Kartoffeln landen in der Biogas-Anlage

  • Meist freuen sich Landwirte über eine gute Ernte. 2025 jedoch war sie zu gut, und es wurden zu viele Kartoffeln angebaut. Foto: Ole Spata/dpa

Lebensmittel Pommes und Speisekartoffeln kosten im Supermarkt oder auf dem Markt gerade auffallend wenig. Was für Verbraucher gut ist, belastet die Landwirte sehr.

Mit dem Spruch: „Noch mehr sparen mit Aldi“ warb der Discounter erst vor wenigen Tagen für ein ganz besonderes Angebot: Pommes, eines der beliebtesten Tiefkühl-Lebensmittel der Deutschen, wurden günstiger und sollen das laut den Angaben auch dauerhaft bleiben. So sank der Preis bei vielen Packungen um 10 bis 20 Cent.

Damit ist der Discounter nicht alleine. Rohe Kartoffeln und die verarbeiteten Produkte sind derzeit im Durchschnitt deutlich günstiger zu haben als noch vor einem Jahr. Laut Statistischem Bundesamt lag der Preis im September 2025 um fast 12 Prozent unter dem ein Jahr zuvor. Derzeit kosten Kartoffeln im Handel nach Schätzungen des Bauernbundes durchschnittlich einen Euro pro Kilogramm – das sind weiterhin zehn bis 15 Prozent weniger als im Vorjahr.

Was Verbraucherinnen und Verbraucher freut, ist für viele Landwirte ein Problem. Im Vergleich zum Vorjahr lagen die Erzeugerpreise für Speisekartoffeln im Juli beispielsweise um 53 Prozent niedriger, also bekamen die Anbauer für ihre Ware weniger als die Hälfte. Experten sprachen von einem „Ausnahmezustand“. Und die Lage hat sich seitdem nicht verbessert.

„Reichliche Ernte“

Doch warum ist das so? „Wir haben eine reichliche Kartoffelernte“, erklärt Christoph Hambloch, Marktanalyst Pflanzenanbau bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Die sei so groß wie seit 30 Jahren nicht mehr. Laut einer Berechnung des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) werden etwa 13,4 Millionen Tonnen Kartoffeln geerntet. Das sind 5,3 Prozent mehr als im letzten Jahr und 17 Prozent mehr als im mehrjährigen Durchschnitt.

„Für die Verbraucher ist das super, es gibt günstige Kartoffeln in Hülle und Fülle in sehr guter Qualität“, sagt Hambloch. Für Erzeuger nicht. „Der Kartoffelmarkt ist in keiner Weise reguliert, da gibt es keine Marktordnung. Der Preis entwickelt sich aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage“, erklärt der Experte. Viele Landwirte wollten nun vor dem Winter, bevor der Frost komme, ihre Kartoffeln loswerden. Die müssen in geschützte Lager, damit sie hinterher noch vermarktet werden können – „und da sind ein paar übrig, die da nicht mehr reinpassen“.

Das drückt die Preise noch mehr, wobei Hambloch zwischen den Anbauern von Speisekartoffeln und den Landwirten unterscheidet, die Verarbeitungskartoffeln haben, die beispielsweise für Pommes, Chips oder Kartoffelstärke verwendet werden. „Speisekartoffel-Anbauer schreiben in diesem Jahr Verluste“, erklärt er. Für Preise von um die zehn Euro für 100 Kilogramm Kartoffeln könnten diese nicht produzieren. Auch weil das Saatgut im vergangenen Jahr sehr teuer gewesen sei, Pflanzenschutz ebenfalls. Dazu kommen noch Lohnkosten und so weiter. „Da wird es nicht nur knapp, viele schreiben Verluste, insbesondere im Norden Deutschlands“, sagt Hambloch.

Verarbeitungskartoffeln hingegen entstünden größtenteils im Vertragsanbau. „Teilweise werden da vorab Festpreise festgelegt, also bekommen die Landwirte auch das, was sie vorab kalkuliert hatten.“ Das entschärfe die Probleme deutlich. „Wenn man allerdings rein auf Spekulationsbasis angebaut hat und dachte, dass irgendeine Pommesfabrik die Kartoffeln schon abnehmen werde, dann ist es problematisch.“ Wer keine Abnehmer für diese Ware findet, bringt sie in eine Biogas-Anlage oder verfüttert sie. „Die sind dann noch schlechter gestellt als der Speisekartoffelproduzent.“

Trügerische Aufbruchstimmung

Überrascht ist Hambloch von der Situation nicht. „Die Landwirtschaft hat zwei Jahre hintereinander den Kartoffelanbau in einer Größenordnung von jeweils sieben Prozent ausgedehnt, inzwischen werden Kartoffeln auf 301.000 Hektar angebaut, das ist zu viel“, erklärt er. Wie es zu der großen Anbaufläche kommt? Noch vor wenige Jahren erzielten Kartoffeln hohe Preise, alternative Feldfrüchte dagegen weniger.

Außerdem habe Aufbruchstimmung geherrscht, in den letzten zwei, drei Jahren sei der Weltmarkt an Kartoffeln für Pommes frites gewachsen, es wurde mehr Ware gebraucht, neue Frittenfabriken gebaut. Deshalb seien viele Landwirte auf den Zug aufgesprungen. „Aber den Hype gibt es nicht mehr. Der globale Markt ist leicht geschrumpft, hier in Europa sind die Märkte gesättigt.“

Über mehr Export lässt sich das Problem auch nicht lösen. Deutschland exportiert bereits 2,5 Millionen Tonnen Kartoffeln pro Jahr, allerdings sind zwei Drittel Verarbeitungsrohstoff für Frittenfabriken unter anderem in Holland und Belgien. Dann gehe noch ein Teil in einige Nachbarländer, so Hambloch,  „aber das sind keine Märkte, die den großen Überschuss aufnehmen könnten“.

Er geht davon aus, dass im kommenden Jahr etwas weniger Kartoffeln angebaut werden, aber nicht entscheidend weniger. Einige Neueinsteiger, die nicht in Maschinen und Lager investiert haben, sondern Lohnunternehmen beauftragten, dürften aufhören. „So manche, die ihre Kartoffeln nicht loswerden, könnten sie auch aufbewahren, keine Keimhemmung betreiben und sie im nächsten Jahr wieder in die Erde stecken“, vermutet der AMI-Experte.

Das sei dann zwar günstiges Pflanzgut, aber für die Pflanzenhygiene auf dem Acker eher nicht so vorteilhaft. Viele Landwirte lagerten aktuell mit der Ungewissheit ein, ob sich ihr Engagement für den langfristigen Erhalt der produzierten guten Qualitäten überhaupt lohne, so sein Fazit.

Anbauer von Speisekartoffeln schreiben in diesem Jahr Verluste. Christoph Hambloch Marktanalyst

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