Versicherung verweigert Zahlung nach Covid-Impfung

  • Für die meisten Menschen war die Corona-Impfung ein wichtiger Schritt zur Eindämmung der Pandemie. Doch manche müssen auch mit Nebenwirkungen leben (Symbolfoto). Foto: Annette Riedl/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa

Prozess Ein Student aus dem Raum Laichingen leidet seit 2021 unter Fatigue-Symptomen. Die Versicherung zahlt jedoch bisher nicht die Berufsunfähigkeitsrente.

Hans L. (Name geändert) und seine Familie aus dem Raum Laichingen stehen seit vier Jahren unter enormer Belastung. Ihr Alltag dreht sich vor allem um die Betreuung ihres Sohnes Thomas (Name ebenfalls geändert). Der 24-Jährige leidet seit einer doppelten Corona-Impfung im Jahr 2021 mit dem Biontech-Wirkstoff unter zahlreichen Symptomen, die ihn größtenteils ans Bett fesseln. Sein Lehramtsstudium musste er deshalb im vierten Semester abbrechen.

Bereits in der Jugend seines Sohnes hatte Hans L. eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Nürnberger Versicherung für ihn abgeschlossen. Doch als die Familie nach dem Studienabbruch die Leistungen beantragte, verweigerte die Versicherung die Zahlung – und das seit mittlerweile über drei Jahren. Im vergangenen Jahr zog die Familie daher einen Fachanwalt für Medizinrecht hinzu.

Schwere Symptome

Laut ärztlichen Berichten, die der Redaktion vorliegen, traten die ersten Symptome fünf Tage nach der ersten Impfung im Mai 2021 auf. Thomas entwickelte eine „ausgeprägte Fatigue-Symptomatik“ und konnte teilweise das Bett nicht mehr verlassen. Hinzu kamen kognitive Störungen, wie der sogenannte „Brain Fog“ (übersetzt „Gehirnnebel“). Betroffene leiden unter anderem an Konzentrations- und Orientierungsproblemen, Wortfindungsstörungen, plötzlicher Vergesslichkeit und mentaler Erschöpfung. „Brain Fog“ ist ein typisches Symptom von Myalgischer Enzephalomyelitis beziehungsweise des Chronischem Fatigue-Syndroms (ME/CFS). Zudem wurden unter anderem Kopf- und Muskelschmerzen, Ohnmachtsgefühle sowie Sehstörungen dokumentiert.

Ein Arzt beschreibt die zweite Impfung einen Monat später als „verheerend“ – die Symptome verschlimmerten sich. Heute kann Thomas sein Bett kaum noch verlassen. Er lebt weiterhin bei seinen Eltern, die ihn rund um die Uhr betreuen. Seine Mutter beschreibt es so: „Die Unbeschwertheit der frühen Zwanziger, die normalerweise für Freiheit stehen, hat er gar nicht erleben können.“ Für die Eltern sei es schwer zu ertragen, ihren Sohn so zu sehen.

Die Familie hat bereits rund 20 Ärztinnen und Ärzte in der gesamten Republik aufgesucht und zahlreiche Behandlungen ausprobiert. Trotzdem blieb sein Leiden bisher ohne Linderung, die Kosten belaufen sich auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Hinzukommen die bürokratischen Sorgen, auch die Klage läuft über die Eltern.

Aufgrund der diagnostizierten Kopfschmerzen beruft sich die Versicherung auf eine Ausschlussklausel, die Ablehnungsschreiben liegen der Redaktion ebenfalls vor. Thomas L. litt als Kind unter Migräne, berichtet sein Vater, im Jugendalter sei sie jedoch kaum noch aufgetreten.

Unterschiedliche Aussagen

In der Versicherung sind deshalb aber „unter anderem Migräne und Kopfschmerzen, einschließlich aller Folgen und Komplikationen“ vom Versicherungsschutz ausgenommen. Das schreibt auch ein Sprecher der Nürnberger Versicherung auf Anfrage. Fachärztliche Einschätzungen würden demnach bestätigen, dass die Beschwerden im Zusammenhang mit der früheren Migräneerkrankung stehen. Weiter heißt es: „Keine ärztliche Untersuchung, auch nicht die vom Gesundheitsamt, hat einen Impfschaden diagnostiziert. Deshalb mussten wir den Leistungsantrag ablehnen und gehen davon aus, dass das Gericht diese Entscheidung für richtig befinden wird.“

Allerdings haben einige der aufgesuchten Ärzte einen Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung durchaus klar benannt. Andere Ärzte hingegen nicht – auf diese Einschätzungen stützt sich die Versicherung. Wenn diese eine „zusätzliche gutachterliche Untersuchung“ für erforderlich halte, beauftrage sie Fachkliniken/Universitätskliniken beziehungsweise zertifizierte Fachärzte. Im Fall von Thomas L. sei dies aber bisher nicht erfolgt. Wie die Versicherung die ärztlichen Berichte prüft und auswählt, erklärt der Sprecher auf Nachfrage nicht direkt.

Erste Verhandlung im Mai

Er schreibt in diesem Kontext: „Die bloße Möglichkeit einer Schädigung durch einen Impfstoff reicht für einen Nachweis nicht aus.“ Laut geltender Rechtssprechung sei ein Impfschaden nach „gesicherten medizinischen Forschungsergebnissen“ zu beurteilen. Tatsächlich lehnte das Gesundheitsamt des Landratsamts Ulm bisher eine offizielle Anerkennung des Impfschadens ab.

Doch das sei für den Fall überhaupt nicht entscheidend, argumentiert der Anwalt der Familie, Alexander Lang von der Kanzlei Steinbock. Da Thomas L. aufgrund seiner Erkrankung eindeutig nicht arbeitsfähig sei, stehe ihm die Berufsunfähigkeitsrente unabhängig von der Ursache zu. Ein amtlicher Nachweis eines Impfschadens, den die Versicherung fordert, sei daher keine Voraussetzung für die Auszahlung der Leistungen. Die erste Verhandlung vor dem Landgericht Ulm ist für den 7. Mai angesetzt.

NÄCHSTER ARTIKEL