmer hängt, werden sie es später auch abfeuern.“
Kontroverse Diskussionen kommen an diesem Abend trotz der Kritik an Bund und EU nicht zustande: Bei der offenen Gesprächsrunde am Ende ist viel Raum für gegenseitige Zustimmung. Für Heribert Prantl und seine „Freundinnen und Freunde des Friedens“ steht fest, was Willy Brandt einst sagte: „Frieden ist nicht alles, doch ohne Frieden ist alles nichts.“