Land unterliegt im Streit um Corona-Soforthilfen
Urteil In sechs Musterfällen gibt der VGH Baden-Württemberg den meisten Unternehmern recht. Sie müssen die Finanzspritzen nicht zurückzahlen. Für das Land geht es um viel Geld.
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat im Streit um die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen in fünf Fällen den jeweils betroffenen Unternehmen recht gegeben. Sie müssen nach der Entscheidung des Gerichts das Geld aus der Corona-Pandemie nicht an das Land zurückzahlen.
In vier Fällen wies das Gericht die Berufungen der L-Bank gegen entsprechende Urteile mehrerer Verwaltungsgerichte zurück. In zwei weiteren Fällen hatten Unternehmer Berufung eingelegt. Einer davon – ein Winzer aus Freiburg – hatte Erfolg. Nur im Fall eines Fahrschulbetreibers bleibt es dabei, dass dieser die Corona-Soforthilfen zurückzahlen muss. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Zu den Gewinnern des Rechtsstreits zählt unter anderen der Friseur Holger Schier aus Heidenheim an der Brenz. Bei ihm ging es um 10.424 Euro, die das Land zurückverlangt hatte. Insgesamt hatte er 15.000 Euro Corona-Hilfen erhalten. „Wir haben gefeiert im Salon“, sagt der Friseur nach der Entscheidung. „Alle haben gejubelt und geklatscht.“
Schier ist einer von fünf Unternehmern, die gegen Rückzahlungsbescheide von Corona-Soforthilfen durch die L-Bank geklagt haben. Er hatte im September 2024 bereits in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Recht bekommen, genauso wie ein Hotel- und Restaurantbetreiber. Im Fall eines IT-Unternehmens und eines Pflegeprodukt-Betreibers gab es gleichlautende Urteile der Verwaltungsgerichte Karlsruhe und Freiburg. Die L-Bank war gegen alle vier Urteile in Berufung gegangen.
Bei allen sechs Fällen handelt es sich um Musterfälle, die laut VGH beispielhaft für Hunderte andere Verfahren geführt werden. Diese ruhen derzeit. Aktuell sind laut L-Bank noch rund 1400 Klagen von Unternehmern gegen Rückforderungen des Landes anhängig. Das Land Baden-Württemberg zahlte der Bank zufolge während rund 245.000 Corona-Soforthilfen in Höhe von insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro an Unternehmen und Selbstständige aus. Im Jahr 2021 verlangte die L-Bank von allen betroffenen Unternehmern eine Abrechnung, „ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich ein Rückzahlungsbedarf für Ihre Soforthilfe ergibt“, wie der VGH schreibt. Die Bank forderte nach eigenen Angaben in rund 117.000 Fällen insgesamt rund 862 Millionen Euro zurück. Dabei wurde argumentiert, dass die Soforthilfen auf der Grundlage von Prognosen gewährt worden waren. Im Nachhinein habe überprüft werden müssen, ob die Vorhersagen auch tatsächlich so eingetreten seien.
Die Unternehmer verwiesen dagegen unter anderem darauf, dass die Soforthilfe als Zuschuss deklariert worden sei und nicht als Darlehen. Ein Grund für die Gewährung der Soforthilfe seien Umsatzeinbrüche gewesen.
Das Gericht entschied nun in vier Fällen, die Rückforderung sei rechtswidrig gewesen. In den Bewilligungsbescheiden für die Hilfen sei „nicht ausreichend erkennbar“ gewesen, dass hinterher nachgewiesen werden sollte, dass die Ausgaben für einen Zeitraum von drei Monaten höher als die Einnahmen waren.
Auch der Winzer aus Freiburg muss das erhaltene Geld nicht zurückzahlen, obwohl in seinem Fall laut VGH der vom Land überarbeitete Bewilligungsbescheid korrekt war. Er habe im Berufungsverfahren nachwiesen können, dass bei ihm der geforderte „Liquiditätsengpass“ vorliege und er die Mittel deshalb zweckmäßig verwendet habe. Nur bei dem Fahrschulinhaber lag diese Voraussetzung dem Gricht zufolge nicht vor, obwohl auch dieser korrekt informiert wurde.
Die schriftliche Begründung für die aktuellen Entscheidungen wird der Verwaltungsgerichtshof nach eigenen Angaben ab Mitte November vorlegen. Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde von der höchsten Landesinstanz nicht zugelassen, allerdings kann dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden, weshalb die Urteile noch nicht endgültig sind.
L-Bank hat Voraussetzungen nicht klar benannt.