Flucht in den sicheren Hafen

  • Goldbarren lagern in einem Tresor der Deutschen Börse AG. Deutschland verfügt über die weltweit zweitgrößte Goldreserve. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Geldanlage Der Goldpreis ist erstmals auf mehr als 4000 US-Dollar je Unze gestiegen. Politische Krisen, Konflikte und auch die US-Politik treiben Investoren zum Edelmetall.

Am vergangenen Mittwoch kletterte der Goldpreis erstmals über die Marke von 4000 US-Dollar je Unze (etwa 31,1 Gramm). Damit war das Edelmetall so teuer wie noch nie. Am Donnerstag stieg der Goldpreis weiter bis auf 4242 US-Dollar je Unze. „Tatsächlich erleben wir derzeit die stärkste Goldrallye seit Ende der 1970er Jahre“, erklärt Ronald-Peter Stöferle, Autor des „InGoldWeTrust“-Reports und Partner des Vermögensverwalters Incrementum. Der Goldwert stieg um fast 50 Prozent gegenüber dem US-Dollar seit Jahresbeginn, mit besonderer Beschleunigung im August und September.

Eine Kombination aus verschiedenen Gründen erklärt die immer stärkere Nachfrage nach Gold. Zuletzt spielten dabei vor allem politische Krisen eine wichtige Rolle. Den jüngsten Kursschub erhielt der Goldpreis durch den Stillstand mehrerer US-Regierungsgeschäfte, weil sich im US-Kongress Demokraten und Republikaner nicht über Haushaltsgesetze zur Finanzierung der Bundesregierung einigen konnten. Seit dem 1. Oktober sind viele Ämter und Behörden deshalb geschlossen oder arbeiten stark eingeschränkt.

„Ein wichtiger Faktor für den aktuellen Anstieg des Goldpreises ist die Politik von Donald Trump in den USA“, betont Olaf Stotz, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Und auch die sich zuspitzende Staatskrise in Frankreich sowie der Handelsstreit zwischen den USA und China dürften Gründe gewesen sein, warum viele Investoren zuletzt verstärkt auf Gold setzten, das bei Anlegern als „sicherer Hafen“ in politisch unsicheren Zeiten gilt.

Weitere Gründe für den Preisanstieg sind die Spekulation auf sinkende Zinsen in den USA und der verstärkte Kauf von Gold durch Notenbanken, die ihre nationalen Reserven unabhängiger vom US-Dollar machen wollen. „Wir beobachten derzeit eine stille Re-Monetisierung des Goldes. Zentralbanken kauften 2024 netto über 1000 Tonnen – das höchste Volumen seit Beginn der Aufzeichnungen. Im ersten Halbjahr 2025 kamen bereits 483 Tonnen hinzu, womit sie inzwischen ein Drittel der globalen Minenproduktion absorbieren“, sagt Stöferle. Besonders die derzeitigen Top-Käufer Polen, Indien und China möchten damit ihre Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren. Da Gold in US-Dollar gehandelt wird, führt eine Abwertung des Dollar dazu, dass Gold für Anleger außerhalb der USA günstiger wird – was Nachfrage und Preis antreibt.

Mehr als Wertanlage

„Gold ist nicht nur eine Wertanlage, sondern auch ein Symbol. Es steht für Status, für Freude, für etwas, das uns schon ewig begleitet – viel länger als Münzen oder andere Zahlungsmittel“, erklärt die Finanzpsychologin Monika Müller. Gold begegne Menschen in allen Lebensphasen und habe deshalb für viele eine besondere Bedeutung. „Gerade in Krisenzeiten besinnen wir uns auf Dinge, die wir schon lange kennen. Im Unterschied zu Krypto oder Bitcoin ist Gold etwas, das über Jahrhunderte hinweg da war“, sagt Müller. Wer Gold besitze, habe das Gefühl, in einer Krisensituation handlungsfähig zu bleiben „auch wenn das rational gesehen gar nicht unbedingt zutrifft“. Und selbst wer gar kein Gold hat, empfinde die Vorstellung, es sich kaufen zu können, als beruhigend.

Doch Stotz warnt vor zu viel Euphorie: „Ein Investment erzeugt von sich aus Renditen. Eine Aktie zahlt Dividende, eine Anleihe Zinsen, eine Immobilie Miete. Gold bringt keinen Ertrag. Man kann nur hoffen, es später teurer zu verkaufen.“ Als langfristige Altersvorsorge sei das Edelmetall daher ungeeignet, denn es gebe über Jahrzehnte zu viele Phasen ohne Rendite. Und dass Gold ein sicherer Inflationsschutz sei, lasse sich wissenschaftlich nicht bestätigen. „Langfristig bietet der Aktienmarkt den deutlich besseren Schutz bei ähnlichem Risiko“, betont Stotz.

„Wenn die Unsicherheit in den USA anhält, kann der Goldpreis kurzfristig noch weiter steigen. Aber das ist reine Spekulation“, sagt Stotz. Derzeit befinde man sich erst „in der mittleren Phase“ eines langfristigen Aufwärtstrends an den Finanzmärkten, der sich über mehrere Jahre erstreckt, betont hingegen Stöferle. Trotz möglicher kurzfristiger Korrekturen sieht er Gold deshalb weiter im Aufwind: „Der beginnende Zinssenkungszyklus der Fed, die steigende Geldmenge, ETF-Zuflüsse und rekordhohe Zentralbankkäufe sprechen für Goldpreise von 4500 bis 5000 US-Dollar bis Ende 2026.“

Die größte Goldreserve hatten Ende des Jahres 2024 die USA mit 8133 Tonnen. Das geht aus Daten des World Gold Council hervor. Deutschland liegt mit 3351 Tonnen auf Platz zwei.

Gold bringt keinen Ertrag. Man kann nur hoffen, es später teurer zu verkaufen. Olaf Stotz Wirtschaftsprofessor

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