Mama für hunderte Kinder
Soziales Robinah Makowitzki kümmert sich seit 17 Jahren um Jungen und Mädchen, die in Uganda auf der Straße leben. Gerade entsteht dort ein Internat. Für ihre Arbeit wurde sie vom Kanzler geehrt.
Als Robinah Makowitzki den Brief las, kamen ihr die Tränen. Ein Junge aus Uganda hatte ihr vor einiger Zeit geschrieben – um persönlich auf sie zuzugehen, sei er zu schüchtern, stand da. Aber er wolle ihr, „Mama Robinah“, unbedingt danke sagen. „Ich war so berührt“, sagt die 55-Jährige aus Altheim/Alb. In solchen Momenten merke sie: „Meine Arbeit ist nicht umsonst.“
„Mama Robinah“ ist Makowitzki nicht nur für den Briefschreiber, sondern für hunderte Mädchen und Jungen aus Kampala, Ugandas Hauptstadt. Viele von ihnen sind in den dortigen Slums aufgewachsen. Seit 17 Jahren setzt sich Makowitzki für diese Straßenkinder ein. Was mit zwei warmen Mahlzeiten pro Woche begann, ist heute ein umfangreiches Hilfsprojekt des Vereins „Fokus Leben“: Es gibt eine Suppenküche, einen Kindergarten, eine christliche Gemeinde, ein Grundstück mit Landwirtschaft – und seit diesem Jahr auch eine Internatsschule.
Das Gebäude wurde im Februar bereits eröffnet, trotzdem ist noch viel zu tun. Makowitzki zeigt akutelle Fotos: Mehrere Männer überdachen ein kleines Steinhaus. „Das ist für die Lehrer“, erklärt sie. Deren Lohn reiche nicht für Miete, deswegen baue sie Unterkünfte. Außerdem entstehen gerade Klassenzimmer – vier sind bereits fertig, zwölf sind geplant. Jugendliche sollen in der Schule auch eine Ausbildung machen können, etwa als Schneiderin oder als Automechaniker. „Wir wollen ihnen damit eine Zukunft geben“, sagt Makowitzki.
Anfang November war sie selbst vor Ort, hat auf der Baustelle außerhalb Kampalas mitangepackt. „Wenn ich dabei bin, ist die Arbeit von drei Tagen an einem Tag gemacht“, sagt sie und lacht ihr lautes, ansteckendes Lachen. „Das ist die schwäbische Mentalität.“
Heimat in Altheim gefunden
Die 55-Jährige lebt sei knapp 30 Jahren in Altheim/Alb. Aufgewachsen ist sie aber in Uganda, wo lange ein grausamer Bürgerkrieg herrschte. „Die Leute auf dem Land wurden gejagt“, sagt Makowitzki. Sie erinnert sich noch gut daran, wie sie – das Baby einer Verwandten auf dem Arm – nur knapp einer Kugel entging, die in den Bananenbaum hinter ihr einschlug. „Ich bin dankbar, dass sich heute noch lebe.“
Die Schule konnte sie wegen des Krieges nur bis zur siebten Klasse besuchen, danach arbeitete sie in verschiedenen Jobs. Ins Schwabenland kam sie der Liebe wegen: Sie lernte ihren ersten, mittlerweile verstorbenen Mann im Kenia-Urlaub kennen, ging mit ihm nach Altheim/Alb. In dem kleinen Ort zog sie ihre drei Kinder auf, fühlte sich von Anfang an wohl und angenommen. „Es ist mein Zuhause“, sagt sie heute.
Nach Uganda flog Makowitzki trotzdem immer wieder, um ihren Söhnen und ihrer Tochter das Land zu zeigen. Bei einem Besuch im Jahr 2005 spürte sie den starken Wunsch, den Straßenkindern Kampalas zu helfen. „Es hat mich gepackt und nicht mehr losgelassen“, erzählt die gläubige Christin. Sie betete zu Gott: „Zeig mir, was ich tun kann.“
Makowitzki selbst verdiente damals nicht viel, arbeitete als Reinigungskraft. Aber immer mehr Menschen aus Altheim/Alb fingen an, ihr Geld für die Kinder in Uganda zu geben oder anonym in ihren Briefkasten zu werfen – von sich aus, ohne dass sie gefragt hätte, sagt die 55-Jährige. Irgendwann machte sie auch Werbung für ihr Arbeit, ging auf Märkte in der Region. „Ich war immer an der Front.“
Mit dem Geld startete sie ihr Hilfsprojekt. Die erste Herausforderung: das Vertrauen der Jungen und Mädchen zu gewinnen. „Sie hatten Angst“, erläutert die 55-Jährige. Andere Menschen wollen mit den Straßenkindern in der Regel nichts zu tun haben. „Sie sind nicht gewaschen, nehmen Drogen“, sagt Makowitzki und zeigt Fotos aus den Slums: Darauf Jugendliche, die weggetreten auf der Straße liegen, mitten im Müll. Wahrscheinlich haben sie Klebstoff oder Kerosin geschnüffelt.
Makowitzki ließ sich davon nicht abschrecken. Nach und nach baute sie ihre Hilfsangebote aus. „Viele der Kinder von früher sind jetzt mit ihrer Ausbildung fertig“, erzählt sie stolz. Und wenn Jugendliche zurück auf die Straße gehen, die Hilfe nicht annehmen? „Gott hat uns das Leben als Geschenk gegeben“, sagt die dreifache Mutter dazu. „Jeder muss selbst entscheiden, wie er damit umgeht. Ich habe meinen Teil getan.“
Ehrengast in Hamburg
Für ihr Engagement wurde die 55-Jährige im Oktober nach Hamburg eingeladen. Als Ehrengast nahm sie an der Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit teil und berichtete Kanzler Olaf Scholz von ihrem Projekt. Für sie ein Zeichen der Wertschätzung. Dennoch, Zuhause fühlt sie sich wohler. „Alles war schön, das Essen sehr gut, aber man ist nicht frei“, sagt sie zu Hamburg, auch angesichts der strengen Sicherheitsvorkehrungen.
In Altheim/Alb wohnt Makowitzki mittlerweile gemeinsam mit ihrem zweiten Mann. Kennengelernt hat sie ihn – wie sollte es auch anders sein – über ihr Hilfsprojekt. Er las einen Artikel darüber und meldete sich bei ihr, um seine Unterstützung anzubieten. „Er kauft nie die Zeitung, aber an diesem Tag schon“, sagt die 55-Jährige und lacht. Mittlerweile ist er ein wichtiger Helfer. Dieses Jahr sind die beiden zusammen in den Urlaub gefahren – für die 55-Jährige das erste Mal in den vergangenen 17 Jahren.
Wenn ich dabei bin, ist die Arbeit von drei Tagen an einem Tag gemacht. Robinah Makowitzki Vorstand Verein „Fokus Leben“