„Ohne Zebus wäre ich im Rollstuhl“

  • Die Zeburinder von Jürgen Hoffmann grasen hier nahe dem alten Sportplatz bei Eggingen und halten die Stromleitungstrasse frei. Foto: Nadja Ruranski
  • Beim Unfall vor elf Jahren erlitt Jürgen Hoffmann eine Gehirnblutung und 26 Knochenbrüche. Foto: Privat
  • Die Zebus lassen Jürgen Hoffmann wieder strahlen – hier streichelt er Kuh Sonja. Foto: Nadja Ruranski

Tiere Seine Zwergzebus haben ihm – im wahrsten Sinne des Wortes – wieder auf die Beine geholfen. Wie Jürgen Hoffmann durch seine außergewöhnlichen Rinder zurück ins Leben fand.

Das da ist die Babette“, sagt Jürgen Hoffmann und zeigt auf eine schwarze Kuh. „Das ist die Führungskuh, die kann sich gut durchsetzen.“ Überhaupt seien bei den Zebus meistens die Kühe der Chef, nicht die Bullen. „Die Zebus sind nicht ganz normal“, meint der 61-Jährige. Manchmal seien sie ein paar Tage lang handzahm und dann plötzlich störrisch. 2006 habe er die ersten Zebus gekauft.

Zebufleisch gilt als Delikatesse, da es zart und fettarm ist. Aktuell hat der gelernte Metzger um die 65 Tiere. Der 61-Jährige lebt bei Blaubeuren und hat eine Fußverletzung. Er trägt einen Fußheber an einem seiner Beine, der ihm dabei hilft, den Fuß anzuheben. Von alleine heilt diese Verletzung allerdings nicht. Hoffmann hatte vor elf Jahren einen schweren Autounfall. Damals arbeitete er als Metzger und trug Zeitungen aus. Deshalb war er am 3. Septmeber 2014 gegen drei Uhr morgens auf dem Weg zur Arbeit. Auf der Kreisstraße von Machtolsheim Richtung Merklingen passierte dann das Unglück: Ein entgegenkommendes Auto kam von der Fahrbahn ab, die beiden Autos stießen frontal zusammen.

Die Unfallfolge: Eine Gehirnblutung und 26 Knochenbrüche. Füße, Beine, Rippen, Kiefer – alles gebrochen. „Ich war drei Wochen im Koma“, erzählt Hoffmann. Es folgten neun Wochen Krankenhaus und 14 Wochen Reha. Der Arzt habe ihm keine großen Hoffnungen gemacht. „Er hat gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich wieder laufen kann, sehr gering ist.“ Drei Monate verbrachte Hoffmann im Rollstuhl.

Seitens der Berufsgenossenschaft sei ihm signalisiert worden: Er sei als Metzger nicht vermittelbar. Er könne ja nicht mehr laufen. Hoffmanns Partnerin, Margret Scheifele, sagt: „Das war schlimm damals.“ Sie habe sich große Sorgen gemacht. „Ich habe mich immer wieder gefragt, wie geht’s jetzt weiter?“ Die Zwillinge Stefan und Andrea seien damals erst 13 Jahre alt gewesen, Tochter Sonja 15 Jahre alt. Dass er im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine gekommen ist, mache sie sehr stolz. Unter dem Elektrozaun durchrollen oder darüber steigen – nach seinem Unfall wäre das undenkbar gewesen. Und doch hat der 61-Jährige genau das geschafft. Er hat sich ins Leben zurückgekämpft, wie er sagt. Mit einem eisernen Willen und vor allem dank seiner Zebus. Denn nach seiner Herde schauen – das war für Hoffmann der Antrieb, wieder laufen zu können. Wasser auffüllen, entlaufene Tiere einfangen oder Zäune reparieren. All das habe ihn Schritt für Schritt wieder gesund gemacht.

Durch die Arbeit mit den Zebus habe er die Muskelkraft wieder aufgebaut. „In der Physio mussten sie die Muskeln nur entspannen.“ Sich um die Tiere kümmern, das habe ihm gutgetan. Neun Monate nach seinem Unfall sei er wieder gelaufen. „Ohne Zebus wäre ich bestimmt im Rollstuhl.“

Auch das Gemüt der Zwergzebus habe bei der Genesung geholfen. „Wenn ich bei den Zebus bin, ist der ganze Stress weg, dann ist alles andere Nebensache.“ Die Zeburinder haben nicht nur unterschiedliche Charaktere, sondern auch Namen. Da gibt es zum Beispiel Cleopatra, die frühere Führungskuh, und Rika, die ein bisschen lahmt, oder den Bullen Otto. Besonders hat es Hoffmann aber Sonja angetan. „Das ist die Unterstützungskuh, quasi der zweite Bürgermeister“, witzelt er. Sie erinnere ihn an seine Tochter Sonja. Drum heiße die Kuh so.

Hauptberuflich arbeitet Hoffmann heute als Schädlingsbekämpfer. Und mit den Zebus betreibt er Landschaftspflege. Die Rinder sind von Anfang Mai bis Ende November auf der Weide. Sie fressen so einiges, was herkömmliche Rinder nicht anrühren, und machen aus überwucherten Flächen wieder grüne Wiesen. „Die Zwergzebus haben kleine Füße und hinterlassen keine Trittschneißen.“ Sie halten die Fläche also frei von Gestrüpp, ohne dass sie dabei den Boden zertrampeln. Mit seinen Tieren beweidet er Flächen in Weiler, Hessenhöfe, Berghülen und Erstetten. Zum Fressen gibt Hoffmann den Zebus auch Äpfel, Birnen oder mal ein trockenes Brot. Ein Leben ohne Zebus – für den 61-Jährigen undenkbar. Er sagt: „Wenn meine Kühe zufrieden sind, bin ich auch zufrieden.“

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